CDU-Arbeitsgruppe probt Ausstieg aus der Netzpolitik

Laut einem Strategiepapier der CDU will die Union von einem "Internetminister" oder einem ständigen Parlamentsausschuss für Netzpolitik nichts mehr wissen. Der mögliche Koalitionspartner findet das "unterambitioniert".

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Ein Gesprächskreis der CDU zur "Digitalisierungspolitik" in der neuen Legislaturperiode hat vorgeschlagen, anstelle eines "Internetministers" nur einen zusätzlichen Staatssekretär in der Bundesregierung zu etablieren. Dieser solle "die Kompetenzen und Zuständigkeiten für Themen der Digitalisierung" auf Regierungsebene stärker bündeln" und könne beim Innen- oder Wirtschaftsministerium angesiedelt werden. Auf parlamentarischer Ebene reiche es aus, einen Unterausschuss für Digitalpolitik als Anhängsel des Innen- oder Wirtschaftsausschusses einzureichen, heißt es in einem heise online vorliegenden Strategiepapier der Arbeitsgruppe mit dem Titel "Vorschläge zur Digitalisierungspolitik".

Der Begriff "Netzpolitik" taucht in dem Dreiseiter, der eine "digitale Strategie für Deutschland" umreißen soll, gar nicht auf. Die Vorschläge bleiben so weit hinter den Beschlüssen des jüngsten CDU-Parteitags sowie interfraktionellen Konsensbekundungen aus der vergangenen Wahlperiode zurück. Abgeordnete von Union und FDP hatten sich nach den Beratungen der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" im Februar dafür stark gemacht, der Netzpolitik im Bundestag einen prominenteren Rang einzuräumen. Im April sprach sich der Bundestag dafür aus, einen gleichnamigen ständigen Hauptausschuss einzurichten, was auch die Wirtschaft befürwortet. Netz- und Medienpolitiker waren sich auch weitgehend einig, dass es auf Regierungsebene einen Zuständigen geben müsse, der mit am Kabinettstisch sitzt.

"Das Thema Internet ist viel zu wichtig, um der Unterausschuss von irgendetwas zu sein", hatte der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek im Frühjahr betont. Bislang war dafür ein Ableger des Kulturausschusses zu "Neuen Medien" zuständig, der im Parlamentsbetrieb eher ein Schattendasein fristete. Die mittlerweile abgegebenen Empfehlungen seiner Parteikollegen begeisterten ihn daher nicht, erklärte Jarzombek am Donnerstag gegenüber heise online. Er selbst habe an der Gesprächsrunde nicht teilnehmen können. So hätten sich in dem Papier offenbar führende CDU-Rechtspolitiker weitgehend durchgesetzt, die kein großes Interesse an einem weiteren Hauptausschuss hätten.

Das frühere Mitglied der Enquete-Kommission zur digitalen Gesellschaft hielt dem unter anderem die Thesen der CDU-Netzpolitiker aus dem cnetz entgegen, die diese vor der Wahl gemeinsam mit der Schwesterorganisation CSUnet aufgestellt hätten. Darin werde neben einem "Internetstaatsminister" auch ein einschlägiger ständiger Ausschuss im Bundestag gefordert. Dies decke sich weitgehend mit CDU-Parteitagsbeschlüssen, auch wenn diese Passagen es nicht ins "Regierungsprogramm" der Konservativen geschafft hätten.

Beim voraussichtlichen Koalitionspartner SPD gelten die Überlegungen der CDU als "völlig unterambitioniert". Die Netzpolitik solle damit offenbar auf der "Resterampe" aussortiert werden, heißt es in Parteikreisen. Die SPD hatte als einzige Partei schon in ihrem Schattenkabinett mit der Design-Professorin Gesche Joost eine "Internetministerin" vorgesehen. Auch wenn diese sich mittlerweile aus dem Team zurückgezogen hat, liebäugeln die Sozialdemokraten weiter mit einer solchen Funktion.

Weniger kontrovers dürften inhaltliche Punkte der "CDU-Digitalisierungsagenda" für die wahrscheinlichen Koalitionspartner sein. So möchten die Christdemokraten die Netzneutralität mittels einer Pflicht zum "Gleichbehandeln von Datenpaketen" gewährleisten, "offene IT-Standards fördern und Interoperabilität sicherstellen" sowie die Potenziale von offenen WLANs unter anderem durch eine "Haftungsbegrenzung" erschließen, die Schwarz-Gelb im Juni noch abgelehnt hatte. Die EU-Datenschutzreform soll "durch deutsche Vorschläge" gestaltet und "zeitnah" verabschiedet, das umstrittene IT-Sicherheitsgesetz beschlossen werden. (vbr)