NSA-Affäre: EU-Kommission will transatlantische Datenflüsse nicht stoppen

Der Spionageskandal habe das Vertrauen in die transatlantischen Beziehungen zwar erschüttert, meint die EU-Kommission. An Abkommen zur Weitergabe von Kunden-, Flugpassagier- und Finanzdaten will sie aber festhalten.

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NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die EU-Kommission sieht trotz der NSA-Affäre und der damit verknüpften Erschütterung transatlantischer Beziehungen keinen Grund, bestehende Abkommen zur Weitergabe etwa von Kunden-, Flugpassagier- und Finanzdaten grundsätzlich in Frage zu stellen oder gar aufzukündigen. Auch die Europol-Vereinbarung mit Washington zum Austausch von Ermittlungsinformationen soll erhalten bleiben. Diese Linie beschreibt die Kommission in ihrem Entwurf für eine Mitteilung mit dem Titel: "Wiederaufbau von Vertrauen in die Datenflüsse zwischen der EU und den USA", der heise online vorliegt.

Im EU-Parlament dürfte sich die Kommission mit dem Papier, das sie am Mittwoch offiziell vorstellen will, wenig Freunde bereiten. Der Innenexperte der Grünen, Jan Philipp Albrecht, zeigte sich bereits "enttäuscht" über die geplante Initiative. Auch SPD-Politikern geht die Kommission nicht weit genug.

Die Abgeordneten hatten jüngst gefordert, den Vertrag zum Transfer von Überweisungsinformationen des Finanznetzwerks SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) in die USA vorübergehend auszusetzen. Berichte auf Basis von Dokumenten des Whistleblowers Edward Snowden legen nahe, dass der US-Geheimdienst NSA und sein britischer Partner GCHQ die Infrastruktur von SWIFT gehackt und diese auf mehreren Ebenen angezapft haben. Diese Meldungen über rechtswidrige Zugriffe wollen die Volksvertreter zunächst restlos aufgeklärt wissen. Mehrere Parlamentarier hatten zudem auch die Übereinkunft zur Weitergabe von Passenger Name Records (PNR) oder die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA in Frage gestellt.

Die Kommission bezeichnet Datenströme dagegen als "essenzielles Element transatlantischer Beziehungen". Sie bildeten einen wichtigen Teil des wirtschaftlichen Austauschs. Auch stellten sie eine entscheidende Komponente der Kooperation zur Strafverfolgung und inneren Sicherheit dar. Die dazu getroffenen Abkommen garantierten, dass personenbezogene Daten "vollständig" geschützt sind. Dies hätten Überprüfungen zur Anwendung der Bestimmungen bestätigt.

Großflächige Datensammelprogramme von US-Geheimdiensten wie PRISM wirkten sich auf die Grundrechte von EU-Bürgern aus und könnten auch auf Wirtschaftsbeziehungen Einfluss nehmen, hält das von Innenkommissarin Cecilia Malmström vorbereitete Dokument fest. Daraus ergäben sich "neue Herausforderungen" für die transatlantischen Datenflüsse.

Letztlich verbleibe die Verantwortung für die innere Sicherheit aber allein bei jedem Mitgliedsstaat, meint Malmström. Zudem müssten Antworten "im richtigen Kontext" vorbereitet werden, ohne etwa die laufenden Gespräche über die geplante Freihandelszone zu gefährden. Im Rahmen der angestrebten erweiterten Handelspartnerschaft stünden Datenschutzstandards daher nicht zur Debatte.

Auch das umstrittene "Safe-Harbor"-Abkommen, dessen Wert unter anderem Justizkommissarin Viviane Reding bereits anzweifelte, hat sich Malmström zufolge als "wichtiges Instrument für den Datenaustausch zwischen der EU und den USA erwiesen". In den 13 Jahren seines Bestehens hätten sich bereits 3000 Firmen unter seinen Schirm begeben. Es gebe darin zwar einen Klausel, die einen Zugriff auf die übertragenen Daten zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit erlaube. Auch dabei sei aber die Verhältnismäßigkeit zu wahren, sodass eine Auswertung der Kundeninformationen etwa über PRISM nicht statthaft sei.

Die Innenkommissarin plädiert daher im Einklang mit dem EU-Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx dafür, den "sicheren Hafen" noch sicherer zu machen und Schwachstellen des Vertrags auszubügeln. Lösungen sollten bis Mitte 2014 ausgearbeitet werden. Dabei sei etwa die Transparenz der Zertifizierung für das Programm sowie die Aufsicht durch die US-Behörden darüber zu stärken.

Malmström setzt darauf, rasch die jahrelang auf Eis liegenden Gespräche über ein Rahmenabkommen zum Datenschutz im Strafverfolgungssektor zu Ende zu bringen. Überdies diene die NSA-Affäre als "Weckruf", um rasch die EU-Datenschutzreform zu verabschieden. In dieser Frage stellt sich der EU-Rat aber nach wie vor quer. (anw)