Filmindustrie: Beweisführung in Filesharing-Fällen "sehr schwierig"

Weil die Beweisführung bei Urheberrechtsverstößen in Filesharing-Netzen schwierig sei, solle das Gesetz passend ausgelegt und auf den Beweis einer tatsächlichen Verbreitung der geschützten Werke verzichtet werden, argumentiert die US-Filmindustrie.

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Beweisführung? Brauchen wir nicht, ist viel zu anstrengend. So ähnlich argumentieren Anwälte des US-Verbands der Filmindustrie (MPAA) in einer schriftlichen Stellungnahme in einem Filesharing-Prozess der befreundeten Musikindustrie. Das Verfahren gegen Jammie Thomas ist das bisher eine unter tausenden, in denen der Verband der großen Labels (RIAA) eine Verurteilung erreichen konnte. Nun könnte es zu einer Wiederaufnahme des Prozesses kommen, nachdem der Richter einen möglichen Fehler bei den Anweisungen für die Geschworenen eingeräumt hatte. Bis Ende vergangener Woche hatte er dazu um Meinungen gebeten.

Die hat er nun bekommen. Nach einer mündlichen Anhörung am 4. August wird Richter Michael Davis entscheiden, wie es weitergeht mit dem Verfahren Capitol Records gegen Jammie Thomas. Eine Möglichkeit ist die Neuauflage des Prozesses. Ein Schwurgericht in Duluth (US-Bundesstaat Minnesota) hatte die heute 31-Jährige im Oktober vergangenen Jahres wegen Copyright-Verstoßes in 24 Fällen zur Zahlung von 222.000 US-Dollar verurteilt. Richter Davis hatte die Geschworenen vor der Urteilsfindung unterwiesen, dass die bloße "Bereithaltung" von Musik in Filesharing-Netzen schon eine Rechtsverletzung darstelle. Ein offensichtlicher Fehler, wie er ein halbes Jahr später einräumte.

Damit kommt Davis zur zentralen Frage aller Filesharing-Prozesse in den USA: Wie kann die behauptete Copyright-Verletzung nachgewiesen werden? Darüber streiten sich die Parteien schon vor etlichen anderen Gerichten. Die klagenden Labels bringen als Beweise zumeist Momentaufnahmen des "Shared"-Ordners eines Kazaa-Clients vor, dessen IP zum Zeitpunkt der Protokollierung an den Anschluss der Beklagten vergeben war. Das reiche nicht, um einen Verstoß nachzuweisen, argumentiert die Gegenseite. Das Gesetz verlange den Nachweis einer tatsächlich erfolgten Weitergabe des geschützten Materials. Für die RIAA dagegen verstößt schon die bloße Bereithaltung des Materials ("making available") gegen die von § 106 des US-Copyrights geschützten Exklusivrechte.

Auf Einladung von Richter Davis machten sich verschiedene Gruppen ihre Gedanken zur Auslegung des Copyrights in dieser Frage. Eine Interpretation des Gesetzes müsse bei dessen Text beginnen, argumentieren unter anderem die Electronic Frontier Foundation (EFF) und eine Gruppe amerikanischer Jura-Professoren. Im Gesetzestext werde das Verbreitungsrecht klar definiert und beziehe sich konkret auf die tatsächliche Weitergabe des Materials. Die Formulierung der entsprechenden Passage im Copyright lasse keinen Raum für "making available"-Konstruktionen. Sie verweisen auf Präzedenzfälle und andere Entscheidungen, die diese Auslegung stützen. Zuletzt hatte eine Studie der Universität Washington die Zweifel an der Beweisführung der Musikindustrie genährt.

Für ungläubige Heiterkeit in US-Medien sorgte die Filmindustrie, die der befreundeten Musikbranche mit ihrer Eingabe einen Bärendienst erwiesen haben dürfte. Die MPAA-Anwälte argumentieren, der direkte Nachweis einer Urheberrechtsverletzung in ihrer "modernen Form" sei "oft sehr schwer, und in einigen Fällen unmöglich zu führen". Werde die Beweisführung dennoch vorausgesetzt, sei das schädlich für die Rechteinhaber, weil es sie "einer praktischen Handhabe gegen massive Urheberrechtsverletzungen in vielen Fällen" beraube. Zudem müsse das Gesetz im Einklang mit internationalen Abkommen wie dem WIPO Copyright Treaty ausgelegt werden, die das exklusive Verbreitungsrecht auch auf die Bereithaltung ausdehnten.

Auch wenn Davis dem nicht folgt und es zu einem neuen Prozess kommt, sind die Chancen für Jammie Thomas damit nicht automatisch gestiegen. Die RIAA hatte starke Indizien vorgelegt, die auf Thomas' als die Person hinter dem Kazaa-Account tereastarr wiesen. Darüber hinaus muss sich noch zeigen, ob die Musikindustrie dann die tatsächliche Verbreitung der unter diesem Namen freigegebenen MP3-Dateien nachweisen kann. Ein Download durch die RIAA-Ermittler von MediaSentry reicht nach Meinung der EFF-Anwälte dafür nicht aus: Ein vom Rechteinhaber beauftragtes Unternehmen könne dessen Urheberrechte nicht verletzen und mit einem Download so auch keine Rechtsverletzung nachweisen. Denn bewiesen werden müsse eine Weitergabe an Dritte.

Doch bleiben der Musikindustrie noch traditionelle Methoden der Beweisführung, merken die EFF-Juristen an. "Diese Methoden erfordern vielleicht mehr Aufwand, als einen Ermittler dafür zu bezahlen, in Filesharingnetzen herumzutrollen, sie sind aber nicht außergewöhnlich mühsam."

Zum Fall Capitol vs. Thomas siehe auch:

(vbr)