Datenschutz und Nackt-Scanner: "Wir sind schon nackt"

Laut Spiros Simitis, dem Nestor des EU-Datenschutzrechts, sind die Bürger aufgrund der Profilerstellung etwa über Kundenkarten und ihrer Selbstpreisgabe im Internet längst "nackt", Polizeigewerkschaften fürchten einen Vertrauensverlust.

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Der Nestor der EU-Datenschutzgesetzgebung, Spiros Simitis, empfindet die Empörung über den möglichen Einsatz von "Nackt-Scannern" zur Kontrolle von Passagiern an Flughäfen in Europa als in der Sache übertrieben. Die Aufregung sei unverständlich. Denn die Menschen würden gleichzeitig die Tatsache verdrängen, dass über sie – teils mit ihrer Einwilligung – bereits schier jede Information gesammelt und verwertet werde. "Wir sind schon nackt", erklärte der Direktor der Forschungsstelle für Datenschutz an der Universität Frankfurt im Deutschlandradio. Der Versuch, Body-Scanner zu testen und einzuführen, sei gleichsam nur "die symbolische Wiedergabe dessen, was schon geschehen ist".

Den Protest gegen "Nackt-Scanner", deren Einsatz die EU-Kommission zulassen wollte, hält der Berater der Brüsseler Behörde zwar für legitim und notwendig. Es handle sich um einen klaren Verstoß gegen die Menschenwürde. Produziert werde ein Abbild einer Person, das mit deren Aussehen nicht mehr vereinbar sei. Dieses sei zudem immer wieder reproduzierbar, ohne dass die Betroffenen gefragt würden. Der Widerstand sei aber nur überzeugend, "wenn man zugleich sagt, das ist Teil eines Prozesses, den wir nicht mehr hinnehmen und bei dem wir auch verlangen, dass die Schranken, die bei den Daten gelten, genauso durchsichtig bekannt sein und wirksam sein müssen".

Ankündigungen, dass die "Nacktbilder" weiter technisch verfremdet und beim Scannen nur am Körper mitgetragene Gegenstände hervortreten sollen, hält Simitis angesichts der fortwährenden Prozesses der Durchleuchtung der Bürger ebenfalls allein nicht für akzeptabel. Damit werde nur ein Schleier über ein in die Grundrechte eingreifendes Vorhaben gelegt. Zu fragen sei aber, ob nicht generell Maßnahmen nötig seien zum Bedenken, "was mit unseren Daten geschieht" und "mit den Informationen, die sich auf uns beziehen".

Hauptproblem bei der Sicherung der Privatsphäre in der vernetzten Welt ist laut Simitis, dass "jeder von uns viel zu viel Daten von sich gibt, ohne dabei nachzudenken". Bereitwillig würden Verbraucher etwa Kundenkarten akzeptieren in Hoffnung auf finanzielle Vorteile, ohne sich dafür zu interessieren, was mit den abverlangten Daten passiere und ob diese nicht hauptsächlich zur Verfeinerung persönlicher Profile herangezogen würden. Dazu komme die dauernde Selbstpreisgabe im Internet. Angesichts dieses Striptease sei die Gefahr groß, dass sich die Sensibilität für die Folgen der Verarbeitung persönlicher Daten mindere oder gar in Gleichgültigkeit umschlage. Generell sei der Datenschutz ein "unendlich schwieriger Prozess". Dabei sei es oft besser, zwei, drei Schritte zurück zu machen und Forderungen neu zu formulieren, als ungestüm nach vorn zu preschen.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) muss sich derweil wegen der Ankündigung von Labortests mit "Nackt-Scannern" durch die Bundespolizei scharfe Kritik aus den "eigenen Reihen" gefallen lassen. "Es ist für uns vollkommen unakzeptabel, dass die Versuche mit dieser hoch umstrittenen Technik offensichtlich unbeeindruckt fortgeführt werden", monierte der für die Bundespolizei zuständige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Josef Scheuring. Schließlich habe Schäuble erst vor Wochen öffentlich erklärt, dass die umkämpften Body-Scanner in Deutschland nicht eingeführt würden. "Wer so handelt, der zerstört das hohe Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die deutschen Sicherheitsbehörden und vor allem auch in die Bundespolizei", fürchtet Scheuring. Die GdP erwarte eine sofortige Aufklärung des Vorgangs unter Einbeziehung der zuständigen Personalvertretungen und einen offenen Umgang mit dem Thema gegenüber der Bevölkerung.

Mit Unverständnis und "deutlicher Ablehnung" reagierte auch der Vorsitzende des Fachverbandes Bundespolizei bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Hans-Joachim Zastrow, auf das "Wendemanöver" des Innenministers. Mit der Neuauflage des Projekts nach dessen vorheriger "medienwirksamer" Ablehnung begebe sich Schäuble "in die Gefahr der Unglaubwürdigkeit". Verantwortungsvolle Politik dürfe nicht den Eindruck eines falschen Spiels vermitteln. Dem Minister empfahl Zastrow seine Energie besser zu nutzen, um "die Sicherheit an Deutschlands Flughäfen durch die Rücknahme der Privatisierung der Fluggastkontrollkräfte zu stärken".

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(Stefan Krempl) / (jk)