Bundestag streitet über die Online-Zukunft von ARD und ZDF

Alle Fraktionen im Parlament haben bei einer Debatte über den Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung und Anträge der Opposition ihre Linie zu Rundfunkgebühren und "Online-Sucht" abgesteckt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 124 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Vertreter aller Bundestagsfraktionen haben bei einer Debatte im Parlament über den Medien- und Kommunikationsbericht (PDF-Datei) der Bundesregierung und diverse Anträge der Opposition zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Sender ihre Linie zu Rundfunkgebühren und Themen wie "Online-Sucht" abgesteckt. Reinhard Grindel von der CDU unterstützte in den Donnerstagabend aufgrund der vorgerückten Stunde zu Protokoll gegebenen Reden das Bekenntnis des Reports zu "starken öffentlich-rechtlichen Anstalten". Diese würden "in einer globalisierten Welt" als "Kraft der Orientierung und Integration dringend" benötigt. Es sei unverzichtbar, dass ARD und ZDF "ihre Integrationsfunktion in der Gesellschaft" auch über das Internet erfüllen könnten.

Zugleich sprach sich der frühere ZDF-Mann für eine Lockerung der derzeitigen Begrenzung aus, wonach die Öffentlich-Rechtlichen ihre "zum Teil teure Ware" nur sieben Tage für den Zuschauer in Online-Archiven zur Verfügung stellen dürfen. Die unter anderem von der FDP aufgebrachte, aber auch in Unionskreisen populäre Forderung nach Werbefreiheit bei ARD und ZDF lehnte Grindel dagegen ab. Eine gewisse Konkurrenz zu den privaten Sendern helfe, die Preise für die Spots unter Kontrolle zu halten.

Grindels Fraktionskollege Marco Wanderwitz plädierte dafür, junge Menschen stärker für Zeitungslektüre zu begeistern. Der laut verschiedenen Studien bei drei bis sieben Prozent der Surfer festzustellende "exzessive Gebrauch der elektronischen Medien" sei eine Folge der "Verabschiedung vom realen gesellschaftlichen Leben". Er begrüßte daher die Initiative des Bundesgesundheitsministeriums, eine zweijährige Studie über Beratungs- und Behandlungsangebote "zum pathologischen Internetgebrauch" durchführen zu lassen. Auf dieser Basis sollten Präventionsmaßnahmen wie Warnhinweise, verpflichtende Spieldauereinblendungen oder der technische Abbruch von Games entwickelt werden.

Für die SPD-Fraktion legte Monika Griefahn den Schwerpunkt auf die Sicherung der Vielfalt, den Jugendmedienschutz und ebenfalls auf mögliche Gefährdungen durch die Online-Sucht, deren Symptome etwa bei Computerspielen oder Chats besser zu erforschen seien. Darüber hinaus müsse mit den Ländern geprüft werden, ob die Begutachtung möglicher Medienkonzentrationen nicht zu einseitig auf den Rundfunk fixiert sei. "Öffentlichkeitswirksamen" weiteren Verschärfungen der Jugendschutzbestimmungen erteilte sie eine Absage. Zugleich bedauerte die Sozialdemokratin, dass es der großen Koalition nicht gelungen sei, einen gemeinsamen Antrag zur Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit der Garantie von Entwicklungsmöglichkeiten im Internet auf den Weg zu bringen.

Für Hans-Joachim Otto von der FDP-Fraktion offenbart die Politik der Bundesregierung im Rundfunkbereich eine große offene Flanke. Wichtig für einen fairen Wettbewerb sei eine effektivere, unabhängige und transparente Aufsicht über den "öffentlich-rechtlichen Giganten". Im digitalen Zeitalter sei eine Kontrolle durch "auch noch so gutwillige ehrenamtliche Rundfunkräte bei weitem nicht mehr ausreichend". Zugleich sprach sich der Liberale dafür aus, dass die Rundfunkgebühr "durch eine allgemeine Medienabgabe ersetzt wird". Diese würde von allen erwachsenen Bürgern mit steuerpflichtigem Einkommen getragen und müsste zum Erhalt des bisherigen Gebührenaufkommens bei etwa elf Euro pro Monat liegen. "Aberwitzige Doppelbelastungen" etwa für den PC am Arbeitsplatz hätten damit ein Ende und die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) könnte abgeschafft werden.

Lothar Bisky von den Linken meinte, dass die Zukunft der Medienindustrie wohl "jenseits von Druckerpresse, CD und DVD" liege. Schon jetzt sei daher ein "Kulturkampf darüber entbrannt, wie das neue Zeitalter zu regulieren ist". So würden sich etwa private Internet- und Telekommunikationsanbieter "ohne kulturellen Auftrag, ohne öffentliche Kontrolle und Transparenz" zu "Sendeanstalten von morgen" mausern. Öffentliche Berichterstattung werde zum "Spielball rein finanzieller Interessen", was seine Fraktion ablehne. ARD und ZDF würden ein "notwendiges Korrektiv" bilden, sodass deren Funktionsauftrag aufs Internet "ohne Beschränkungen" auszudehnen sei. Fundament müsse eine "konsequent werbefreie und nichtkommerzielle Ausrichtung" sein.

Ähnlich befand Grietje Staffelt von den Grünen, dass die Öffentlich-Rechtlichen im Netz durch die strengen Regulierungsauflagen der Länder und aus Brüssel geradezu "lahm gelegt" würden. Allein die zusätzliche Bestandprüfung für die "Zulassung" von Telemedien werde bei der ARD voraussichtlich über fünf Millionen Euro verschlingen. Verleger und die Privaten hätten es geschafft, ARD und ZDF online "ordentlich auszubremsen". Es sei wichtig, die gerätebezogene Rundfunkgebühr auf eine "Medienabgabe pro Haushalt und Betrieb" umzustellen. Zugleich bedauerte die Grüne, dass sich der Regierungsbericht nicht zu "medienpolitisch äußerst relevanten Fragen" wie der Freiheit im Netz oder dem diskriminierungsfreien Zugang zu Angeboten, der Vorratsdatenspeicherung oder dem Breitbandausbau äußere. Die Tendenz zur Überwachung der Bürger im Internet sei "erschreckend". (Stefan Krempl) / (se)