Industriepräsident Grillo wirft TTIP-Gegnern gefährliche Ignoranz vor

Die Mehrheit der Deutschen ist nach jüngsten Umfragen gegen das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA. Zu Recht? Die TTIP-Gegner vergäßen aber, worauf der deutsche Wohlstand beruht, warnt nun der BDI-Chef Ulrich Grillo.

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Industriepräsident Grillo wirft TTIP-Gegnern gefährliche Ignoranz vor

(Bild: Europaflagge: MPD01605, CC BY-SA 2.0)

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  • dpa

BDI-Präsident Ulrich Grillo wirft den Gegnern des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP gefährliche Ignoranz gegenüber der wirtschaftlichen Realität vor. "Viele Menschen hierzulande haben die Grundlagen unseres Wohlstandes vergessen", sagte der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie im dpa-Interview. In Deutschland hänge jeder vierte Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export ab, da sei es geradezu schizophren, dass es in der Bundesrepublik die größte Anti-Freihandelsbewegung gebe.

"Europa wird in Zukunft als Wirtschaftsmacht an Bedeutung verlieren. Nur haben das viele Menschen hierzulande noch nicht wahrgenommen", sagte Grillo. Abkommen wie TTIP seien eine Chance, die Konsequenzen dieser Entwicklung abzufedern. Die von der EU und den USA geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) bringe Wachstum und damit Beschäftigung und Wohlstand. Gleichzeitig bezeichnete Grillo es als Fehler, "das Verhandlungsmandat lange geheim zu halten." Auch dank der nun zuständigen EU-Kommissarin Cecilia Malmström sei man aber diesbezüglich inzwischen auf einem guten Weg.

Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP

Seit Juli 2013 verhandeln EU und die USA über den Abbau von Handelshemmnissen im Rahmen eines Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Heftige Kritik kommt wegen mangelnder demokratischer Kontrolle sowie wegen Befürchtungen, Umwelt- und Gesundheitsstandards könnten abgesenkt oder untergraben werden.

Grillos Warnungen kommen zu einer Zeit, in der vor allem die Deutschen mehrheitlich nichts gutes von dem geplanten Abkommen erwarten. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov bezeichneten 43 Prozent der befragten TTIP als "schlecht für ihr Land". Vom Gegenteil waren demnach nur 26 Prozent überzeugt. In den sieben untersuchten europäischen Ländern stößt das Abkommen sonst nur noch in Frankreich mehrheitlich auf Ablehnung. Nicht in dem Maße geteilt werden diese Ängste in den fünf anderen untersuchten Ländern Großbritannien, Dänemark, Schweden, Finnland und dem Nicht-EU-Staat Norwegen.

Knapp zwei Drittel (63 Prozent) der befragten Deutschen würden sich der Umfrage zufolge transparentere Verhandlungen wünschen. Damit liegen sie vor Frankreich (59) und Finnland (58 Prozent). Auffällig ist jeweils der hohe Anteil derjenigen, die keine Meinung dazu haben, ob TTIP insgesamt nun gut oder schlecht für ihr Land ist. "Ich weiß nicht", sagen in Norwegen zwei Drittel der Befragten (66 Prozent), in Großbritannien sind es 62, in Dänemark 61 Prozent. In Deutschland sind es dagegen 30 Prozent.

Kritik an den mit den Verhandlungen verbundenen Versprechungen kommt dagegen von Verbraucherschützern und aus der Opposition. Sie fordern mehr Realismus bezüglich der erwarteten Wachstumsimpulse: "Ungenaue Prognosen und der schludrige Umgang mit den Zahlen schürt Unsicherheit und Misstrauen", sagte Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, der dpa.

"Auswirkungen eines Freihandelsabkommens lassen sich nicht auf den Cent genau beziffern und es wird Gewinner- und Verliererbranchen geben." Zuvor hatte unter anderem der Bundesverband der Deutschen Industrie Aussagen, es seien in der EU jährliche Wachstumsimpulse von 100 Milliarden Euro zu erwarten, kassiert. Auch die CDU steht in der Kritik, weil sie in einer Broschüre von 400.000 bis 1,3 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen ausgeht. Laut Studien könnten es aber auch nur 18.000 in der EU und den USA werden. Die Grünen und die Organisation Foodwatch forderten eine Korrektur, die CDU will an den Angaben festhalten.

Verbraucherschützer Müller betonte: "Viel wichtiger als die Diskussion über mögliche Wachstumseffekte ist mehr Transparenz." Nur damit können die Verhandlungsführer das verlorene Vertrauen zurückgewinnen. "Erst wenn die Zwischenergebnisse offengelegt werden, kann man nüchtern über ihre Auswirkungen diskutieren." (mho)