re:publica 2016: Die Leaks zum EU-US-Handelsabkommen TTIP im Rampenlicht

Auf der re:publica stellte Greenpeace die Hintergründe der Aktion vor, mit der TTIP-Dokumente befreit wurden. Die Umweltaktivisten haben vor dem Brandenburger Tor einen transparenten Leseraum eingerichtet, der auch von Politikern besucht werden kann.

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re:publica 2016: Die Leaks zum EU-US-Handelsabkommen TTIP im Rampenlicht

Die TTIP-Dokumente, auf den Reichstag projiziert

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis
Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP

Seit Juli 2013 verhandeln EU und die USA über den Abbau von Handelshemmnissen im Rahmen eines Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Heftige Kritik kommt wegen mangelnder demokratischer Kontrolle sowie wegen Befürchtungen, Umwelt- und Gesundheitsstandards könnten abgesenkt oder untergraben werden.

Die re:publica steht für Transparenz. Von daher ist es logisch, dass Greenpeace Deutschland die große Veranstaltung nutzte, um für die Aktion zu werben, mit der rund 75 Prozent der TTIP-Papiere zu den unterschiedlichen Verhandlungspositionen der USA und Europa veröffentlicht und von Greenpeace Niederlande ins Netz gestellt wurden.

Greenpeace, das seit Jahren gegen intransparente Abkommen kämpft, die den Umweltschutz behindern, stellte bei der Pressekonferenz einige Aktionen vor, für die es reichlich Beifall gab. So projizieren die Aktivisten in der Nacht Textbrocken aus dem Abkommen auf den Reichstag, um die Politik an ihre Verantwortung zu erinnern. Am Brandenburger Tor installierte man einen transparenten Leseraum als Gegenstück zum offiziellen Leseraum, den das Bundeswirtschaftsministerium den Politikern offeriert.

"Die Veröffentlichung der TTIP-Papiere steht für das Ende einer skandalös intransparenten Verhandlungsrunde und ist der Start einer echten politischen Debatte", erklärte Stefan Krug, politischer Sprecher von Greenpeace. Er erläuterte, warum zum "maximalen Quellenschutz" die Dokumente nur Abschriften sind und keineswegs die "echten" Papiere.

So finden sich in den Original-Dokumenten Rechtschreibfehler und Zufallszahlen, die womöglich absichtlich eingestreut wurden, um Leaks enttarnen zu können. Der Rechercheverbund von NDR und Süddeutscher Zeitung, die bei der Aktion dabei war, habe die Echtheit der Papiere durch mehrere Quellen verifizieren können, erklärte Krug. Die geleakten Papiere seien zwar nicht die neuesten Dokumente auf dem Stand der aktuell laufenden 13. Verhandlungsrunde, sondern von Anfang April. Damit seien sie ausreichend aktuell und belegten, dass die Verhandlung weit hinter dem Zeitplan sind.

rpRTEN: TTIP-Leaks auf der re:publica 2016 (4 Bilder)

Am Brandenburger Tor hat Greenpeace den "Transparenten Leseraum für Jedermann" eingerichtet und lädt die Politiker ein, diesen demokratischen Raum zu benutzen. (Bild: Detlef Borchers / heise online)

In der Süddeutschen Zeitung hatte Leitartikler Heribert Prantl die TTIP-Papiere als Dokumente bezeichnet, die die schlimmsten Befürchtungen der Kritiker noch übertreffen. Sie seien eine Dokumentation des Starrsinns der US-Amerikaner.

"Wo ist den das Chlorhühnchen?", fragte Greenpeace-Pressesprecher Volker Gassner in die Runde, nur um vom Handelsexperten Jürgen Knirsch die Antwort zu bekommen, dass weder das gern genannte Chlorhühnchen noch der Schwarzwälder Schinken oder die ISDS-Schlichtung in den Texten auftauchen. "Man findet keine konkreten Sachen, aber immer wieder die amerikanische Argumentation des 'wissenschaftlichen Ansatzes', der bei jeder Regulierung den Ausschlag geben soll".

So werde das Pro und Contra in der Debatte um den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft unterlaufen. "Wenn diese US-Positionen drin bleiben, sind die Vorsorgemaßnahmen der EU nichtig. Dann geben wir etwas auf, was in unserer Verfassung steht", warnte Knirsch. Das Ausmaß von speziellen Gremien mit Teilnehmern von Lobbyorganisationen, die eingerichtet werden sollen – etwa eine "Arbeitsgruppe moderne Landwirtschaft" – sei höchst problematisch.

Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie würden blockiert, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Außerdem würden sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigern, umstrittene private Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen.

Das bislang in Europa geltende Vorsorgeprinzip, das Produkte nur erlaubt, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind, drohe durch das in den USA angewandte Risikoprinzip ersetzt zu werden. Dadurch dürften in Europa auch umstrittene und bislang in vielen Ländern nicht zugelassene genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel so lange angebaut und konsumiert werden, bis ihre Schädlichkeit nachgewiesen sei.

"Bei den Verhandlungen soll hinter verschlossenen Türen ein mächtiger Rammbock gezimmert werden, der auch den fest verankerten Schutz für Umwelt und Verbraucher wieder aus dem Weg räumen kann. Dieses Geheimabkommen muss gestoppt werden", sagte Knirsch.

Die Zivilgesellschaft sei davon überfordert. An die Zivilgesellschaft appellierten die drei Greenpeace-Sprecher zum Schluss, die TTIP-Papiere zu verbreiten und kritisch zu lesen.

TTIP Demo Hannover - So denken Demonstranten über die Pläne von Barack Obama und Angela Merkel (21 Bilder)

Katharine und Nele aus Hildesheim

"Uns stört die Intransparenz von TTIP und die geplante Heruntersetzung der Verbraucherstandards. Wenn sie nichts zu verheimlichen hätten, dann könnten sie es ja offen legen."
(Bild: Sascha Steinhoff)

US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten bei ihrem Treffen in Hannover am Sonntag vergangener Woche zur Eile bei den TTIP-Verhandlungen gemahnt. Merkel betonte, das Freihandelsabkommen sei aus europäischer Perspektive sehr wichtig für das Wirtschaftswachstum in Europa.

Obama brachte zwar seine Hoffnung zum Ausdruck, bis Anfang 2017 die Verhandlungen zu beenden. Er ging aber nicht von einer Ratifizierung des Abkommens aus. Das liege auch am US-Wahlkampf.

Einen Tag vor dem Besuch Obamas hatten in Hannover Zehntausende gegen TTIP demonstriert.

Hannover: Impressionen von der TTIP Demonstration 2016 (20 Bilder)

Demonstration am Opernplatz

(Bild: Sascha Steinhoff)

(jk)