BND/NSA-Skandal: Innenminister wäscht seine Hände in Unschuld

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte nach eigenen Angaben "keinen Anlass", die Kooperation des BND mit der NSA zu prüfen. Es habe keine Hinweise auf Wirtschaftsspionage durch die USA gegeben.

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Thomas de Maizière im Ausschuss

Thomas de Maizière im NSA-Untersuchungsausschuss

(Bild: heise online/Stefan Krempl)

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Noch deutlicher als vor ihm der Geheimdienstbeauftragte Klaus-Dieter Fritsche schob Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Donnerstag die Schuld für die überbordende Spionage der NSA mithilfe des Bundesnachrichtendiensts auf den deutschen Auslandsgeheimdienst. Der BND sei "zu 100 Prozent" für Fehler bei der heiklen Kooperation verantwortlich, erklärte der CDU-Politiker am Ende seiner Vernehmung im NSA-Untersuchungsauschuss. Die in Bad Aibling und in der Pullacher Zentrale intern erkannten Mängel in der Zusammenarbeit seien nicht nach oben gemeldet worden.

Prinzipiell sei es richtig, eine gestufte Verantwortung für die Geheimdienstkontrolle zu haben, führte der frühere Chef des Bundeskanzleramts aus. Nicht jeder Grundrechtseingriff könne "vom Ministerium" entschieden werden. Wenn es Hinweise gebe, dass irgendetwas nicht in Ordnung sei, müsse die Aufsicht im Kanzleramt zwar aktiv werden: "Wir können aber nicht das laufende Geschäft kontrollieren in dieser Form."

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Geheimdienste bezeichnete de Maizière als "Jäger und Sammler", die bei diesen Tätigkeiten "nicht gerne gestört werden". So sei ihre Neigung, schon im eigenen Haus auf unübliche Vorkommnisse hinzuweisen, geringer ausgeprägt als in anderen Behörden. Das Prinzip, nur die allernötigsten Informationen weiterzugeben, "erschwert die strukturelle Aufsicht". Er habe daher die Trennung zwischen "Auswertung und Beschaffung" aufgehoben, aufgrund der nicht einmal Analysten von Fehlern oder Übergriffen auf der unteren Ebene etwas gewusst hätten.

Ende April war bekannt geworden, dass der BND auf Betreiben der NSA am Horchposten in Bad Aibling und beim Projekt Eikonal in Frankfurt Millionen "Selektoren" in sein Überwachungsnetz einspeiste. Darunter befanden sich auffällige Suchbegriffe wie EADS oder Eurocopter sowie für französische Behörden.

In Folge dessen geriet De Maizière unter Druck: Er musste sich etwa gegen den Vorwurf verteidigen, als Innenminister das Parlament belogen und falsche Angaben zur NSA-Spionage gemacht zu haben. Ex-BND-Präsident Ernst Uhrlau hatte vorige Woche sogar zu Protokoll gegeben, dass in höchsten Kreisen bereits 2006 die Missbrauchsversuche erörtert worden seien und auch der damalige Kanzleramtschef de Maizière eingebunden gewesen sei.

Uhrlau habe damals allgemeine Bedenken vorgebracht und vor Übergriffsmöglichkeiten im Sinne von "Vorsicht vor Mehr" gewarnt, erinnerte sich de Maizière. 2007 habe der US-Geheimdienstbeauftragte John Michael McConnell "spezielle Wünsche" geäußert, die bestehende Kooperation mit der NSA im Rahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung auszuweiten. Der BND habe wegen abstrakter Risiken davon abgeraten. Um Selektoren sei es damals nicht gegangen. Die Suchmerkmale seien ihm erst 2013 oder 2014 "begegnet", als er sich auf ein Gespräch mit seiner britischen Kollegin vorbereitet habe.

Er habe beschlossen, "die spezielle Kooperation nicht zu erweitern und nicht durchzuführen", berichtete der 61-Jährige weiter. Dies habe er aber nicht als Abkehr von der grundsätzlichen Partnerschaft mit den USA empfunden, die er zur Terrorismusabwehr nach wie vor für außerordentlich wichtig erachte. Generell sei er mit Einzelheiten zu konkreten Operationen wie Eikonal oder Glotaic nie befasst gewesen und wisse damit teils bis heute nichts anzufangen. Auch die Entscheidung, das Kabelprojekt in Frankfurt 2008 einzustellen, sei ihm "nur mittelbar zur Kenntnis gegeben" worden.

Nicht immer, wenn ein Unternehmen von Geheimdiensten beobachtet werde, handele es sich um Wirtschaftsspionage, meinte der Minister. Hier würden "Begrifflichkeiten gelegentlich durcheinandergebracht". So sei es "unsere verdammte Pflicht", die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu bekämpfen. Es sei selbstverständlich, dass auch die NSA Proliferation aufkläre oder einzelne Firmenmitarbeiter überwache, wenn diese in Terrorverdacht gerieten. Es gebe aber nach wie vor keinerlei Hinweise, dass der US-Dienst Betriebe ausspähe, um heimischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die US-Seite versichere dies auch immer wieder.

Schon vor Snowden war de Maizière zufolge allgemein bekannt, dass "Interessen amerikanischer Nachrichtendienste" nicht immer mit den deutschen deckungsgleich seien. Für die US-Community sei das Sammeln von Informationen "wertneutral" und erfolge unabhängig davon, ob es sich auf das "Handy von Merkel oder Müller" beziehe. Es gebe auch berechtigte Zweifel, ob die NSA dem Anspruch immer gerecht geworden sei, "Maß und Mitte" beachtet zu haben. Wenn das stattgefunden habe, "was in der Zeitung steht", wäre dies unverhältnismäßig gewesen.

Der Konservative hat nach eigenem Bekunden im vergangenen Jahr die Spionageabwehr neu ausgerichtet auf einen "360-Grad-Blick" auf alle fremden Geheimdienste, um etwa auch dem Verdacht nachgehen zu können, dass einzelne Staaten auf den Dächern ihrer Botschaften Abhörstationen eingerichtet hätten. Die größten Gefährdungen gingen aber "von anderen als von den westlichen Verbündeten aus". Hart zu Gericht ging der Regierungsvertreter mit "Durchstechereien" geheimer Unterlagen, was seiner Erfahrung nach sowohl Parlamentarier als auch Mitglieder der Exekutive aus "Geilheit" und Eitelkeit betrieben. Derlei Verhalten sei fahrlässig. (mho)