Kommentar: Microsofts finnischer Patient ist tot

Ballmers Rennpferd hat sich als lahmer Gaul entpuppt. Sein Nachfolger zieht die Notbremse und zeigt, dass er vor harten Entscheidungen nicht zurückschreckt. Windows Phone hätte besseres verdient.

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Smartphone
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So sehen "harte Entscheidungen" aus: Mit einem weiteren tiefen Einschnitt und einer Milliarden-Abschreibung beendet Microsoft das finnische Abenteuer. Die Übernahme der Handysparte von Nokia hat die Erwartungen nicht erfüllt. CEO Satya Nadella stellt sich den Fakten und zieht sich aus dem aussichtslosen Rennen um Marktanteile zurück.

Auf 15 Prozent Marktanteil sollte Windows Phone bis 2018 kommen. Mit Smartphones wollte Microsoft dann 45 Milliarden US-Dollar Umsatz erzielen. Das war der Plan, als Steve Ballmer und Stephen Elop im September 2013 vor die Kameras traten, um den Milliarden-Deal zu verkünden. Es lief anders. Zwar konnte Microsoft den Marktanteil von Windows Phone steigern, doch erwies sich das von Ballmer ins Rennen geschickte "dritte Pferd" als lahmer Gaul. Konkurrenzfähige Hardware zu Kampfpreisen, Gratis-Lizenzen für Hersteller – hat alles nichts genutzt.

Ein Kommentar von Volker Briegleb

Volker Briegleb schreibt seit 2006 für heise online und die c't. Dabei interessiert er sich unter anderem für die Auswirkungen der digitalen Revolution auf andere Branchen.

Die Zahlen sprechen für sich: Im vierten Quartal 2014 (dem zweiten Microsoft-Geschäftsquartal 2015), das mit dem starken Weihnachtsgeschäft, hat Microsoft 11 Millionen Smartphones verkauft. Die Spitze des Felds ist nicht mal in Sichtweite: Apple 75 Millionen, Samsung 74 Millionen. Zuletzt standen für die Handysparte 1,4 Milliarden US-Dollar Umsatz und ein kleiner Verlust in der Bilanz. Die Marktforscher, laut deren ursprünglicher Prognosen Windows Phone heute 20 Prozent Marktanteil haben müsste, sehen das System jetzt nur noch bei gut 5 Prozent – im Jahr 2019. Heute sind es weltweit etwas über 3 Prozent. Einziger nennenswerter Hersteller: Microsoft.

Man muss es so klar sehen: Microsoft ist im Smartphone-Geschäft krachend gescheitert. Der finnische Patient ist tot. Ballmer hat alles auf eine Karte gesetzt und verloren, dabei sind die Finnen unter die Räder gekommen. Nadella stellt sich dieser Realität, versucht die bittere Wahrheit aber noch hübsch zu verpacken. Das liest sich dann so: Microsoft bleibt "committed" und wird weiter Smartphones bauen. Das werden "flagship devices" für Windows 10 sein, wie es auch die Surface-Tablets sind. Niemand wird Microsoft deshalb ernsthaft als Tablet-Hersteller bezeichnen.

So hat sich Microsoft das vorgestellt, bei der Übernahme 2013.

(Bild: Microsoft)

Trotzdem ist das eine gute Nachricht. Denn um Windows Phone wäre es schade. Als Ballmer Windows Phone 7 auf dem Mobile World Congress 2010 erstmals der Öffentlichkeit gezeigt hat, war das ein mutiger Bruch mit dem Gewöhnlichen. Das System ist besser als sein Ruf und der Konkurrenz durchaus ebenbürtig. Für Nadellas Strategie spielt Windows Phone weiter eine wichtige Rolle. Mit Windows 10 steht die nächste Version des Betriebssystems ins Haus, mit einer Plattform für verschiedene Geräte. Geht der Masterplan auf, an dem auch Ballmer schon geschraubt hat, gibt es für Windows Phone noch eine verdiente Chance.

Vielleicht entsteht aus den Trümmern dieses Desasters ja etwas Neues. Vielleicht erwärmen sich große Hersteller für Windows 10. Und wie man hört, liebäugelt auch Rest-Nokia schon wieder mit Smartphones.

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Not written on my Lumia 925


(vbr)