Ausblick auf den Arbeitsplatz von Morgen

"Office 2.0"-Konferenz in San Francisco: Selbst große Bankhäuser springen inzwischen auf den "Social Networking"-Zug auf.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Steffan Heuer
Inhaltsverzeichnis

Der Titel der Konferenz war eigentlich etwas irreführend, denn was mehrere Hundert Teilnehmer auf der "Office 2.0"-Konferenz in San Francisco zwei Tage lang besprachen und über Laptops und Smartphones gebeugt vorlebten, sollte besser "Work 2.0" getauft werden – die Zukunft der vernetzten Arbeit, bei der nicht nur die Grenze zwischen Beruf und Privatem, sondern auch zwischen Produktivitätsanwendungen und Spielerei verschwindet.

Unternehmen, das machte die Veranstaltung deutlich, entfernen sich immer weiter von traditionellen Arbeitsplätzen mit fest installierten Software-Bündeln wie Microsofts Office und wenden sich stattdessen elektronischen "Loseblattsammlungen" im Web zu. Selbst Investmentbanken, Telekomkonzerne und Pharma-Multis arbeiten bereits mit Webdiensten, die noch vor kurzem nur eines Amateurs für würdig befunden wurden – Blogs, Wikis, RSS-Feeds und soziale Netzwerke, die mehr an Facebooks Klatschrunden als an zugeknöpfte Firmenverzeichnisse erinnern.

Office 2.0 rühmte sich selbst, als Konferenz ohne Papier auszukommen. Jeder zahlende Teilnehmer erhielt im Veranstaltungspreis inbegriffen ein iPhone von Apple, auf dem er das aktualisierte Programm verfolgen und andere Teilnehmer direkt antexten konnte. Darüber hinaus ließen sich parallel ablaufende Diskussionsrunden und Präsentationen von mehreren Dutzend Firmen live oder als Aufzeichnung auf dem Smartphone verfolgen – im hoch auflösenden Format gestreamt und archiviert von der Silicon Valley Video-Neugründung Veodia. Trotz der multimedialen Ablenkung in jeder Westentasche fanden sich immer noch genügend Teilnehmer zu interessanten Debatten rund um den Arbeitsplatz von Morgen zusammen.

Die Definitionen, was Office 2.0 ausmacht, sind dabei ebenso schwammig wie die Beschreibung der davon betroffenen "Wissensarbeiter". Sind Anwendungen des immer noch boomenden Mitmach-Webs für tausende Arbeiternehmer in einem multinationalen Konzern, der Sicherheits- und Börsenregelungen folgen muss, ebenso relevant wie für kleine und mittelständische Unternehmen? Ist es sinnvoll, eine strenge Trennung zwischen Web-basierten und traditionellen Software-Installationen vorzunehmen?

Steven Aldrich vom Finanzsoftwarehaus Intuit etwa präsentierte eine Statistik, wonach vor 100 Jahren gerade einmal ein Fünftel aller Arbeitnehmer mit der Verwaltung und Aufbereitung von Informationen befasst war. Mitte der 90er Jahre hatte sich diese Zahl auf 60 Prozent erhöht, und heute sei praktisch jeder neu geschaffene Arbeitsplatz von Informationstechnik abhängig, so Aldrich. Wen man kennt und welche Arbeitsprozesse man benutzt, so der Intuit-Manager, ist heute der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Deswegen seien Programme und Dienstleistungen gefragt, die sich weniger auf eine bestimmte Anwendung als vielmehr auf die zu manipulierenden Informationen konzentrierten.

Intuit warb auf der Veranstaltung mit einer neuen Kategorie des so genannten "sozialen Geschäftsnetzwerks" in Form seines Webdienstes Quickbase, mit dem sich alles von der herkömmlichen Datenbank über Projektmanagement bis hin zu einem Firmenwiki anlegen und verwalten lässt. Der Dienst hat bislang rund 225.000 Nutzer, vom Einmann-Betrieb bis zu Installationen mit rund 7.000 Arbeitnehmern und deren Zulieferern. In erster Linie ersetzen oder ergänzen Unternehmen damit Desktop-Programme wie Microsoft Excel oder Access.

Der Einsatz solcher Werkzeuge verändert das Arbeitsverhalten, wie Jonathan Rochelle berichtete, der bei Google für dessen Tabellenkalkulation und Textverarbeitung verantwortlich ist. "Wenn bei uns jemand eine E-Mail mit Anhängen verschickt, wird er beschimpft. Wir versenden nur noch Links zu Dateien, und die Umstellung erfolgte sehr schnell und unternehmensweit."

Dabei wäre es falsch, einfach herkömmliche Anwendungen ins Web zu stellen, warnte Danny Kolke, CEO der Firma Etelos, die auf die Entwicklung von Web 2.0-Programmen für Unternehmen spezialisiert ist. Lösungen ließen sich nicht eins zu eins übertragen, sondern müssten in drei Aspekten flexibel sein: Software-Dienste der Zukunft sollten Ortsbewusstsein (location awareness) besitzen, sowie den Kontext und das Gerät des Nutzers verstehen. Die besten Ideen liefern dabei die ungeduldig wartenden Kunden selbst, meint Kolke: "Innovation heute besteht darin, das zu liefern, worauf der Markt hofft. Wir werden förmlich in neue Anwendungen hinein gesaugt."

Sein Lieblingswerkzeug sei jedoch nach wie vor E-Mail, verriet der Web 2.0-Experte, auch wenn heutige Clients und Webmail-Versionen stark verbesserungsbedürftig seien. Neue Anbieter wie Timebridge oder Ikordo bauen deshalb auf bestehenden E-Mail-Programmen (in erster Linie Outlook) auf, und ergänzen sie um Funktionen, mit denen sich die Planung und Abstimmung von Besprechungen automatisieren lässt. Anstelle einer Assistentin verwendet Ikordo etwa herkömmliche E-Mails wie "Ich habe nächsten Mittwoch um Vier Zeit" und baut aus dem Feedback einen allen Teilnehmer passenden Termin, der dann in Outlooks Kalender automatisch eingefügt wird.

Mehrere Vertreter großer Unternehmen berichteten in San Francisco zudem, wie sie intern den Einsatz von Kollaborationswerkzeugen wie Blogs, RSS-Feeds, Chats oder Wikis vorantreiben. Denis Browne, bei der US-Tochter des Softwarehauses SAP für zukunftweisende Entwicklungen ("Imagineering") zuständig, verglich die Suche nach besseren Arbeits- und Kommunikationsmitteln mit "Goldwäsche". Ziel müsse sein, die Reibungsverluste entlang der Wertschöpfungskette für Arbeitnehmer, Unternehmen und seinen externen Partner zu verringern und Störgeräusche ("Noise") herunterzufahren.