Neonazis online: "Unverhohlene Aufrufe zu Hass und Gewalt"

Die länderübergreifende Stelle jugendschutz.net schlägt Alarm: Im Zuge der aktuellen Flüchtlingsdebatte sollen sich Hinweise auf rassistische Hetze in sozialen Medien bereits verdreifacht haben. Auch andere Minderheiten sind stark betroffen.

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(Bild: hass-im-netz.info)

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"Ich habe für jeden Flüchtling eine Kugel." Dies ist nur eine über Facebook verbreitete, mit Patronen bebilderte Botschaft, mit der die Länderinstitution jugendschutz.net in ihrem neuen Jahresbericht "Rechtsextremismus online" für 2014 das Treiben von Neonazis im Internet dokumentiert. Insgesamt haben die staatlichen Kontrolleure demnach im vergangenen Jahr über 6100 rechtsextreme Webangebote ausgemacht. 2013 waren es noch 5507 solcher Auftritte.

Blanker Hass gegen Flüchtlinge, Juden, Muslime, Homosexuelle oder Sinti und Roma ist demnach vor allem im Social Web alltägliche Realität. 1417 rechtsradikalen Webseiten hätten 2014 über 3443 Profile und Kanäle in sozialen Netzwerken, 466 geteilte Videos sowie 846 Einzelkommentare und -postings gegenübergestanden.

(Bild: hass-im-netz.info)

Die Zahl der dabei insgesamt im Web registrierten illegalen oder illegitimen Inhalte ist zwar leicht zurückgegangen von 1842 auf 1762 Verstöße gegenüber dem Vorjahr. In sozialen Medien stieg die Zahl aber von 1460 auf 1568 an. 89 Prozent von den Verstößen insgesamt hat jugendschutz.net als strafbar eingestuft, 11 Prozent als jugendgefährdend. Diese Anteile haben sich im Vergleich zu 2013 kaum verändert.

In 58 Prozent der Fälle gelang es der jugendschutz.net, Jugendliche schnell vor den inkriminierten Inhalten zu schützen. Effektivstes Mittel war dabei der direkte Kontakt zu den großen Plattformbetreibern und Providern, die unzulässigen Angebote löschten.

Für dieses Jahr rechnen die Kontrolleure mit deutlich steigenden Zahlen. Im Zuge der aktuellen Flüchtlingsdebatte hätten sich Hinweise auf rassistische Hetze in sozialen Medien bereits verdreifacht. Soziale Medien stellten ideale Rekrutierungsplattformen dar. Deshalb seien insbesondere Facebook, YouTube und Twitter, aber auch Instagram und Tumblr wichtige Instrumente, um extremistische Propaganda zu verbreiten.

Am Beispiel der Debatten um Flüchtlingsheime und wachsenden Islamismus zeige sich "die Anschlussfähigkeit neonazistischer Parolen an gesellschaftliche Protestbewegungen". Wenn Beiträge an Ängsten oder Vorurteilen ansetzten und gezielt Unzufriedenheit ansprächen, erhielten sie viele "Likes" und würden bereitwillig weiterverbreitet.

Kernstück vieler rechtsextremer Internetpräsenzen sind laut der Analyse "stylische Inhalte, die mit dem Nimbus des Verpönten, Rebellischen und Verbotenen spielen". Vor allem Jugendliche fühlten sich davon angezogen, "die bestehende Ordnungen hinterfragen und möglichst radikale Alternativen suchen".

Bundesjugendministerin Manuela Schwesig setzt auf eine "starke Allianz aus Plattformbetreibern, die Hassbotschaften konsequent ahnden". Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jüngst zugesichert, dass sich sein Unternehmen um eine schärfere Kontrolle rassistischer Kommentare im Internet kümmern werde. (anw)