Intel im Regen

Der Zweikampf zwischen AMD und Intel spitzt sich zu. Auf einem nur schwach wachsenden PC-Markt verliert Intel heftig an Marktanteilen, während Erzgegner AMD kräftig hinzugewinnt - und das, wo AMD bislang auf einigen Märkten noch kaum oder gar nicht präsent war. Doch nach den Notebooks greift AMD jetzt auch im Profi-Markt bei Workstations und Servern an: mit dem neuen Athlon-MP-Prozessor mit ‘Palomino’-Kern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 70 Kommentare lesen
Lesezeit: 19 Min.
Von
Inhaltsverzeichnis

Selbst wenn der gesamte PC-Markt noch gering an Stückzahlen zunimmt, wird Intel - so schätzt Joe Osha vom renommierten Brokerhaus Merryll Lynch - in diesem Jahr 15 Prozent weniger Prozessoren absetzen als 2000. Demgegenüber traut der Analyst dem Konkurrenten AMD eine Steigerung der Stückzahl um 11 Prozent zu. Insbesondere bleibt offenbar der Pentium 4 hinter den hoch gesteckten Erwartungen zurück. Intels geplantes ‘Power Ramping’ sollte eigentlich dazu führen, in diesem Jahr 20 Millionen Pentium-4-Prozessoren abzusetzen - doch der als Tiger losgesprungene Pentium 4 scheint als Bettvorleger auf dem Markt anzukommen. Allenfalls die Hälfte, also rund 10 Millionen Pentium 4 erwarten die Analysten, könne Intel im laufenden Jahr absetzen. Ein Gutteil der Pentium-4-Absatzprobleme hängt weniger mit dem Prozessor als vielmehr mit dem damit verknüpften teuren Rambus-Speicher zusammen. Erst in der zweiten Jahreshälfte will Intel mit dem Brookdale-Chipsatz auch preiswerte (langsamere) SDRAM-Systeme ermöglichen.

Nach den neuesten Dataquest-Zahlen zum ersten Quartal 2001 musste Intel in Europa eine klare Schlappe einstecken. Im populärsten Bereich, den ‘Windows based Desktop PCs’ ging der Verkauf um 8 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2000 zurück, während AMD um satte 74 Prozent zulegte. Und dieser Anstieg umfasst nicht nur den Consumer-Sektor, auf dem jetzt AMD über 40 Prozent Marktanteil (nach 20,8 Prozent im Vorjahr) erobern konnte, sondern auch den zahlenmäßig weit bedeutenderen Firmenmarkt (SMB: Small/Medium Business und Enterprise). Diese Windows-bezogenen Zahlen umfassen übrigens nahezu den PC-Gesamtmarkt, denn Apple und Co laufen hier mit 2,8 Prozent nur unter ferner liefen.

Der Trend zu AMD bei Endusern wird sich wohl in der Zukunft drastisch weiter verstärken. In einer Online-Umfrage, die c't Anfang des Jahres durchführte, gaben beispielsweise 80 Prozent der Befragten an, als Nächstes einen Rechner mit AMD-Prozessor erwerben zu wollen.

Anders als trendabhängige und experimentierfreudige Endbenutzer sind Firmen traditionell wesentlich konservativer und bleiben bewährten Einkaufsquellen längere Zeit treu. Kompatibilität und Kontinuität lautet hier das oberste Gebot. Und so wurde der Markt bislang komplett von Intel-PCs beherrscht, fragt sich nur, wie lange noch. Ausschreibungen von deutschen Behörden etwa hatten früher explizit Intel-Prozessoren gefordert, das ist inzwischen weitgehend vom Tisch. Und so hat Intel in diesem fest geglaubten Markt nun schon das zweite Jahr in Folge ein paar Prozente verloren, wohingegen AMD ihn langsam aufzurollen beginnt: AMD-bestückte Firmen-Desktops legten in diesen beiden Jahren in Europa um 118 Prozent zu, und AMD hat jetzt laut Dataquest schon 12,1 Prozent Marktanteil erreicht. Summa summarum machen beide Märkte zusammen (68 % Corporate, 32 % Enduser) einen AMD-Marktanteil von 21,1 Prozent aus.

Bei den Notebooks stellt sich die Situation etwas anders dar. Zum einen ist AMD bislang nur schwach vertreten (hier und da ein paar K6-2/III-Systeme), zum andern hat sich Intel weder bei Chipsätzen, Speicher noch Prozessoren ähnliche Blößen gegeben, wie bei den Desktop-Systemen. Pentium-4 und Rambus sind hier kein Thema, sondern SpeedStep und Ultra-Low-Voltage. So leicht wird dieser Markt wohl nicht ‘kampflos’ an AMD und VIA abgegeben. Dennoch, von nur 3,2 Prozent Marktanteil ausgehend, kann AMD hier nur gewinnen. Und über eine wohlwollende Aufnahme bei Spitzenfirmen, den so genannten ‘First Tiers’, kann sich AMD nicht beklagen: Compaq, HP, Asus, Sony, Nec, Fujitsu ... haben sich schon geoutet. Es fehlt allerdings noch das Spitzentrio auf diesem Markt: IBM, Dell und Toshiba. IBM verbaut AMD-Prozessoren bislang nur in Consumer-PCs der Aptiva-Klasse. Die IBM-Notebooks werden hingegen fast ausschließlich in den Geschäftskanal geliefert, den IBM (bei Notebooks) mit mehr als 40 Prozent Marktanteil dominiert.

PC-Marktführer Dell (und hinter IBM Vize bei den Notebooks) ist bislang die einzig verbliebene Firma, die grundsätzlich nur Intel-Prozessoren in allen PC-Bereichen einbaut. Doch schon unmittelbar nach der Athlon-4-Vorstellung kochten Gerüchte hoch, Dell könne dem Dauerpartner Intel untreu werden und erwäge, Athlon-4-Notebooks anzubieten. Dieser Schwenk ist jedoch recht unwahrscheinlich und wurde auf allen Ebenen (offiziellen und inoffiziellen) dementiert. Doch auch ohne Dell hat AMD gute Karten, auch auf diesem Marktsegment Intel deutliche Anteile abzunehmen.

Und das gilt noch viel mehr im Workstation- und Serverbereich, wo AMD bislang einen Marktanteil von nahe 0 Prozent hat. Bei den Workstations sieht die Sache für Athlon-4 nicht schlecht aus: Bei CAD/CAM, Rendering und wissenschaftlichen Aufgaben hat der Athlon-Prozessor seine Fähigkeit, insbesondere im Gleitkommabereich, schon unter Beweis gestellt. Und die Szene wartet derweil sehnlichst auf die jetzt vorgestellten Multiprozessorsysteme. Bei den Servern hingegen kann man mit Performance allein nicht viel ausrichten. Performance steht auf der Sollliste der Servereinkäufer erst auf Platz sieben oder acht. Ganz oben stehen solche Werte wie Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Inwieweit die AMD-Prozessoren hier die Kriterien erfüllen, wird sich erst noch herausstellen müssen, und es dürfte einige Jahre dauern, bis sich AMD hier einen Namen machen kann. Die ganz großen (Backend-)Server wird AMD ohnehin vorerst noch nicht angehen. Das bleibt den 64-bittigen Hammerprozessoren irgendwann in 2003 vorbehalten. Aber die kleinen Frontend-Server, bei denen Intel einen Marktanteil von 84 Prozent hält, stehen ‘zum Abschuss bereit’.

Die Stückzahlen auf dem Workstation-/Server-Markt sind mit weltweit rund 5,5 Millionen Systemen pro Jahr eher mäßig (wenn auch verbunden mit besseren Margen). Es gibt aber eine deutliche Rückkopplung von hier auf den Corporate Market der PCs. Ein guter Ruf bei Workstations und Servern öffnet die Türen für zahllose ‘Clients’, also Desktop-PCs.

Ein kleiner Rückblick zeigt auf, wie es zu dieser dramatischen Marktentwicklung kommen konnte, beginnend mit dem Athlon-Schock. Denn der Athlon kam zu einem für Intel denkbar ungünstigen Zeitpunkt, was erst aus heutiger Sicht richtig klar wird. Zunächst stand AMD noch da wie so oft zuvor: Den so tollen neuen Prozessor konnte kaum jemand kaufen. Es lag aber diesmal nicht an Problemen mit der Chipfertigung bei AMD selbst, sondern es fehlte an der passenden Infrastruktur in Form von Mainboards. Noch heute glauben Verschwörungstheoretiker daran, dass Intel die taiwanischen Mainboard-Firmen hinter den Kulissen unter Druck setzte, bloß keine Athlon-Boards zu produzieren. Ob das wirklich stimmt, ist fraglich. Allerdings herrschte damals ein Lieferengpass sowohl für Intel-Pentium-III-Prozessoren als auch für den bewährten 440BX-Chipsatz. Es ist also durchaus möglich, dass Intel mit einer beschränkten Zuteilung der knappen Lieferkontingente an Firmen, die Athlon-Boards fertigten, drohen konnte.

Vermutlich gab es aber einfach einen Engpass an Entwicklungskapazität bei den Boardherstellern. Die Entwickler waren zum einen mit komplizierten Intel-Designs beschäftigt, etwa mit dem anstehenden, dann mehrfach verschobenen Rambus-Chipsatz i820 (‘Camino’). Zum anderen konnte weder AMD noch VIA den Boardherstellern die massive Unterstützung zukommen lassen, wie sie von Intel üblich ist (einschließlich kompletter Platinen-Designs). Entsprechend mehr Arbeit, Prüfaufwand und Kosten blieb bei den Mainboard-Hersteller hängen. Die ersten Athlon-Platinen kamen dann relativ spät und waren recht teuer.

So blieb der Athlon zunächst ein knappes Gut. Dennoch schoss er auf der Beliebtheitsskala besonders der PC-Bastler nach oben - sein Preis/Leistungsverhältnis ist schlichtweg besser als das der Intel-CPUs. Viele sind deshalb bereit, über kleinere Inkompatibilitäten der Mainboards hinwegzusehen und auch den Übergang vom Slot A zum Sockel A nahmen die meisten Käufer gelassen.

Intel machte mit der Wahl des Rambus-Speichers als allein selig machende Technik für schnelle PCs den größten Fehler seiner Firmengeschichte. Der Pannen-Chipsatz i820 kam verzögert, eignete sich nur für zwei statt der geplanten drei Rambus-Speichermodule und sorgte auch noch durch einen Bug der i820-Platinen für SDRAM-Speicher für eine sündhaft teure Rücknahmeaktion. Intel konnte auch die versprochenen Vorteile von Rambus-Speicher nicht belegen. Spätestens mit der Verfügbarkeit von PC133-Speicher mit 2-2-2-Speicherparametern war das winzige Leistungsplus des i820-Chipsatz dahin. Der Grund für dieses Desaster war eigentlich absehbar: Die maximale Datentransferrate beträgt beim Pentium III 1,066 GByte/s, wenn der Front-Side-Bus mit 133 MHz Taktfrequenz läuft. Das entspricht genau der Transferrate von PC133-Speicher; die theoretisch möglichen 1,6 GByte/s von PC800-RDRAM sind also in der Praxis bei Single-Prozessor-Systemen unnötiger Overkill.

Trotz aller Fördermaßnahmen von Intel gelang es nicht, den Preis für RIMMs auf das versprochene Niveau von etwa 20 bis 30 Prozent über SDRAM-Speicher zu senken. Und die Idee, ein hoch integriertes Low-Cost-System mit Rambus-Interface auf den Markt zu bringen, entpuppte sich als grandiose Schnapsidee. Das erkannte letztendlich auch Intel und stellte den vorgesehenen Timna-Prozessor sang- und klanglos ein - sehr zur ‘Freude’ der Mainboard-Entwickler.

Vor dem August 1999 hatte das Unternehmen Intel noch den Eindruck des kühlen Weltenlenkers gemacht, der die Geschicke seines x86-Volkes gelassen, aber unerbittlich regelt. Mit der Gelassenheit war es dann aber vorbei. AMD konnte zwar in absoluten Zahlen dem Marktführer lange nicht das Wasser reichen, doch mehrten sich die Situationen, wo Intel offenbar hektisch auf den ungewohnten Druck des Konkurrenten reagierte. Die Wahl der Mittel war dabei fairer als zu früheren Zeiten, wo man sicherlich einen Anlass zu einem Gerichtsverfahren gegen AMD gefunden hätte. Ob dies nun der eigenen Einsicht geschuldet ist oder der Image-Schaden nachwirkt, den die Antitrust-Verfahren gegen Intel vor der Federal Trade Commission in den Jahren 1998 und 1999 erzeugten, lässt sich natürlich nicht genau sagen. Jedenfalls gewinnt man den Eindruck, dass Intel die Bedrohung des eigenen Marktes durch den Athlon zunächst falsch einschätzte und erst spät, offenbar zu spät, durch Maßnahmen wie Preissenkungen und die Einführung neuer Techniken reagierte.

Spätestens im März 2000 dürfte aber klar geworden sein, dass AMD mit dem Athlon mehr als eine Eintagsfliege gelungen war: Zwei Tage vor dem Pentium durchbrach der Athlon die 1-GHz-Schallmauer. Die panische Reaktion aus Santa Clara kostete dem damals bei Intel für den Pentium III verantwortlichen Albert Yu den Kopf: Der im Juli präsentierte 1,13-GHz-Pentium-III lief nicht stabil. Ein seltenes Ereignis in der Intel-Geschichte war der darauf folgende Rückzug des 1,13-GHz-Typs. Schlimmer noch: Die 1-GHz-Pentium-III-Versionen konnte Intel nicht in ausreichenden Stückzahlen liefern, zudem benötigten diese aufwendige Kühlkörper. Erst mit einer neuen Maskenversion gelang die Produktion ausreichender Mengen 1-GHz-Chips. Bis dahin konnte AMD seelenruhig in diesem High-End-Segment abräumen und festigte so den guten Ruf des Athlon.

Beim Hauptspeicher konnte Intel wahrscheinlich wegen entsprechender Exklusivverträge mit Rambus nicht anders, als auf Gedeih und Verderb auf diesen Speichertyp zu setzen. AMD und VIA nutzten dies geschickt aus und lancierten ihren Feldzug für PC133-SDRAM. Die von Intel wegen der exorbitanten Rambus-Preise und der i820-Problem frustrierten Mainboard-Firmen zogen dabei enthusiastisch mit. Nachdem Rambus durch Lizenzforderungen für SDRAM und das neue DDR-SDRAM auch noch sämtliche Speicherhersteller gegen sich aufbrachte, hatten VIA und AMD auch mit der nächsten Kampagne für Double-Data-Rate-SDRAM leichtes Spiel.

Der Pentium-III-Kern ist bei wenig mehr als 1 GHz am Ende seiner Laufbahn angelangt. Die weitere Taktratensteigerung macht auch wegen des auf 1,066 GByte/s Datentransferrate begrenzten FSB kaum noch Sinn. Intel will zwar noch Versionen mit 1,13 und 1,2 GHz nachschieben und mit der im 0,13-µm-Prozess hergestellten ‘Tualatin’-Version einen besonders Strom sparenden Chip für mobile Anwendungen und Mini-Server präsentieren, doch ist die Nachfolge des Pentium III bekanntlich längst geregelt.

Der Pentium 4 macht bislang allerdings keine so gute Figur. Seine komplett neue Architektur, die laut Intel prinzipiell für Frequenzen weit jenseits von 5 GHz ausreicht, kommt mit älterer Software nicht so gut zurecht und glänzt bei den zurzeit lieferbaren Taktraten von maximal 1,7 GHz nur in wenigen Benchmarks. So manches deutet darauf hin, dass Intel den Pentium 4 lieber einige Monate später als im November 2000 geliefert hätte. Erst nach dem Weihnachtsgeschäft 2000 etwa schob der Hardwaregigant die preiswerte 1,3-GHz-Version nach, die mittlerweile weniger kostet als ein 1-GHz-Pentium-III. Doch allein der Pentium 4 hat offenbar in Intels Augen das Potenzial, der Power der schnellen Athlons etwas entgegenzusetzen. Außerdem hatte der Marktführer einfach kein anderes As im Ärmel, als mit höheren Taktraten wenigstens den PC-Händlern ein Argument für Intel-Prozessoren zu liefern.

Mit zunehmender Taktfrequenz und Transistoranzahl der Prozessoren wird es immer schwieriger, einer neuen CPU-Generation deutliche Leistungsvorteile mit auf den Weg zu geben [1]. Außerdem können x86-Prozessoren schon durch Randbedingungen wie die Kompatibilität mit existierender Software und Begrenzungen von Stromaufnahme und Preis nicht beliebig komplex werden. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der neue Athlon-Kern ‘Palomino’ im Vergleich zu seinem Vorgänger ‘Thunderbird’ nicht gerade revolutionär wirkt.

Dieser schneidet bei Frequenzen von 1,33 und bald 1,4 GHz in vielen Anwendungen immer noch im Vergleich zum Pentium 4 gut ab. Ein zweiter Überraschungscoup wie mit dem Athlon ist AMD mit dem neuen Palomino allerdings nicht gelungen. Mittlerweile konnte AMD im Verbund mit VIA den SDRAM-Nachfolger DDR-SDRAM zwar gut positionieren, doch hat Intel mit dem Pentium 4 eine Prozessorarchitektur in der Hand, die für Frequenzen bis weit über 2 GHz hinaus gut ist. Spätestens im Herbst sind auch preiswerte Chipsätze für SDRAM (Intels i845 ‘Brookdale’) und sogar für DDR-SDRAM da (VIA PX266, SiS645, ALi). Bis dahin muss AMD antworten, zumal der Pentium 4 dann in einem Strom sparenderen 0,13-µm-Prozess und mit Taktfrequenzen über 2 GHz verfügbar sein soll. Falls AMD da nichts entgegensetzen kann, gewinnt Intel die Zeit, die gesamte Marketing-Maschinerie wieder in Stellung zu bringen und auch für Updates der wichtigsten Software zu sorgen. Wenn erst die im Trend liegenden Video- und Audioprogramme, Spiele und Office-Anwendungen in der nächsten Softwaregeneration vorliegen, wird die Luft für den Athlon dünner. Auch im Workstation-Bereich legt Intel die Latte mit dem neuen Xeon hoch. Gerade hier kann man mit guten Ergebnissen mit alter Software kaum einen Blumentopf gewinnen, weil auch Profi-3D-Grafikkarten mit ihren speziellen OpenGL-Treibern nur bestimmte Anwendungen beschleunigen.

Hauptaufgabe des Palomino ist zunächst die Öffnung des Marktes der Workstations und so genannten Entry-Level-Server, also der kleinen Server. Damit der neue Athlon als Pärchen antreten kann, strickte AMD den neuen Chipsatz AMD-760MP. Dieser verbindet zwei Palominos mit DDR-SDRAM als Hauptspeicher und einem auch für 64-Bit-Steckkarten geeigneten PCI-Bus - die genauen Details zeigt der nachfolgende Artikel. AMD scheint sich darüber völlig im Klaren zu sein, dass man sich im Profi-Markt keine Fehler leisten kann und stellt daher die Sorgfalt offenbar über die Geschwindigkeit. So debütieren die neuen Prozessoren für Dual-Systeme nicht etwa mit 1,4 oder 1,5 GHz, sondern nur mit 1,2 GHz. Auch der Chipsatz greift nicht nach den Sternen, sondern setzt zunächst auf Bewährtes.

Eines der größten Probleme bei AMD dürfte die begrenzte Entwicklungskapazität sein. Zwar bekleckerte sich Intel mit der mehrfachen Verschiebung der Einführung des 64-Bit-Prozessors Itanium, dem abgekündigten Timna und den Chipsatz-Bugs beim i820 und i840 auch nicht gerade mit Ruhm, doch spricht alleine der Vergleich der Finanzdaten Bände. AMD tüftelt außer an kommenden Athlon-Versionen gleichzeitig noch an der für 2002 geplanten Umstellung auf ein 0,13-µm-Herstellverfahren sowie an den 64-Bit-CPUs ‘Clawhammer’ und ‘Sledgehammer’, die gegen Itanium und die etablierten Konkurrenten Alpha, HPs PA-RISC und Suns UltraSPARC antreten. Schon lange vor der Präsentation des Palomino hat AMD einige der Vorgaben zurechtgestutzt - so plante man noch Ende 1999 die Einführung des Athlon-Nachfolgers ‘Mustang’ mit 1 und 2 MByte L2-Cache im Herbst 2000. Dieser Prozessor verschwand im November letzten Jahres stiekum in der Versenkung.

Bei der Chipherstellung konnte AMD mit dem von Anfang an rund laufenden Werk in Dresden Intel deutlich ‘auspunkten’, doch ruht die ganze Last der Verantwortung auf dieser einzigen Fabrik. Eine Störung im Dresdener Werk - und AMD kommt ins Schwimmen. Und Entwicklungsnotwendigkeit gibt es nicht nur bei den Prozessoren selber, sondern im gesamten Umfeld. Intel hat in der Vergangenheit mit einer Vielzahl von Initiativen und Spezifikationen gezeigt, wie man den Weg bereitet. Auch AMD muss jetzt wesentlich mehr als früher investieren, um am Ball zu bleiben. HyperTransport etwa ist ein notwendiger Schritt in diese Richtung. Doch solche Macht wie Intel, etwa neue Netzeile (ATX12V) oder strengere Speicherspezifikationen einzufordern, hat AMD (noch) nicht, das würde auch den Markt zu teuer machen. Auch die Personaldecke, um Mainboard-Hersteller so wie Intel zu unterstützten, hat AMD nicht.

Das hat zur Folge, dass mit jedem neuen Chipsatz eine Phase des Learning by doing für die Hardwarehersteller nötig ist, bis alle Komponenten stabil zusammenlaufen. Die Zeche zahlen letztlich die Kunden, die als erste in Systeme mit der erwarteten Mehrleistung investieren. Der heiß umkämpfte Profi-Markt toleriert instabile Systeme dagegen auch in der Einführungsphase nicht. Fehler sorgen hier sofort für ein Negativ-Image des Herstellers.

AMD hat mit dem Athlon im Desktop-Bereich gewaltig Terrain erobert und schickt sich jetzt an, mit dem Palomino in unbekannte Gewässer zu segeln, wo jedoch andere Gesetze gelten. Ob sich die gewaltigen Anstrengungen und Investitionen dafür lohnen werden, ist noch völlig unklar. Ohne Zweifel hat das Unternehmen Produkte, die technisch deutlich vor der letzten Intel-Prozessor-Generation liegen, wiewohl die neue Workstation-CPU Xeon für den Palomino eine harte Nuss sein dürfte. Es ist jetzt essenziell, dass AMD interessierte Partner unter den Herstellern findet, die das Potenzial des Athlon auch zu nutzen wissen. Es wäre fatal, wenn der neue Athlon wie ehemals der K6-III lediglich als Preisbrecher in schludrig zusammengeschusterten Billigkisten antritt - dann hätte AMD in diesem Markt schon verloren, bevor der Kampf beginnt. (ciw)

[1] Andreas Stiller, Prozessorgeflüster, Von Gurus und Monstern, c't 5/01, S. 22 (ciw)