Wunschträume

Guter Nachwuchs ist existenziell für jedes Unternehmen, aber nicht immer leicht zu finden. Zu wissen, mit welchen Erwartungen Hochschulabsolventen auf Arbeitssuche gehen, ist aber nicht nur für Personalverantwortliche interessant, sondern hilft auch Berufseinsteigern bei der Einschätzung ihrer Situation.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Angela Meyer

Alljährlich erforschen Institute, welche Vorstellungen Hochschulabgänger von ihrem ersten Arbeitsplatz haben: Bei welchen Unternehmen wollen sie arbeiten, welche Tätigkeiten reizen sie am meisten, welche Bedingungen erwarten sie? Die umfangreichste Studie stellt seit mehreren Jahren das trendence Institut für Personalmarketing zusammen. Es hat 2006 von März bis Juli an rund 100 Universitäten mehr als 20 000 Hochschulstudenten im Hauptstudium befragt: 7633 Wirtschaftswissenschaftler, 6621 angehende Ingenieure und 4646 zukünftige Informatikabsolventen. Die Antworten der letzten Gruppe lieferten die Basis für die Studie „Das Absolventenbarometer 2006 - Deutsche IT Edition“.

In deren Zentrum steht ein Ranking derjenigen Arbeitgeber, bei denen die Absolventen am liebsten ins Berufsleben starten würden. Jahrelang war die Antwort hierauf bei Elektrotechnikern wie Informatikern klar: Siemens. Während der Konzern bei den Elektroingenieuren mit 30 Prozent aller Nennungen auch in diesem Jahr weit vor allen anderen Firmen den ersten Platz in der Gunst des Nachwuchses behauptet, hat seine Anziehungskraft auf Informatikstudenten spürbar gelitten: Erstmals seit dem Jahr 2000 steht Siemens bei ihnen nicht auf Platz 1, sondern ist diesmal auf Platz 3 gelandet.

Dies ist nur scheinbar widersprüchlich: Während Siemens insgesamt recht gut dasteht, kriselt es gleich in mehreren der für Informatiker besonders interessanten Sparten des traditionsreichen Konzerns. Nach dem Verkauf der verlustreichen Handysparte an BenQ im Oktober 2005 könnten sowohl die Konsolidierung des verlustreichen IT-Dienstleisters Siemens Business Services (SBS) als auch die Aufspaltung von Siemens Com ebenfalls mit einem Stellenabbau verbunden sein.

Trotz des Aufstiegs vom ewigen Zweiten zum diesjährigen Spitzenreiter dürfte auch IBM bei näherem Hinsehen nicht wirklich glücklich sein: Gegenüber der Vorjahresstudie [1] ist das Interesse der Absolventen an dem US-Konzern um zwei Prozent zurückgegangen, was nur wegen des mit minus vier Prozent noch deutlicheren Rückgangs bei Siemens nicht gleich ins Auge fällt. Auch IBM hatte 2005 mit einem massiven Abbau von Stellen Schlagzeilen gemacht. AMD dagegen, das seine Mikroprozessorproduktion in Dresden unverdrossen weiter ausbaut, hat seinen Anteil an den Nennungen fast verdoppelt und führt die Aufsteigerliste mit einem Sprung um 12 Plätze nach oben an.

In den Ergebnissen spiegelt sich aber nicht nur die wirtschaftliche Lage eines Betriebes oder - besonders stark bei den großen Autofirmen - die Attraktivität seiner Produkte wider. Ob und wie sich Unternehmen bei Hochschulmarketing und Nachwuchsförderung engagieren, kann laut trendence-Berater Oliver Viel ebenfalls Bekanntheitsgrad und Image eines Unternehmens spürbar beeinflussen: Der Eindruck der Studenten von einem Vortrag eines Unternehmensvertreters an der Hochschule oder die Erfahrungen bei einem Praktikum sprechen sich ebenso herum wie interessante Angebote zur Karriereförderung [2].

Und nicht zuletzt hängt das Ergebnis auch stark von der Liste selbst ab: Die Befragten können jedes Jahr aus 120 vorgegebenen Unternehmen oder Institutionen bis zu drei Wunscharbeitgeber auswählen. Zusätzlich können sie Arbeitgeber nennen, die sie in der Liste vermissen. Die Meistgenannten ersetzen dann im Jahr darauf die 20, die es nicht in die Top100 schafften.

Ob also die genannten Arbeitgeber wirklich die interessantesten Arbeitsplätze bieten oder aus anderen Gründen einfach nur die bekanntesten sind, lässt sich daher nicht unterscheiden. Die Kurzumfrage „Attraktive Arbeitgeber 2006“ von berufsstart.de unter 2000 Studenten und Berufsanfängern aller Fachrichtungen legt zumindest nahe, dass letzteres nicht unbedeutend ist. Anders als bei trendence mussten die von berufsstart.de Befragten jeweils drei Wunscharbeitgeber frei benennen. Obwohl fast die Hälfte aller dort Befragten in einem mittelgroßen Unternehmen arbeiten möchte, tauchen in der Liste der 50 attraktivsten Arbeitgeber aber fast nur Großunternehmen auf.

Da Blindbewerbungen logischerweise nur bei Unternehmen möglich sind, die man kennt, liefert die Liste der Wunscharbeitgeber aber auf jeden Fall einen Hinweis darauf, bei welchen Firmen die Bewerberkonkurrenz besonders hoch sein dürfte - was für Firmen wie Bewerber gleichermaßen interessant ist.

Erfahrungsprofil: Ein einschlägiger Nebenjob ist bei den Informatikstudenten fast Standard.

(Bild: Trendence)

Die trendence-Studie versucht über das Ranking hinaus ein Bild der IT-Absolventen und ihrer Erwartungen an den Arbeitsplatz zu zeichnen. Wie im Vorjahr hat knapp die Hälfte Informatik ohne ausgewiesene Spezialisierung studiert. Unter den spezifischen Fachrichtungen liegt Wirtschaftsinformatik mit 15 Prozent vorn. Der Anteil der Frauen über alle Informatikrichtungen hinweg ist um ein Prozent auf gut 15 Prozent gesunken.

Die meisten Studenten bringen Berufserfahrung mit, zwei Drittel sogar mit Bezug zum Studium. Die Vorstellungen, was sie später machen wollen, könnten also schon einigermaßen realistisch ausfallen. Die Übersicht, welche Tätigkeitsbereiche angehende Informatiker bevorzugt anpeilen, ist allerdings nicht ganz so einfach auszuwerten. Bei dem Versuch, die potenziellen Arbeitsbereiche möglichst allgemeingültig abzubilden, sind teilweise leicht missverständliche Kategorien herausgekommen. So dürften sich in der auf den ersten Blick verblüffend begehrten Kategorie Administration/Verwaltung nicht nur Fans des Öffentlichen Dienstes finden, sondern auch viele Netzwerkbegeisterte. Ebenso scheint fraglich, ob wirklich alle, die Information/Kommunikation angegeben haben, dabei tatsächlich an Dokumentation oder Öffentlichkeitsarbeit gedacht haben. Und auch die Zuordnung seiner Wünsche zu Forschung oder Wissenschaft beziehungsweise zu Entwicklung oder Programmierung dürfte für manchen nicht eindeutig gewesen sein.

Bevorzugter Tätigkeitsbereich: Gegenüber dem Vorjahr hat „Beratung“ deutlich an Anziehungskraft verloren.

(Bild: Trendence)

Deutlicher beantwortet die Studie die Frage, was die Absolventen für ihre Arbeit erwarten: Beim Jahresgehalt haben die zukünftigen Absolventen diesmal ihre Ansprüche entgegen dem bei unserer Gehaltsstudie festgestellten positiven Trend [3] etwas heruntergeschraubt: Im Schnitt rechnen sie mit 41 800 Euro, 1200 Euro weniger als im Vorjahr. Dies dürfte ähnlich realistisch sein wie die durchschnittlich erwartete Wochenarbeitszeit von 43,4 Stunden, die nur knapp unter den in der Gehaltsstudie ermittelten 44 Stunden liegt, aber deutlich über den üblicherweise im Vertrag vereinbarten Arbeitszeiten.

Zu einem unbegrenzten Engagement sind die Absolventen aber trotzdem nicht bereit: Bei der vorgegebenen, noch relativ schwachen Aussage „In den ersten Jahren nach Studienabschluss will ich mein Privatleben zugunsten einer Karriere zurückstellen“ überwog noch die Zustimmung, wenn auch knapp. Die deutlich krassere Formulierung „Aufgrund der schlechten Job-Aussichten bin ich in hohem Maße bereit, mein Privatleben zurückzustellen“ traf dagegen überwiegend auf Ablehnung - ebenso wie die Aussage, dass Studierende zu den Kosten für ihre Ausbildung einen Beitrag leisten sollten. Mindestens um das Letztere kommen zunehmend weniger Studenten herum: Allen Protesten zum Trotz verlangen auch die staatlichen Hochschulen in immer mehr Bundesländern Studiengebühren.

[1] Frank Möcke, Gehobene Ansprüche, Wo sich IT-Absolventen in der Berufswelt positionieren möchten

[2] Angela Meyer, Traumwelten, Hohe Ansprüche begleiten die IT-Karriere

[3] Daniel Apfelbaum, Wer verdient wie viel?, Ergebnisse der Gehaltsumfrage 2005

Die Aufsteiger
Rang Unternehmen Differenz
7 AMD in Dresden +12
9 Max-Planck +9
18 ProSiebenSat.1 Media +9
22 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt +7
25 Sony Deutschland +7
9 Apple Computer +6
8 Porsche +4
17 Lufthansa Systems Group +4
18 sd&m AG, software design & management +4
12 Sun Microsystems +3
1 IBM Deutschland +1
2 SAP +1
Die Absteiger
Rang Unternehmen Differenz
20 SuSE Linux -10
16 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik -8
22 Robert Bosch -8
14 Bundesnachrichtendienst -6
15 AUDI -5
11 DaimlerChrysler -4
3 Siemens -3
21 Cisco Systems -1
Positionswechsel bei den Top25: Im Vergleich zum Vorjahr gab es einige deutliche Veränderungen.
Wunscharbeitgeber IT
Rang Unternehmen % Rang 2005
1 IBM Deutschland 15,4 2
2 SAP 15,2 3
3 Siemens 15,0 1
4 Fraunhofer-Gesellschaft 12,9 4
5 BMW Group 10,6 5
6 Microsoft Deutschland 8,7 6
7 AMD Dresden 7,9 19
8 Porsche 6,4 12
9 Apple Computer 5,7 15
9 Max-Planck 5,7 18
11 Daimler-Chrysler 5,6 7
12 EADS 5,5 12
12 Sun Microsystems 5,5 15
14 Bundesnachrichtend. 5,3 8
15 AUDI 5,2 10
16 Bundesamt f. Sicherh. i. d. Informationstechn. 5,1 8
17 Lufthansa Systems Group 4,9 21
18 ProSiebenSat.1 Media 4,8 27
18 sd&m, software design & management 4,8 22
20 SuSE Linux 4,4 10
21 Cisco Systems 4,3 20
22 Robert Bosch 4,0 14
22 Deutsches Zentrum f. Luft- u. Raumf. e.V. 4,0 29
22 ESA European Space Agency 4,0 22
25 Sony Deutschland 3,8 32
26 Infineon Technologies 3,7 27
27 Deutsche Telekom 3,5 15
28 Oracle Deutschland 3,4 30
29 Volkswagen 3,0 26
30 1&1 2,7 neu
31 Accenture 2,5 25
32 Nokia 2,4 40
33 Bayer 2,0 49
33 Hewlett-Packard 2,0 24
33 ZDF 2,0 42
36 Deutsche Bank 1,9 36
36 McKinsey & Company 1,9 31
38 ARD 1,8 34
38 Philips 1,8 38
40 IKEA IT Germany 1,6 38
41 AVM 1,5 57
41 o2 1,5 42
41 WEB.DE 1,5 33
44 3SOFT 1,4 52
44 BCG (The Boston Consulting Group) 1,4 36
44 Bertelsmann 1,4 35
44 CDV Software Entertainment 1,4 40
44 Deutsche Bahn (DB Systems) 1,4 47
44 Roche Diagnostics 1,4 52
44 Silicon Graphics 1,4 42
51 Software AG 1,3 46
52 Vodafone 1,2 64
53 BASF IT Services 1,1 45
53 IDS Scheer 1,1 52
53 Yahoo! Deutschland 1,1 52
56 DATEV eG 1,0 47
57 Carl Zeiss 0,9 64
57 Deutsche Börse 0,9 57
57 ZF Friedrichshafen 0,9 74
60 Allianz Gruppe 0,8 49
60 Motorola 0,8 61
60 Statist. Bundesamt 0,8 57
63 Arcor 0,7 49
63 Axel Springer 0,7 52
63 Commerzbank 0,7 68
63 Dt. Post World Net 0,7 57
63 Pricewaterhouse Coopers 0,7 68
68 Roland Berger Strategy Consultants 0,6 61
68 DHL 0,6 64
68 Novell 0,6 neu
68 Procter & Gamble Serv. 0,6 neu
68 RWE (RWE Systems) 0,6 68
73 BearingPoint 0,5 87
73 Boehringer Ingelheim Pharma 0,5 82
73 Ericsson 0,5 61
73 I-D Media 0,5 74
73 KPMG 0,5 neu
73 Materna Information & Communications 0,5 87
73 Postbank Systems 0,5 87
80 ABB 0,4 72
80 Adam Opel 0,4 64
80 Capgemini 0,4 87
80 E-Plus Mobilfunk 0,4 74
80 Ford Werke 0,4 74
80 General Electric Comp. 0,4 74
80 Schering AG 0,4 82
87 gedas deutschland 0,3 74
87 Lucent Technologies Network Systems 0,3 74
87 Nortel Networks 0,3 95
87 Otto 0,3 74
87 Sanofi-Aventis Deutschland 0,3 72
87 Steria Mummert Consulting 0,3 95
87 UBS Deutschland 0,3 87
94 Agilent Technologies Deutschland 0,2 68
94 Alcatel Deutschland 0,2 82
94 CSC Ploenzke 0,2 82
94 Dresdner Bank 0,2 82
94 EDS Operations Services 0,2 95
94 GfK 0,2 95
94 HUK Coburg 0,2 neu
94 Intershop 0,2 87
94 msg systems 0,2 95
94 Münchener Rückversicherung 0,2 101
Quelle: Trendence
Studienfach
Studienfach %
Informatik/Allgemeine Informatik 48,5
Wirtschaftsinformatik/Informationswirtschaft 15,8
Medieninformatik 6,9
Angewandte Informatik 6,8
Technische Informatik 4,6
Informationstechnik 2,3
Ingenieurinformatik 2,2
Bioinformatik 1,8
Informationstechnik 2,3
Informations-/Kommunikationswissenschaft 1,2
Naturwissenschaftliche Informatik 1,1
Software-Engineering 1,1
Computervisualistik 1,0
Medizinische Informatik 1,0
Softwaretechnik 1,0
Praktische Informatik 0,8
Softwaresystemtechnik 0,6
Computational Engineering 0,5
Multimedia 0,5
Computer Networking 0,4
Informationsmanagement 0,3
Telekommunikation 0,2
Sonstige 1,5
Quelle: Trendence

(anm)