Apple fällt vom Stamm [Update]

Apples exzentrischer CEO Steve Jobs ist immer für eine Überraschung gut -- nun ist der im Vorfeld schon avisierte Schwenk hin zu x86 als neue Hardware-Basis für kommende Mac-Generationen in trockenen Tüchern.

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Apples exzentrischer CEO Steve Jobs ist immer für eine Überraschung gut -- nun ist der im Vorfeld schon avisierte Schwenk hin zu x86 als neue Hardware-Basis für kommende Mac-Generationen in trockenen Tüchern. Das berichtete Jobs jetzt in seiner Keynote zur Eröffung der Entwicklerkonferenz WWDC in San Francisco.

Apple kennt sich mit solchen Umstiegen ja aus, vom 680x0 zum PowerPC in den frühen 90er Jahren war es ein großer, lange vorbereiteter Sprung, doch dauerte es viele Jahre, bis alle relevanten Applikationen portiert waren. Damals blieb Apple auch nicht viel anderes übrig, denn die 680x0-Architektur war nach Auffassung des Herstellers Motorola weitgehend ausgereizt. Als Mitglied im Somerset-Triumfirmat von IBM, Motorola und Apple konnte Apple bei der Prozessorgestaltung seine eigenen Wünsche einbringen.

Der aktuelle PowerPC 970 ist hingegen noch längst nicht am Design-Ende angelangt, seine 64-Bittigkeit ist noch relativ jung und noch gar nicht richtig ausgelotet. Doch mit dem Wechsel von Stammpartner Motorola zu IBM bei den Desktop- und Serverprozessoren hat sich Apple in neue Abhängigkeiten begeben -- vielleicht liegt gerade darin die Triebfeder für Jobs Wechsel. Während Apple und die Mac-Gemeinde seit über einem Jahr auf die versprochenen 3-GHz-Prozessoren warten, es diverse Chip-Engpässe gegeben hat und von den Dual-Core-Prozessoren PPC970MP (Antares) außer zu ein paar Hinweisen zu seinen thermischen Dioden immer noch nichts zu sehen ist, bekommt Microsoft für die Xbox gleich drei PPC-Kerne pro Chip mit 3,2 GHz auf dem Samtkissen geliefert -- und das möglicherweise exklusiv. Da kann man schon sauer werden.

Und die seit einem Jahr erwartete Mobile-Version des PPC970 lässt ebenfalls auf sich warten. Pentium-M und jetzt vielleicht auch der Turion sahnen derweil den lukrativen Notebook-Markt ab. Hat es hinter den Kulissen kräftig gekracht? Wegen ihres hohen Leistungsbedarfs lassen sich die G5-Prozessoren bisher nicht in Notebooks einsetzen -- jedenfalls nicht in PowerBooks, die den Ansprüchen der Apple-Kundschaft an Lärmentwicklung, Gewicht und Akkulaufzeit genügen sollen. Hier ist Apple auf die G4-Prozessoren der Motorola-Halbleiter-Sparte Freescale angewiesen, die zwar sparsame und kompakte, aber trotz jahrelanger Entwicklungsarbeit einfach nicht ausreichend schnelle Prozessoren liefert -- bei 1,67 GHz ist zurzeit Schluss. Nach Gerüchten hätten schon im zweiten Halbjahr 2005 G5-Notebooks herauskommen sollen.

IBM hält sich bezüglich Desktop-Engagements zudem auffällig bedeckt, hat nur noch Server und Spielkonsolen vor Augen -- die eigene PC-Abteilung wurde vor kurzem an Lenovo nach China verkauft. Keiner weiß außerdem, was Apple für die IBM-Prozessoren bezahlen muss -- viele vermuten, dass sich IBM die nahezu speziell für Apple gefertigten Chips vergolden lässt. Die paar wenigen PowerPCs, die IBM für die eigenen Blade-Server benötigt, kann man getrost vernachlässigen. Dank des starken Wettbewerbs sind im x86-Lager die Preise für Jobs wahrscheinlich deutlich attraktiver. Weiteres Einspar-Potenzial bringen die integrierten Grafikprozessoren moderner x86-Chipsätze (Intel i915GM, i945G, ATI Radeon Xpress 200), die locker das Leistungsniveau der vor jeweils gut zwei Jahren vorgestellten 3D-Beschleuniger erreichen, die Apple in den iBooks oder dem Mac mini einbaut.

Der Umstieg auf x86 ist aber nicht gerade trivial, wenn auch das Mac-OS-X-Betriebssystem und einige Musterapplikationen wohl bereits portiert sind. Eine große Hürde dürfte das Byte-Ordering im Speicher sein, das bei Apple traditionell beim höchstwertigen Byte anfängt, bei Intel aber genau anders herum. Die G4-Systeme konnten hardwaremäßig umschaltbar beide Strategien fahren -- was die Arbeit der PC-Emulatoren (VirtualPC) deutlich erleichterte. Hier muss man abwarten, wie effizient die neuen Apple-Systeme mit Emulatoren die Altsoftware und alte Dateien abarbeiten können.

Daneben gibt es das übliche Problem mit den Treibern, wiewohl viele Hardwarepartner, etwa Nvidia, bei den Grafikkarten ohnehin in beiden Lagern zu Hause sind. Der Zeitpunkt ist jetzt für einen Umstieg sehr gut gewählt -- für 64 Bit müssen auch im Windows-Intel-Lager alle Treiber neu erstellt werden. Außerdem stehen hier weitere Umbrüche mit Doppelkernen und Virtualisierung an, Sachen, an denen auch Apple sehr interessiert sein dürfte.

Die immer wieder ins Feld geführte Performance ist derweil gar nicht mehr so ausschlaggebend für eine Wahl einer Plattform, nackte Performance bieten die neuen Prozessoren zumindest für Desktop-Anforderungen meist im Überfluss. Wichtiger für den Benutzer ist eher die Software beziehungsweise deren Usability -- und besonders hier will Apple mitwuchern. Moderne Betriebssysteme abstrahieren ohnehin die darunterliegende Hardware, das zeigt auch Konkurrent Microsoft, wenn er bei der Xbox von Celeron auf PowerPC wechselt. Und wenn Microsoft das in die eine Richtung kann, warum sollte Apple nicht die andere Richtung einschlagen? (as)