US-EU-Freihandelsabkommen: SPD-Chef Gabriel gibt TTIP auf

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sieht das geplante Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA als faktisch gescheitert. Die US-Handelskammer weist dies zurück. Auch Ceta, das Abkommen mit Kanada, bleibt umkämpft.

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TTIP, TISA, Freihandelsabkommen, Europa, USA
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SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich weitervom umstrittenen transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP distanziert. Nachdem der Bundeswirtschaftsminister bei dem geplanten Vertrag zwischen der EU und den USA schon im Frühjahr bremste, erklärte er das Vorhaben nun im ZDF-Sommerinterview für "de facto gescheitert".

Gabriels Eindruck nach 14 Verhandlungsrunden: "Da bewegt sich nix." Zu keinem der 27 anvisierten Kapitel stehe bislang ein gemeinsamer Text. Es sei klar, dass "wir uns den amerikanischen Forderungen natürlich als Europäer nicht unterwerfen dürfen".

Bernhard Mattes, Präsident der American Chamber of Commerce in Deutschland, plädierte dagegen dafür, die Gespräche "mit der notwendigen Ruhe und Sachlichkeit" weiter zu führen. Viel zu lange sei TTIP schon "Spielball unterschiedlicher Interessensgruppen", monierte der deutsche Ford-Chef.

Der enorme öffentliche Druck und die Diskussion hätten "die gesamten Verhandlungen bis heute verzerrt dargestellt", anstatt die "enormen Vorteile" für die Bürger und Unternehmen in der EU und den USA zu betonen, meinte Mattes. Ein komplexes Werk dieser Größenordnung brauche Zeit. Eine "starke Bundesregierung" sei trotz Wahlkampf gefordert, TTIP zum Erfolg zu führen. Sprecher von CDU/CSU und FDP kritisierten die Haltung Gabriels ebenfalls scharf.

In der SPD selbst geht das Gezerre um das bereits ausgehandelte TTIP-Vorbild Ceta weiter. Gabriel hält an der Übereinkunft zwischen der EU und Kanada fest, während Parteilinke sie ablehnen und es an der Basis rumort. Prinzipiell sei es wichtig, dass Deutschland sich für Freihandel einsetze, "weil wir eine exportorientierte Nation sind", meinte der SPD-Chef. Von Ceta profitierten vor allem kleinere hiesige Firmen. Der große Unterschied zu TTIP sei, dass die Investorenschiedsgerichtsbarkeit besser geregelt sei.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller kann sich dagegen ohne "dramatische" Verbesserungen auch bei Ceta nicht vorstellen, "dass wir das aus Berlin unterstützen können", unterstrich Müller gegenüber der "Berliner Morgenpost". In der Hauptstadt setze die Politik darauf, die "öffentliche Daseinsvorsorge" zu stärken und Bereiche wie die Energieversorgung, den Wohnungsbau und das Gesundheitswesen zu rekommunalisieren. Dies stehe im Konflikt mit Ceta. Länderparlamente wie das Berliner könnten die Übereinkunft im Einklang mit der Linie der EU-Kommission noch zu Fall bringen.

Einen Tag nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus in der Hauptstadt will die SPD ihre Position zu den umstrittenen transatlantischen Abkommen am 19. September bei einem Parteikonvent festzurren. Für den 17. September hat ein breites Bündnis zu neuen Demonstrationen gegen Freihandel und Globalisierungaufgerufen.

[Update 29.08.2016 17:44]:

Anders als Gabriel sieht die EU-Kommission durchaus noch eine Chance für das transatlantische Handelsabkommen. "Wenn die Bedingungen stimmen, ist die Kommission bereit, dieses Abkommen bis Ende des Jahres unter Dach und Fach zu bringen", sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas. "Der Ball rollt noch", fügte er hinzu.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Chefin von Gabriel in seiner Rolle als Wirtschaftsminister, ließ in Berlin erklären: "Es ist richtig, weiter zu verhandeln." Regierungssprecher Steffen Seibert sagte weiter, Merkel sehe es als ihre Aufgabe, abzuwarten, was die EU in den Verhandlungen mit den USA erreichen könne. Schon oft sei das Entscheidende erst in der letzten Runde von Gesprächen passiert. Er räumte aber ein, dass die Positionen der Verhandlungspartner "in wichtigen Fragen durchaus voneinander abweichen". (jk)