HAL2001: Hacken, ganz groß

Mit mehr als 2000 Teilnehmern wurde "HAL 2001" eröffnet, die dreitägige Konferenz "Hacking at Large".

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Von
  • Detlef Borchers

Mit mehr als 2000 Teilnehmern wurde am gestrigen Freitag in Twente bei Enschede "HAL 2001" eröffnet, die dreitägige Konferenz "Hacking at Large". Unter dem an 2001 – Odyssee im Weltraum angelehnten Motto "Are you ready to learn the secrets of the monolith" werden politische Themen rund um das Hacken, Betriebssysteme und die Nerven der Teilnehmer ausgereizt. Schon in der Nacht vor der Eröffnung gab es im weiträumigen vernetzten Zeltdorf auf dem Campus der Universität Twente laute LAN-Schlachten, denen auch kräftige Regenschauer nichts anhaben konnten. Eröffnet wurde HAL2001 mit einer Keynote von Emanuel Goldstein, Herausgeber der Hackerzeitschrift 2600. Goldstein erzählte dem europäischen Publikum, wie sehr die amerikanischen Medien den Begriff Hacker zu einer "moral panic" ausgebaut haben und anderen Ansichten auch im eigenen Interesse kaum Raum gewähren.

Amerikanisch exterritorial im besten Sinne waren auch die Vorträge von Jon Callas und Tom Vogt, die sich mit der Geschichte und der Zukunft von DeCSS beschäftigten. Der Kryptologe Jon Callas räumte einige Missverständnisse in der Debatte beiseite, etwa die Verwechslung des offenen Designprozesses der Kryptologen mit der Open Source. Problematisch ist für Callas auch die Tatsache, dass Kryptologen mit einer unzureichend ausgefeilten Technik wie dem CSS bei DVDs unzufrieden sind, dies die Konsumenten aber nicht kümmern würde. So werde CSS zwangsläufig schon von Jugendlichen geknackt und die Frage nach dem Eigentum von den Medien noch leichter kriminalisiert. Diese eingebaute Schieflage könnte sich nach Callas erst dann ändern, wenn die Inhaber geschützter Werke zusätzliche Mittel (penalties) zur Hand bekämen, etwa mit Micropayments Gebühren für ihre Werke abfordern könnten. Dann würde es mit der Unischerheit von Systemen wie CSS schlagartig vorbei sein.

Tom Vogt konzentrierte sich auf die internationalen Auswirkungen. Über die entsprechenden Rahmenvereinbarungen innerhalb der WIPO und der WTO werde es bald eine europäische Direktive geben, mit der Systeme wie CSS in national unterschiedlichen Varianten eingeführt werden. Hier seien die Hacker aller Länder aufgerufen, zu Hause Widerstand zu leisten. Als Beispiel führte ein podiumsstürmender Andreas Bogk (CCC) die Entwicklung zum Digital-TV an: Wer dann noch Fernsehsendungen kopiere und archiviere, mache sich strafbar. In zwei weiteren Vorträgen ging man die Frage an, ob Offshore-Hosting eine Möglichkeit sein könnte, staatliche Sanktionen aufzuweichen. Vertreter extra-territorialer Lösungen wie HavenCo und Onshore-Hoster in entlegenen Erdteilen wie Rackspace diskutierten. Das dritte Lager, die oszillierende Online-Distribution ohne festen Host, fehlte: In dem Moment, in dem es für diese Systeme funktionierende Payment-Lösungen gibt, könnten sie den Markt aufrollen, so Ryan Lackey von HeavenCo.

In einem anderen Hauptthema versuchte sich der amerikanische Soziologe Greg Newby an einer Bestimmung der Hacker-Ethik. Newby entkleidete dabei die Ethik vom philosophischen und reduzierte sie auf das praktische Tun. Jeder Hacker sollte schon in seinem Code die Motive offen legen, die ihn zu seiner Arbeit geführt hätten, jeder sollte mit seinem Hack die Kommunikation zur Gemeinschaft suchen. In der "value-loaden documentation" würde die Ethik schließlich von allen weiter entwickelt werden können. Als positives Beispiel führte Newby den Cult of the Dead Cow an, als negatives alle anonymen Viren, Würmer und Trojaner, aber auch das Freenet-System: Hier habe man versäumt, Aufklärung über die Ethik des Copyrights zu betreiben. Ein Satz, den Newby durchaus auf die HAL2001 selbst anwenden könnte: Im Hauptzelt wurde an langen Tischreihen die Gigabit-Leitung der Universität ausgereizt, bis die CD-Brenner heiß gelaufen waren.

Spät am Abend des ersten Tages lud der CCC zu einer Memorial-Session für Wau Holland ein, gehalten in englischer Sprache. Der Andrang war so groß, das selbst das große Festzelt nicht ausreichte. Das Gedenken war eher verhalten, kaum jemand mochte seine Erinnerungen zum Ausdruck bringen. So gab es "very rough the life of Wau" in Kurzfassung und einen letzten Film von Wau Holland, in dem dieser rund um das Problem der Komplexität seine Gedanken spann. Am Ende hatte Wau Holland die Lacher auf seiner Seite. Im Anschluss an das Gedenken wurde der Film "Freedom Downtime" gezeigt, den HAL2001-Keynoter Emanuel Goldstein über Kevin Mitnick als ein amerikanisches Road-Movie inszeniert hat. Der Kontrast konnte nicht größer sein: hier der allen bekannte deutsche Hacker, der in der Öffentlichkeit und von der Öffentlichkeit lebte, dort der amerikanische Hacker-Hero, der in einer mühseligen Spurensuche über den gesamten Kontinent rekonstruiert wurde. Wau Holland erschien am Ende lebendiger als Kevin Mitnick.

Siehe dazu auch: What's the shortest way to hack a Linux box? HAL 2001 – Day One in Telepolis. (Detlef Borchers) / (jk)