Parteitag: SPD für Tempolimit, E-Autoquote und mehr Open Source

Nach der Wahl ihrer neuen Spitze Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hat die SPD einen Leitantrag beschlossen, mit dem sie beim Klimapaket nachbessern will.

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Parteitag: SPD für Tempolimit, E-Autoquote und mehr Open Source

(Bild: vs148/Shutterstock.com)

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Die SPD hat am Freitag auf ihrem Parteitag in Berlin Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans mit 75,9 beziehungsweise 89,2 Prozent der Stimmen zu ihren neuen Vorsitzenden gewählt. Beide waren zuvor als Sieger aus einem Mitgliederentscheid hervorgegangen und hatten dabei Bundesfinanzminister Olaf Scholz und seine Mitstreiterin Klara Geywitz hinter sich gelassen.

Die Sozialdemokraten haben zudem nach einem mehrstündigen, hitzigen Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern einer großen Koalition mit großer Mehrheit einen Leitantrag verabschiedet, wonach der Koalitionsvertrag mit CDU und CSU an mehreren Punkten überarbeitet werden soll. Das Regierungsbündnis kündigen die Genossen trotz einschlägiger Forderungen vor allem von linken Rednern aber nicht auf. Einen entsprechenden Änderungsantrag unterstützen nur eine Handvoll der Delegierten.

Die Partei plädiert darin unter dem Motto "Aufbruch in eine neue Zeit" für eine "demokratische Digitalisierung". Sie will demnach im Rahmen der mit dem Koalitionspartner vereinbarten Revisionsklausel Investitionen im Bereich der digitalen Infrastruktur ausweiten "und dort, wo es sinnvoll ist, diese auch in öffentlicher Verantwortung angehen". Zuvor hatten Esken und Borjans in ihrem netzpolitischen Papier eine öffentlich-rechtliche Infrastrukturgesellschaft ins Spiel gebracht, um schnelles Internet für alle voranzubringen.

"Die Grundsätze der Offenheit" müssten "den staatlichen Umgang mit dem Digitalen prägen", ist dem Antrag zu entnehmen. "Wir wollen die umfassende Förderung und den bevorzugten Einsatz von Open-Source-Lösungen als Alternative zu kommerziellen Angeboten. Darüber hinaus wollen wir, dass große Konzerne auf datengetriebenen Märkten verpflichtet werden, Daten zu teilen."

Dazu gibt es noch einen ausführlicheren Antrag des Parteivorstands, über den noch abgestimmt werden muss. Darin werden als Beispiele für zu regulierende Dienste Suchmaschinen, online-basierte Landkarten, soziale Netzwerke oder digitale Plattformen etwa für Hotelbuchungen, Transport- und Taxidienstleistungen oder Musik- sowie Videostreaming genannt.

Nicht erst seit den breit getragenen Protesten junger Menschen im Zuge der Bewegung "Fridays for future" ist für die SPD auch "der Handlungsbedarf für einen wirksamen und gerechten Klimaschutz deutlich geworden". Die Klimakrise sei "eine Gerechtigkeitskrise und damit zugleich eine Verteilungsfrage – sozial und global gesehen wie auch zwischen den Generationen". Die Kosten des Nicht-Handelns seien langfristig größer als die einer ehrgeizigen Klimaschutzpolitik.

Die vereinbarten Schritte im Klimapaket enthalten laut dem Leitantrag "erste wichtige Maßnahmen". Die Sozialdemokraten "sehen aber nach wie vor Mängel bei der sozialen Absicherung dieses notwendigen Wandels, der die Voraussetzung für einen dauerhaft und breit akzeptierten, wirksamen Klimaschutz ist". Tenor auch in der unabhängigen Wissenschaft sei zudem, dass die bislang beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichten, um die Klimaziele zu erreichen.

Die Partei macht sich daher für einen "sozial gerechten und wirksamen CO2-Preis" stark. Die derzeitigen Maßnahmen müssten dazu weiterentwickelt werden, bleibt die SPD hier aber vage. Klarer will sie sich für eine "Stärkung der E-Mobilität" durch "eine Bonus-Malus-Regelung" einsetzen und "dafür die vereinbarte Änderung der Kfz-Steuer so ausgestalten, dass sie eine signifikante Maluskomponente darstellt". Ferner wollen die Sozialdemokraten "ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen einführen", was im Bundestag jüngst an Schwarz-Rot noch scheiterte. Das leiste "einen Beitrag zur Verkehrssicherheit und ist zudem eine kostenlose Klimaschutzmaßnahme".

Mit einer E-Autoquote, die in den nächsten Jahren sukzessive steigen wird, wollen sie dazu beitragen, "dass sich die Automobilindustrie auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen kann und Planungssicherheit für die Investitionen in den Umbau der Industrie gewährleistet ist". Der Strompreis soll zudem sinken.

"Wir werden uns Hass, Hetze und Gewalt entgegenstellen", gelobt die SPD weiter im Kampf vor allem gegen Rechtsextremismus. "Soziale Netzwerke müssen zukünftig Morddrohungen und Volksverhetzung an das Bundeskriminalamt melden", verlangt sie. Ferner will die Regierungspartei das Strafrecht verschärfen: Für öffentliche Beleidigungen etwa auf Facebook oder Twitter sollen die Sanktionen erhöht werden.

Die staatlich geprüfte Informatikerin Esken betonte in ihrer Bewerbungsrede, sie wolle die digitale Revolution so gestalten, dass sie menschlich wird. Dafür sei es nötig, die Digitalisierung am Gemeinwohl zu orientieren und an den bürgerlichen Freiheitsrechten. "Die SPD muss der Betriebsrat der digitalen Gesellschaft werden!", forderte sie. "Für Jobs sorgen, für Rechte als Arbeitnehmer, als Verbraucher, als Bürger." Alle müssten an den Vorteilen des Internets und der digitalen Technik teilhaben können.

Juso-Chef und GroKo-Kritiker Kevin Kühnert unterstrich in der Aussprache, dass es kein "weiter so" geben dürfe. Diesen Auftrag habe die neue Parteispitze verstanden und werde dementsprechend in die Gespräche alias Nachverhandlungen mit der Union gehen. Später wählten die Delegierten Kühnert mit 70,4 Prozent zu einem von insgesamt fünf neuen Vize-Parteichefs. Andere Redner sprachen sich dafür aus, spätestens nach dieser Legislaturperiode mit Grünen und Linken zu koalieren. Der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach machte ein Signal der Basis aus, weiter links zu stehen als die SPD-Regierungsmitglieder. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer twitterte: "Auf gute Zusammenarbeit. Es gibt viel zu tun. Dafür braucht es das klare Bekenntnis zum gemeinsamen Auftrag." (bme)