Digitale 4. Gewalt: Bündnis fordert Zugang zu Daten von Facebook & Co.

Um die Demokratie zu stärken, drängt eine zivilgesellschaftliche Allianz auf starke Transparenzpflichten im geplanten europäischen Digital Services Act.

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(Bild: Wachiwit/Shutterstock.com)

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Knapp 50 zivilgesellschaftliche Organisationen und Wissenschaftler haben die EU-Kommission aufgefordert, in ihrem Entwurf für einen Digital Services Act (DSA) verbindliche Transparenzauflagen für Online-Plattformen zu verankern. Das geplante Gesetz für digitale Dienste sollte demnach "umfassende Rahmenbedingungen für den Datenzugang einführen", die den Weg ebneten "für eine echte Rechenschaftspflicht" und eine zivilgesellschaftliche "digitale 4. Gewalt" ergänzend zu den Medien.

"Eine verbesserte Transparenz gegenüber den Nutzern ist erforderlich und kann dringend benötigte Einblicke in die personalisierten Ergebnisse bieten", die Facebook, Twitter & Co. den einzelnen Mitgliedern präsentieren, heißt es in der am Freitag veröffentlichten Eingabe an die Kommission. Die Freigabe pseudonymisierter oder anonymisierter Daten für die Forschung dürfte darüber hinaus aber auch Einsicht "in den kollektiven Einfluss von Plattformen geben".

Um beurteilen und kontrollieren zu können, wie Plattformen ihre Gemeinschaftsstandards anwenden oder kollektive gesellschaftliche Risiken wie Desinformation, Polarisierung und Voreingenommenheit angehen, sind laut der Allianz evidente Fakten von unabhängigen Stellen nötig. Für Journalisten, Wissenschaftler und Akteure der Zivilgesellschaft, die undurchsichtige algorithmische "Black Boxes" verstehen lernen wollten, sei es aber schwierig, die erforderlichen Informationen von den Konzernen zu bekommen.

"Unabhängige Forscher sehen sich enormen Herausforderungen beim Zugriff auf zuverlässige Daten von Plattformen gegenüber", moniert das Bündnis, dem sich neben den Initiatoren AlgorithmWatch und dem European Policy Centre Organisationen wie, Access Now, European Digital Rights (EDRi), HateAid und die Stiftung Neue Verantwortung angeschlossen haben. In den vergangenen Jahren hätten die Betreiber den Zugang zu ihren öffentlichen Programmierschnittstellen (APIs) sogar weiter eingeschränkt. So sei es fast unmöglich, sie "für illegales oder unethisches Verhalten zur Verantwortung zu ziehen".

Selbstregulierung sei an diesem Punkt "unvollständig, ineffektiv, unmethodisch und unzuverlässig", rufen die Beteiligten nach dem Gesetzgeber. Die Konzentration von Daten in den Händen einiger weniger Unternehmen habe starken Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden "der digitalen öffentlichen Sphäre". Es müsse möglich sein, im Interesse einer starken Demokratie Systeme automatisierter Entscheidungsfindung und die von ihnen eingesetzten Algorithmen unabhängig überprüfen zu können.

Offenlegungspflichten sollten laut der Erklärung zwischen marktbeherrschenden Akteuren und kleineren Vermittlungsinstanzen unterscheiden, die etwa anhand von Faktoren wie Jahresumsatz, Marktanteil und Nutzerbasis definiert werden könnten. Es empfehle sich, den Anwendungsbereich auf "dominante Plattformen" und die von der Kommission bereits ins Auge gefassten "Gatekeeper" zu beschränken.

Die Transparenzauflagen sollten auf den technischen Funktionalitäten des Dienstes basieren und nicht auf "mehrdeutigen und politisch aufgeladenen" Begriffen wie "politische Werbung" oder "Hassrede", unterstreichen die Unterzeichner. Zu den technischen Merkmalen könnten etwa aggregierte Nutzerzahlen auf abstrahierter Ebene, Werbung und Microtargeting, Suchfunktionen, Feeds, Ranking, Empfehlungen sowie inhaltliche Moderationsfaktoren gehören. Auch Löschvorgaben und andere Maßnahmen wie Faktenprüfung sollten einbezogen werden.

A und O einer entsprechenden Regel sei eine EU-Institution mit einem klaren rechtlichen Auftrag, den Zugang zu Daten zu ermöglichen und Transparenzvorgaben EU-weit durchzusetzen, schreibt die Allianz. Wichtig seien zudem klare Bestimmungen, um die Datenerfassung im Einklang mit bestehenden Gesetzen zum Schutz der Privatsphäre der Betroffenen zu halten.

Auch die EU-Justizminister kündigten am Freitag bei ihrem informellen virtuellen Treffen an, sich in die Beratungen zum DSA zeitnah einbringen zu wollen. "Hasskriminalität, Terrorpropaganda und Mordaufrufe müssen noch entschiedener und frühzeitiger verfolgt werden", betonte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht im Namen der deutschen Ratspräsidentschaft.

"Wir brauchen klare Verpflichtungen der Online-Plattformen. YouTube, Facebook & Co. sind in der Verantwortung, sich nicht länger als Hetzplattformen missbrauchen zu lassen", forderte die SPD-Politikerin. Der Nährboden für Taten wie die Enthauptung des französischen Lehrers Samuel Patys seien "die Wellen des Hasses im Internet". Google will derweil mit gezieltem Lobbying verhindern, dass das Plattformgesetz streng ausfällt und bei Nutzern beliebte Dienste untergräbt.

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