Hungrig: Plug-In-Hybrid Jaguar F-Pace 400e im Test

Für die Modellpflege des F-Pace stellt sich Jaguar mit einer überarbeiteten Kabine und einem Plug-in-Hybrid-Antrieb auf. Die Grundtugenden des Modells bleiben.

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Von
  • Clemens Gleich
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Es war ein herber Umstieg vom Mercedes in den Jaguar. Der Mercedes (EQA, Test) fährt großenteils von alleine. Der Jaguar dagegen will einen aktiven Fahrer. Genau das ist seine Nische. Es ist mir bewusst, dass gute Fahrbarkeit in einem SUV nicht die höchste Priorität hat, doch es gibt eben Kunden, die genau das wollen, weil sie zum Beispiel Rückgratprobleme mit schwerpunktgünstigeren, tieferen Sitzen erleben.

Der F-Pace fährt für seine Größe und Höhe erstaunlich gut. Man sieht viel, vor allem den Kurvenausgang (leider überhaupt keine Selbstverständlichkeit). Das Chassis vermittelt ein gutes Gefühl vom Fahrzeug, von Position und Zustand jedes Rades. Lenkrad und Pedale geben viel Feedback. Das Auto steht daher weit in jener Nische, in der sonst noch Alfa-Romeos Stelvio (Test) Freunde sucht: gute Straßenlage, viel aktive Fahrfreude und ein Allradantrieb, der dir klar sagt, wofür er gebaut wurde: Asphalt. Diese Ausrichtung hat der F-Pace mit der Modellpflege behalten. Neu dazu kamen eine generalüberholte Kabine und ein PHEV-Antrieb mit DC-Schnelllader.

Auf dem Papier liest sich Jaguars Antrieb recht gut: 297 kW (404 PS) Systemleistung, 17,1-kWh-Batterie, DC-Schnellladung mit bis zu 32 kW, 105-kW-Elektromotor. Beim ersten Betrachten zeigen sich jedoch bereits die Kompromisse, die Jaguar aus verschiedenen Gründen einging. Hinten im Kofferraum gibt es keine Stufe. Das ist gut. Es gibt dafür eine steile Rampe, direkt an der Ladekante. Das ist nicht so gut. Wenn Ladung auf diese Rampe rutscht, können Sie recht sicher davon ausgehen, dass diese beim nächsten Kofferraum öffnen auf die Straße klatscht. Eine Stufe wäre hässlicher, hätte zumindest das jedoch verhindert.

Beim DC-Schnellladen maß ich bis über 27 kW Ladeleistung. Jaguar gibt als Optimum 32 kW an, und einen Zeitraum von 10 bis 80 Prozent von unter 30 Minuten. Das klingt zunächst ganz gut, doch der Jaguar verbraucht über 37 kWh / 100 km brutto im zaghaften elektrischen Betrieb bei maximal 100 km/h auf der Landstraße (siehe Verbrauchsdaten im Datenblatt). Die 17,1 kWh sind zudem der Bruttowert der Batteriekapazität. Netto stehen 13,8 kWh zur Verfügung. Damit schafft der F-Pace nur wenig mehr als die deutsche Durchschnitts-Tagesfahrleistung von 37 km rein elektrisch. Zumindest kommt die Reichweitenschätzung im Tacho meistens hin. Bei mir zeigte sie 43 bis 46 km. Für den DC-Stecker heißt das: Er lädt bis 80 % unter 1 km/min nach. Dafür bräuchte der 400e nun wirklich keinen Schnelllader blockieren, und mir fällt keine Situation ein, in der ich Strom mit DC-Aufschlag für dieses Auto kaufen wöllte. Sinnvoller wäre ein 22-kW-AC-Ladegerät gewesen, mit dem der F-Pace die vielen urbanen AC-Säulen effektiver nutzen könnte.

Jaguar F-Pace 400e außen (13 Bilder)

Schwierige Designaufgabe: Mach' SUV-Höhe elegant.
(Bild: Clemens Gleich)

Und schließlich hat Jaguar wie einige andere Hersteller auch das Anfahrverhalten nicht besonders gut hinbekommen. Der 400e genehmigt sich im Stand eine Gedenksekunde, dann ruckt er vorwärts – nicht gut für den sozialen Ruf des SUV-Fahrers. Das passiert sowohl im EV- als auch im Hybridbetrieb. Mildern kann das ein sehr zärtlicher, geduldig auf fast nichts ausharrender Gasfuß, die Gedenksekunde bleibt jedoch. [Update] Jaguar Deutschlands Werkstatt hat das Problem nachvollzogen und sagt: Autohold abschalten, dann sollte die Gedenksekunde verschwinden. [/Update] Von den versprochenen 240 km/h liefert der 400e bei (schnell) leerer Batterie üblicherweise 220. Obwohl der F-Pace mit Fahrfreude viel wettmacht, bleibt das Gefühl: Bis auf den Steuersparaspekt wären alle mit dem Sechszylinder (Topspeed 250) besser bedient. Steuersparer könnten sich hier den in der Anschaffung kaum teureren und ebenfalls günstig als Firmenwagen veranschlagbaren rein elektrischen Jaguar I-Pace anschauen.

Einige große Schritte nach vorne machte Jaguar in der Kabine. Zwar sieht das Grund-Layout ähnlich aus wie vorher, doch technisch hat sich einiges zum Teil nötige getan. Der F-Pace fährt zum Beispiel recht leise. Hierfür hat Jaguar ein Antischallsystem im Einsatz, das sich nur durch 3 bis 4 dBA ruhigeres Rauschen in der Kabine bemerkbar macht, mit abgedämpften Spitzen bis -10 dBA. Endlich gibt es etwas schnellere Infotainment-Hardware, sodass die Mittelkonsole zügig und flüssig reagiert. Die Sprachsteuerung kann nicht viel, versteht aber altmodisch in vorgegebener Struktur gesprochene Adressen hinreichend gut. Leider läuft auch das neue System nicht besonders stabil. Modulweise Ausfälle sind normal, was auch Android Auto betrifft. Dann läuft die Navigation auf dem Smartphone zwar weiter, der Jag-Bildschirm bleibt aber schwarz, die Navi-Ansagen stumm.

Am besten gefallen hat mir die HiFi-Anlage. Die kommt mit einer Bassdarstellung, wie ich sie selten in Serienautos erlebt habe – vielleicht, damit das Antischallsystem die tiefen Frequenzen besser ausnullen kann. Viele moderne, basslastige Musik klingt im Jag einfach toll, und die Grundabstimmung der Anlage gefällt mir für alle Musikarten.

Jaguar F-Pace 400e innen (14 Bilder)

Schickes, neues Infotainment-System
(Bild: Clemens Gleich)

Am Ende stören jedoch die Kompromisse. Für ein stimmiges PHEV-Konzept über Steuervorteile hinaus müsste der Verbrauch niedriger sein oder die Batterie größer. Eine solche Batterie würde obendrein die höheren Ladeleistungen bringen, die den CCS-Stecker rechtfertigen. Das unharmonische Anfahrverhalten und die Einkaufsausschüttrampe im Kofferraum runden den Eindruck ab, dass Jaguar dieses Konzept etwas halbgar ins Rennen schickte.

Persönlicher Tipp daher: Bei Interesse an einem Jaguar-SUV den Händler fragen, ob Sie einen Verbrenner-F-Pace und einen I-Pace zum Vergleich fahren dürfen vor dem Kauf. Diese Alternativen sind gute Autos mit weniger kantigen Kompromissen im Alltag.

Der Jaguar F-Pace 400e kostet ab 70.774 Euro.