Informationsfreiheit: Amtsträger sollen Chats und SMS dokumentieren

Die Informationsfreiheitsbeauftragten von Bund und Ländern fordern, jegliche relevante behördliche Kommunikation zu dokumentieren. Dazu gehören auch Messenger.

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Was hat Ursula von der Leyen im Chat mit dem Pfizer-CEO besprochen? Die EU-Kommission will das nicht verraten.

(Bild: EU-Kommission/Etienne Ansotte)

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Die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland (IFK) drängt auf einen modernen Kommunikationsbegriff bei der öffentlichen Hand. Auf seiner 42. Tagung, die am Donnerstag in Kiel endete, verabschiedete das Gremium unter anderem die Entschließung "SMS in die Akte". Es fordert damit die öffentlichen Verwaltungen in Bund und Ländern auf, "jegliche relevante behördliche Kommunikation auch über Kurznachrichten- und Messenger-Dienste sowie soziale Medien zu dokumentieren.

Insbesondere der Austausch von Mitgliedern der Regierungen sollen der Resolution zufolge künftig veraktet werden, "um den Informationszugang zu garantieren". Auch Behördenkommunikation über solche, weniger formellen Kanäle "kann eine amtliche Information sein", begründen die Informationsfreiheitsbeauftragten von Bund und Ländern ihren Appell. Grundsätzlich gelte, "dass alle wesentlichen Vorgänge, die ersichtlich für eine Entscheidung von Bedeutung sein können, zu den Akten zu nehmen sind".

"Der Staat muss bei der Nutzung von Kommunikationsmedien stets seine Dokumentations- und Informationspflichten erfüllen", heißt es in dem Beschluss. Die IFK moniert, dass gerade im Bereich von Direktnachrichten übers Handy und soziale Netzwerke eine ordnungsgemäße Ablage oft nicht erfolge und "so im Ergebnis relevante Informationen über das Regierungs- und Verwaltungshandeln" dem Recht auf Akteneinsicht entzogen würden.

Mit der Aufforderung reagiert die Konferenz vor allem auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Oktober. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) bestehe dem Gericht zufolge kein Anspruch auf Einsicht in Twitter-Direktnachrichten des früheren Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU), solange diese keinen offiziellen Charakter haben.

Solche Botschaften könnten durchaus amtliche Informationen im Sinne des IFG sein, erklärten die Richter aber auch. Dafür müsse aber "Aktenrelevanz" bestehen, wovon sie im konkreten Fall wegen des offenbar "bagatellartigen Charakters" des Austauschs nicht ausgingen.

Auf EU-Ebene tobt derweil der Streit, ob die SMS-Kommunikation zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und Pfizer-CEO Albert über die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen öffentlich zu machen ist. Die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly hatte hier schon 2020 betont, dass die europäischen Vorschriften für Informationsfreiheit nicht nur gedruckte und digitale Akten sowie E-Mails, sondern auch Kurznachrichten einschließen. Die Kommission bleibt aber bei ihrer Ansicht, dass es sich bei letzteren um nicht zu speichernde kurzlebige und flüchtige Informationshäppchen handelt.

Zudem reagiert die IFK auf die Weigerung der umstrittenen Stiftung Klima- und Umweltschutz MV aus dem Umfeld der Gaspipeline Nord Stream 2, Zugang zu dort vorgehaltenen Informationen zu gewähren. Das Gremium stellt in einer weiteren Resolution fest, dass bei Stiftungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, die Öffentlichkeit auch einen Anspruch auf Akteneinsicht hat. Das Recht auf Informationszugang dürfe nicht durch die Organisationsform als Stiftung bürgerlichen Rechts unterlaufen werden. Die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern hat mittlerweile beschlossen, die Einrichtung aufzulösen.

In der künftigen Arbeit der IFK soll das Thema "Informationsfreiheit by Design" eine wichtige Rolle spielen, kündigte die Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Marit Hansen, als aktuelle Vorsitzende des Gremiums an. Bereits 2019 begrüßten die Informationsfreiheitsbeauftragten in einem Positionspapier den Ansatz, Technik und Organisation der Daten der öffentlichen Hand von Anfang an und kontinuierlich diesem Grundsatz folgend zu gestalten.

Damit sollen die informationspflichtigen Stellen bei der Erfüllung eines Antrags sowie bei der Umsetzung von Veröffentlichungspflichten unterstützt werden. Der Ansatz erleichtert der IFK zufolge aber auch den Informationszugang für die Anfragenden. Da auf EU-Ebene sowie in Bund und Ländern verstärkt eine "Kultur des Datenteilens und Datennutzens" propagiert werde, gewinne das Prinzip an Bedeutung. Dabei müssten die rechtlichen Einschränkungen von Transparenz und Informationsfreiheit – etwa aufgrund von Personenbezug oder Geschäftsgeheimnissen – zuverlässig umgesetzt werden, um Datenpannen zu vermeiden.

Als Grundlage für die weitere Debatte will die Konferenz unter anderem Ausführungen des IT-Sicherheitsexperten Meiko Jensen zur "Datenreduktion vor Herausgabe von Informationen" und dem damit verknüpften Griff in den "Werkzeugkasten der Kryptographen" heranziehen. Auch das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) hat zu dem Bereich bereits Vorarbeit geleistet.

(mki)