Entlastung: Bundesregierung bringt Gas- und Strompreisbremse auf den Weg

Privathaushalte und Unternehmen sollen ab Januar von gedeckelten Preisen für Gas und Strom profitieren, "Zufallsgewinne" der Versorger abgeschöpft werden.

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(Bild: Skye Studio LK/Shutterstock.com)

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Das Bundeskabinett hat am Freitag im Umlaufverfahren ohne Sitzung vor Ort die Gesetzentwürfe für die Strom- sowie die Gas- und Wärmepreisbremsen angenommen. Damit sollen private Haushalte und Unternehmen mit einer günstigeren Basisversorgung von den stark gestiegenen Energiekosten entlastet werden. Die beiden Regierungsentwürfe haben das Bundeskanzleramt, das Bundesfinanzministerium und Ressort für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gemeinsam erarbeitet. Bundestag und Bundesrat müssen vor Jahresende noch zustimmen, damit die Initiativen Anfang 2023 greifen können.

Das Kabinett sieht vor, dass Strom-, Gas- und Wärmpreise für einen Anteil des Verbrauchs nach oben begrenzt werden und nicht mehr über diese Limits hinaus steigen dürfen. Die Preisbremsen gelten dem Plan nach von März 2023 an, damit werden aber auch rückwirkend die Kosten von Januar und Februar begrenzt. Die Entlastungen sollen so im gesamten Jahr 2023 und zunächst bis zum April 2024 gelten. Der Gesetzgeber hat ferner bereits eine Dezember-Einmalzahlung beschlossen, die Fernwärme- und Gaskunden zugutekommt.

Der Gesetzentwurf für die Gas- und Wärmepreisbremse sieht vor, dass für private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen mit einem Gas- und Wärmeverbrauch unter 1,5 Millionen Kilowattstunden (kWh) im Jahr sowie für Pflege-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen der Gaspreis im Geltungszeitraum auf 12 Cent brutto pro kWh begrenzt wird, für Wärme auf 9,5 Cent brutto. Dies gilt für 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs. Wer dieses Kontingent übersteigt, muss den vertraglich vereinbarten Regelpreis zahlen.

Für Industriekunden wird der Preis pro kWh Gas auf 7 Cent netto gedrückt. Bei Wärme liegt er bei 7,5 Cent netto. Die günstigeren Bedingungen gelten hier für 70 Prozent des Jahresverbrauchs im Jahr 2021.

Der Strompreis für private Verbraucher sowie den Mittelstand mit einem Stromverbrauch von bis zu 30.000 kWh pro Jahr wird laut dem zweiten Gesetzentwurf bei 40 ct/kWh brutto begrenzt. Aller Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte sollen eingeschlossen sein. Dies gilt hier ebenfalls für den Basisbedarf von 80 Prozent des prognostizierten Jahresverbrauchs. Für Industriekunden liegt die Grenze bei 13 Cent zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs.

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Hinzu kommen Härtefall-Regelungen für Haushalte, Unternehmen und Einrichtungen, die durch die steigenden Energiepreise in besonderer Weise betroffen sind. In Frage kommen hier etwa Mieter, Wohnungsunternehmen, soziale Träger sowie Kultur- und Forschungsinstitutionen. Erhalten einzelne Unternehmen insgesamt hohe Förderbeträge, müssen beihilferechtliche Vorgaben eingehalten werden.

Die vorgesehenen Entlastungen gelten der Regierung als "Herzstück des wirtschaftlichen Abwehrschirms" mit einem Volumen von insgesamt 200 Milliarden Euro. Daneben sollen Stromerzeugungsunternehmen durch "eine Abschöpfung von Zufallsgewinnen" an der Finanzierung beteiligt werden.

Bedingt durch das europäische Strommarktdesign erzielten viele Stromerzeuger, die für ihre Produktion statt Gas etwa auf die erneuerbaren Energien oder Kernkraft setzen, gegenwärtig unerwartet hohe Mehreinnahmen, erklärt die Exekutive dazu. Diese "kriegs- und krisenbedingten Zufallserlöse" sollen nun den Verbrauchern zugutekommen.

"Adressiert werden nur Gewinne in einer Höhe, mit der niemand gerechnet hat", versichert das BMWK. Die Exekutive setze damit die Vorgaben aus einer einschlägigen EU-Notfallverordnung um. Diese seien verbindlich und national anzuwenden. Abgeschöpft werden Zufallserlöse oberhalb einer festgelegten Obergrenze zu 90 Prozent. Die übrigen 10 Prozent bleiben beim Erzeuger, um "Anreize für effizientes Verhalten am Markt zu erhalten". Dieser Mechanismus soll schon am 1. Dezember starten. Die Laufzeit ist zunächst bis zum 30. Juni 2023 befristet, kann aber verlängert werden.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) forderte, dass beide Entwürfe "zum Teil erheblich nachgebessert werden" müssten. Sonst seien sie bis März 2023 gar nicht umsetzbar. Vor allem die Regeln zur Strompreisbremse für Haushalte müssten stark vereinfacht werden, damit Energieversorger und IT-Dienstleister sie fristgerecht implementieren könnten. Derzeit wären viele Systemanpassungen nötig, vor allem im Massengeschäft. Ferner würde mit der geplanten rückwirkenden Streichung der vermiedenen Netznutzungsentgelte für dezentrale Stromerzeugungsanlagen ein Erlösbestandteil wegbrechen, der bei Investitionsentscheidungen einkalkuliert worden sei.

Dem Fraktionschef der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, erscheinen dagegen die als Deckelbetrag vorgesehenen 40 Cent je kWh als viel zu hoch. Das sei eine Einladung zum Abkassieren, monierte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Tarife darunter werde es so kaum noch geben, "weil ab da der Staat zahlt". Die Versorger sollten sich ihre Preise daher vom BMWK genehmigen lassen müssen. Zudem würden etwa Villenbesitzer am stärksten profitieren, weil der Verbrauch entscheide. Dies habe eine "soziale Schlagseite".

(tiw)