Der US-Tiktok-Bann ist in dieser Form kolossaler Quatsch

Die US-Regierung will Tiktok verbieten. Doch der Restrict Act schießt genauso am Ziel vorbei wie die Anhörung im Kongress, meint Eva-Maria Weiß.

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(Bild: Primakov/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

"Hat Tiktok Zugriff auf die Kamera des Smartphones?" Diese Frage ist dem Tiktok-Chef Shou Chew bei der Anhörung im US-Kongress gestellt worden. Nun. Tiktok ist eine Video-App. Ein Vorwurf lautete, Tiktok würde den Akku verbrauchen. Ah. Ehrm. Ob Tiktok das Wlan nutze? Auch diese Frage bedürfte eigentlich keiner Beantwortung. Der Grund, weshalb Chew vorgeladen wurde, lässt sich mit dieser Frage zusammenfassen: "Speichert Tiktok Nutzerdaten und schickt sie an die chinesische Regierung?" Es ist nicht das erste Mal, dass Tiktok und das dahinterstehende Unternehmen Bytedance dies verneinen.

Ein Kommentar von Eva-Maria Weiß

Eva-Maria Weiß hat an der Universität Wien Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpsychologie studiert und arbeitet seither als Journalistin.

Konkret antwortet der Tiktok-Chef, die Daten würden alle nur auf Servern in den USA gespeichert und es gebe sogar eine Kontrolle, die beim Cloud-Anbieter Oracle liege. Ja. Aber. Technisch ist dennoch nach wie vor nicht auszuschließen, dass diese Daten in China landen. Diese Form der Befragung ist also gut gemeint, aber nicht wirklich gut gemacht. Und gleiches gilt für das geplante Gesetz, das Tiktok in den USA verbieten soll.

Durch den Restrict Act – wobei Restrict für "Risk Information and Communications Technology" steht – soll die Washington bestimmte ausländische Regierungen daran hindern können, in den USA verfügbare Dienste zum Nachteil für Amerikaner beziehungsweise deren Daten und damit die nationale Sicherheit zu nutzen. Die US-Handelsministerin wird darin befugt, Gefahren in Kommunikationstechnologien zu identifizieren und gegebenenfalls zu verbieten. Gina Raimondo hatte zu den vorherigen Plänen gesagt, so sehr sie Tiktok hasse, ein Gesetz, das nur diesen Dienst verbiete, könne sie nicht unterstützen. Fair enough. Hier kommt das aber:

Dieses Gesetz trifft dann freilich eine ganze Reihe von Diensten – bekanntermaßen sind auch längst Huawei und Kaspersky im Gespräch. Offen ist, wer noch alles folgt. Klarerweise trifft es dann nicht mehr nur China, sondern eben auch Russland und weitere Länder. Und das Gesetz soll sehr schwammig gefasst sein, sodass viel Spielraum ist, welche Dienste künftig in den USA erlaubt sind und welche nicht. Wie steht es etwa mit VPNs? Wäre Threema aus der Schweiz erlaubt? Telegram mit Sitz in Dubai? Ist dieses Fass erst geöffnet, lässt es sich nur schwer wieder schließen.

Tiktok entgegnet, ein Verbot würde einem Exportstopp amerikanischer Kultur und Werte gleichkommen. Auch wenn die Zweifel an Tiktoks Umgang mit Daten groß – und berechtigt – sind, die App und andere Anwendungen in dieser Form zu verbannen, halte auch ich für Quatsch. Die Globalisierung funktioniert nicht nur in eine Richtung. "Export ja, Import nein" fällt am Ende jedem Land auf die Füße. Stattdessen wäre es sinnvoller, sich um Gesetze bezüglich des Datenschutzes zu kümmern, die auch in den USA ansässige Unternehmen treffen.

Im US-Kongress gab es zudem Vorwürfe, Tiktok sei ein Umschlagplatz für Drogenhandel. Jugendliche würden außerdem lebensgefährlichen Trends folgen – etwa Hähnchen in Hustensaft kochen und dann essen, weshalb die Lebensmittelbehörde der USA vor langem (gähn) eine Warnung aussprach. Das sogenannte NyQuil-Chicken, benannt nach einem Hustensaft, ist zwar tatsächlich fast ausschließlich bei Tiktok aufgetaucht, wie ernst das schläfrig machende Hähnchen aber gemeint war, sei mal ganz grob dahingestellt. Gut, dass Instagram überhaupt kein Problem mit der Verbreitung von Tipps für Essstörungen hat. Ach nee, haben sie ja doch. Aber immerhin kommt Meta aus den USA und versucht dort – ernsthaft bemüht und dennoch verzweifelt – alle schädlichen Inhalte zu blockieren.

(emw)