Kernel-Log: Die Themen des Kernel Summit 2009, FatELF in der Kritik, neue Grafiktreiber

Auf dem diesjährigen Kernel Summit haben die Linux-Hacker um Linus Torvalds nicht nur den Entwicklungsprozess diskutiert, sondern bekamen auch einen Einblick, wie Google den Linux-Kernel hausintern einsetzt. Ulrich Drepper und Alan Cox halten Universal Binaries unter Linux für den falschen Weg. Gleich mehrere Grafiktreiber wurden kürzlich aktualisiert und bringen neue Funktionen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

In Tokyo, Japan fand Mitte Oktober der diesjährige Kernel Summit statt, auf dem geladene Kernel-Entwickler über die verschiedensten Themen rund um den Linux-Kernel und dessen Entwicklung austauschen. Von vielen auf dem Treffen diskutierten Themen hat Linux Weekly News wie üblich ausführliche Zusammenfassung veröffentlicht, die mittlerweile auch Nicht-Abonnenten von LWN.net zugänglich sind.

Wie jedes Jahr war etwa der Entwicklungsprozess einer der Hauptthemen. Mit linux-stable und Linux-next seien die Kernel-Entwickler laut dem dem LWN.net-Bericht weitgehend zufrieden – es wurde allerdings kritisiert, dass ein nicht unerhebliche Zahl von Patches nicht in linux-next waren, bevor sie in den Hauptentwicklungszweig einflossen. Die Kernel-Hacker erwägen in Zukuft einzelne, offenbar von niemandem mehr genutzte Kernel-Treiber in den Staging-Bereich für unreife, den Qualitätsansprüchen der Kernel-Entwickler nicht genügende Treiber zu verlagern; wenn sich dort niemand der Treiber annimmt, sollen sie einige Monate später ganz aus den Kernel-Quellen entfernt werden. Das sind nur einige der angesprochenen Punkte – wie der Bericht hervorhebt, scheint Linus Torvalds mit dem Entwicklungsprozess im Großen und Ganzen zufrieden zu sein, was bisher bei keinem der Entwicklertreffen der Fall gewesen sei.

Der Artikel "How Google uses Linux" beschäftigt sich ausführlich mit dem Kernel-Summit-Vortrag eines Google-Mitarbeiters, der den Einsatz von Linux beim Suchmaschinenriesen beschreibt. Google setzt demnach bislang auf eher ältere, nur selten aktualisierte Kernel, die umfangreiche Änderungen enthalten, um sie für die hauseigenen Nutzung zu optimieren. Viele dieser Verbesserungen hätten die Google-Entwickler nicht zur Integration in den Hauptentwicklungszweig eingesandt. Es gibt aber Bestrebungen, in Zukunft enger mit den Kernel-Entwicklern zusammenzuarbeiten.

Wie so häufig diskutierten die Kernel-Entwickler auch über das bestmögliche Vorgehen zum Verhindern von Regressions – also Problemen in neuen Kernel-Version, die deren Vorgänger nicht zeigten. Zur Sprache kamen auch Performance Regressions, nachdem Linus Torvalds kürzlich für viel Aufsehen gesorgt hatte mit der Aussage, der Kernel sei aufgebläht und riesig ("bloated and huge").

Im Rahmen des Kernel-Summits wurden ferner fünf Mitglieder des Technical Advisory Board (TAB) der Linux Foundation neu besetzt. Gewählt wurden: Jonathan Corbet von LWN.net, Greg Kroah-Hartman von Novell, Alan Cox von Intel, Thomas Gleixner von Linutronix und den an die Linux Foundation "ausgeliehenen" Theodore Y. Ts'o von IBM. Spaß hatten die Kernel-Entwickler im Rahmen des Summits offensichtlich auch – zumindest deutet darauf ein von Chris Schläger veröffentlichtes Foto stark hin, das Linus Torvalds in eindeutiger Pose an einem Verkaufsstand von Windows 7 zeigt. Ein Gruppenfoto der Summit-Teilnehmer findet sich bei LWN.net.

Ryan Gordon erregte kürzlich viel Aufmerksamkeit mit der Vorstellung des FatELF-Konzepts, das Universal Binaries unter Linux ermöglicht. Glibc-Maintainer Ulrich Drepper zeigt sich von der Idee auf einer Fedora-Mailingliste wenig begeistert: Das Ganze sei eine viele Umstände machende "Lösung" für ein Problem, das gar nicht existiere; er versteht nicht, warum Leute überhaupt darüber nachdenken ("It is a 'solution' which adds costs in many, many places for a problem that doesn't exist. I don't see why people even spend a second thinking about this.").

Gordon hat unterdessen einige FatELF-Kernel-Patches zur Begutachtung an die LKML gesandt. Dort sprach sich Alan Cox deutlich gegen die Aufnahme eines von ihnen aus. In einem Diskussionsbeitrag an anderer Stelle widmet sich das Linux-Urgestein den vermeintlichen Vorteilen von FatELF näher. Dabei legt er detailliert dar, warum diese in der Linux-Welt nicht von Bedeutung seien – Paket-Manager hätte die Probleme schon in den 90ern gelöst.

Weiter ungeklärt ist zudem, ob FatELF in der derzeitigen Form nicht Patente verletzt; Ryan Gordon sucht nach Hilfe, um dies zu klären und die Patente gegebenenfalls zu umgehen. [Update 20091104-1130] Die Diskussionen um FatELF scheinen Gordon demotiviert zu haben, denn laut einem seiner Finger-Updates erwägt er, das FatELF-Projekt einzustellen [/Update]

  • Ein Entwickler schlug kürzlich vor, das vor einigen Monaten von David Miller übernommene IDE-Subsystem als "deprecated" (veraltet, missbilligt) zu kennzeichnen, um die Leute zum Umstieg auf die moderneren Treiber des Libata-Subsystem zu bewegen. Vieles deutet darauf hin, dass der Vorschlag umgesetzt werden wird, nur wann wird noch diskutiert.
  • Die bei Linux 2.6.29 in den Staging-Bereich des Kernels aufgenommenen Android-Treiber fliegen möglicherweise wieder raus, weil die Google-Entwickler diese nicht mehr betreuen würden. Ein Google-Mitarbeiter kündigte allerdings an, dass sich die Programmierer langfristig wieder um die Aufnahme in den Hauptbereich des Linux-Kernels bemühen wollen.
  • Die Entwickler des Grub-Projekts haben kürzlich die Version 1.97 des Boot-Loaders Grub2 freigegeben. Sie kann nun die Kernel verschiedener BSD-Derivate laden, unterstützt x86-64-EFI und bietet Verbesserungen für GPT; Datenträger lasen sich zudem nun auch via UUID ansprechen.
  • Die aktuellsten Stable-Kernel sind die am 23. Oktober veröffentlichten Versionen 2.6.27.38 und 2.6.31.5.
  • Kernel-Entwickler Rusty Russell arbeitet in Zukunft verstärkt an Samba, will aber die Virtio-Treiber weiter betreuten.
  • Nachdem es um die Aufnahme der für viele Fernbedienungen genutzten Lirc-Treiber in den Hauptentwicklungszweig von Linux lange still war, nimmt Jarod Wilson nun einen neuen Anlauf.
  • Neil Brown, Betreuer des MD-Codes im Kernel, hat die Versionen 3.0.3 und 3.1.0 von mdadm freigegeben. Während erstere kleinere Verbesserungen und Fehlerkorrekturen bringt, bietet Letztere zahlreiche neue Möglichkeiten zum Aus- und Umbau eines Software-RAIDs. So lässt sich mit ihr nun ein RAID 1 in ein RAID 5 und von da in ein RAID 6 und wieder zurück verwandeln; RAIDs der Level 4, 5 und 6 lassen sich zudem verkleinern. Einige dieser Funktionen benötigen jedoch sehr neue oder noch gar nicht veröffentlichte Kernel-Versionen. Anwender sollen die Version 3.1.0 allerdings nur einsetzen, wenn sie diese Funktionen benötigen oder die neue Version testen wollen. Brown hat in der Zwischenzeit bereits einige Fehler gefunden und will diese mit Version 3.1.1 ausräumen – er erwartet, diese zur allgemeines Nutzung empfehlen zu können.

Ende vergangener Woche hat Nvidia die Version 190.42 der proprietären Grafiktreiber für x86-32- und x86-64-Linux veröffentlicht. Zu den Neuerungen zählt Unterstützung für OpenGL 3.2, X-Server 1.7.0 RC1 und zahlreiche neue Grafikkarten-Modelle; einige Verbesserungen gab es zudem für das Video Decode and Presentation API for Unix (VDPAU). Über den Treiber lässt sich nun auch die Lüftersteuerung und das Stromsparverhalten ("GPU PowerMizer Mode") beeinflussen.

Bereits einige Tage zuvor hatte auch AMD eine neue, als 9.10 bezeichnete Version seiner proprietären Linux-Grafiktreiber veröffentlicht. Zu den Neuerungen zählt die vorläufige Unterstützung ("Early Look Support") des mit Linux-Kernel 2.6.31 ausgestatteten Ubuntu 9.10. Die Release Notes listen zudem eine Reihe von Fehlern, die mit der neusten Treibern nicht mehr auftreten sollen.

Die Intel-Entwickler haben derweil die Version 2.9.1 der quelloffenen Treiber für Grafikchipsätze des Intel veröffentlicht, die im wesentlichen Fehlerkorrekturen bringt. Bereits kurz nach dem letzten Kernel-Log hatten die Entwickler des Treibers radeonhd dessen Version 1.3.0 freigegeben. Treiber-Entwickler Matthias Hopf listet in einem Blog-Eintrag die wichtigsten Neuerungen wie die Unterstützung für neuere Radeon-Modelle, HDMI-Audio und einige Stromsparfunktionen von Radeon-Grafikhardware. Welche Änderungen und Verbesserungen es im letzten halben Jahr am Nouveau-Treiber für Nvidia-Grafikhardware gab, fasste Ben Skeggs derweil in seinem Blog zusammen.

  • Peter Hutterer hat in einem Blog-Eintrag nochmal die wichtigsten Neuerungen des kürzlich veröffentlichten X11R7.5 (Xorg 7.5) zusammengefasst. Zu ihr gehört die Version 1.7.1 des X-Servers, die zahlreiche Fehler der Anfang Oktober veröffentlichten Version 1.7.0 ausräumen soll.
  • Nachdem KMS (Kernel-based Mode-Setting) bereits einen weitgehend flackerfreien Startvorgang ermöglicht, sollen Systeme mit kooperativem BIOS und einigen von Jesse Barnes vorgestellten Patches vollkommen flackerfrei starten.
  • Verschiedene Entwickler haben in den vergangenen Tagen die Tabelle im X.org-Wiki erheblich verändert, die den Funktionsumfang der X-Treiber für Radeon-Hardware auflistet; neu ist eine Spalte für die auf der Radeon-HD-5000-Serie verbauten Evergreen-GPUs, entfernt wurden die Spalten für den Treiber radeonhd.
  • Ein bei Nvidia an den proprietären Linux-Grafiktreibern arbeitender Programmierer gab kürzlich in einem Interview bei Phoronix einige Einblicke zu den Treibern, deren Entwicklung und dem Stellenwert der Treiber im Unternehmen.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich in den vorangegangenen Ausgaben des Kernel-Log (thl). (thl)