Schwarz-Gelb sucht übergreifende Regeln fürs Internet

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition will netzpolitisch aufrüsten: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist mit einem Entwurf für einen Antrag zur Einsetzung einer Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" vorgeprescht. Diese soll nun gemeinsam mit dem Koalitionspartner beraten werden.

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Von
  • Stefan Krempl

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition will netzpolitisch aufrüsten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist dafür mit einem Entwurf für einen Antrag zur Einsetzung einer Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" vorgeprescht, der nun gemeinsam mit der FDP beraten wird. Mit der überfraktionellen Arbeitsgruppe soll der Bundestag gemäß den Plänen der Union "gründlich die Herausforderungen und Entwicklungschancen der digitalen Informationstechnologien und speziell des Internets untersuchen". Das Netz wird dabei prinzipiell als "das freiheitlichste und effizienteste Informations- und Kommunikationsforum der Welt" angesehen, das "maßgeblich zur Entwicklung einer globalen Gemeinschaft beiträgt".

Der Bundestag widmete sich zuletzt in einer 1995 eingesetzten übergreifenden Expertenkommission dem "Weg Deutschlands in die Informationsgesellschaft". Dabei ging es um Aspekte wie den Schutz der Autoren und die Fortentwicklung des Urheberrechts, die Kryptoregulierung und Verschlüsselungsfreiheit oder die Zukunft beziehungsweise das mögliche Ende der Medienpolitik. Nach 15 Jahren "rasanter technologischer Entwicklung" sehen die federführenden Abgeordneten nun dringenden Nachholbedarf bei der Weiterentwicklung der Netzpolitik. Schließlich habe die Verbreitung des Internet bereits gesellschaftliche Veränderungen bewirkt, "die mit der Erfindung des Buchdrucks vergleichbar sind und genauer betrachtet werden sollten".

Das Netz sei nicht nur länger eine technische Plattform, sondern entwickele sich zu einem "integralen Bestandteil des Lebens vieler Menschen", heißt es in dem heise online vorliegenden Entwurf. Gesellschaftliche Veränderungen fänden inzwischen "maßgeblich im und mit dem Internet statt". Die Nutzer benötigten daher neue Kenntnisse und Fähigkeiten, zu denen etwa die Auswahl, Einordnung und Bewertung der nahezu unbegrenzt zur Verfügung stehenden Informationen zählten.

Dem Staat kommt laut dem Papier die Aufgabe zu, "das Internet als freiheitliches Medium zu schützen sowie seine Funktionsfähigkeit und Integrität als öffentliches Gut zu gewährleisten". In autoritär geführten Staaten sei zu beobachten, "welche Chancen für Demokratie und Meinungsfreiheit das Internet birgt, wenn klassische Medien zensiert und staatlich kontrolliert werden". Für die Bürger, Wirtschaft und Wissenschaft sei ein freier, ungehinderter Zugang zum Internet von großer Bedeutung. Die Grundrechte und in besonderem Maße das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informelle Selbstbestimmung müssten durch den Staat gewahrt und ihre Durchsetzbarkeit gesichert werden. Der Rechtsrahmen sei auch der digitalen Gesellschaft anzupassen, "um starke Verbraucherrechte zu gewährleisten".

Nachbesserungsbedarf sieht der Entwurf beim Jugendschutz. "Kinder und Jugendliche, die mit den neuen Technologien des digitalen Zeitalters aufwachsen (Digital Natives), nutzen diese anders als die Generation ihrer Eltern (Digital Immigrants)", wissen die Antragsteller. Dennoch müsste die junge Generation "auf mögliche Gefahren der digitalen Gesellschaft vorbereitet, ihre Fragen beantwortet und zu einem sicherheitsbewussten Verhalten hingeführt werden". Dabei sei man sich aber bewusst, dass die Risiken durch Verbote oder technische Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden könnten. Nicht zuletzt sei es Aufgabe von Politik und Gesellschaft, "eine digitale Spaltung" zu verhindern und allen Menschen den Zugang zum Internet zu erleichtern.

Konkret in die Aufgabenstellung der Kommission mit aufgenommen werden sollen Punkte wie die "Stärkung des Bewusstseins für den Wert geistigen Eigentums", Maßnahmen zur digitalen Sicherung des kulturellen Erbes oder die Erhaltung und Sicherung von Medien- und Meinungsvielfalt. Auf dem Programm steht ferner die "Sicherung eines funktionsfähigen Wettbewerbs zur Vermeidung marktbeherrschender Stellungen einzelner Unternehmen" und die umwelt- und ressourcenschonende Gestaltung der Informationstechnik unter dem Stichwort Green IT. Auch über Initiativen zum freien Zugang zu den Ergebnissen staatlich finanzierter Forschung über den "Open Access"-Ansatz, die Weiterentwicklung offener Standards und Normen sowie Strategien für einen freien Zugang zu staatlichen Informationen ("Open Data") soll nachgedacht werden. Bedrohungen durch Computerkriminalität, Terrorismus oder Sabotage gehören genauso zum Spektrum wie der Datenschutz oder die künftige Gestaltung von E-Government.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Sebastian Blumenthal begrüßte gegenüber heise online das Vorhaben der Koalition. Der Großteil der Planungen bestehe auf Aussagen des Koalitionsvertrags und stelle eine Arbeitsgrundlage für das weitere Vorgehen dar, das momentan auf Ebene der Fraktionsspitzen besprochen werde. Die geplante Kommission sei auch keine Konkurrenzveranstaltung zu der sich noch nicht ganz in trockenen Tüchern befindlichen erneuten Einrichtung eines Unterausschusses Neue Medien. Der IT-Experte sieht in beiden Gremien eine gute Ergänzung, da eine Enquete-Kommission übergeordnete Fragestellungen bearbeite und der Unterausschuss konkrete netzpolitische Handlungsfelder und das "Tagesgeschäft" beackern könnte.

Auch die Grünen wollen den Vorstoß prinzipiell mittragen. "Schon seit längerem machen wir uns dafür stark und fordern neue Räume der Diskussion für dieses wichtige Zukunftsthema", erklärten der netzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, und Malte Spitz, Mitglied des Bundesvorstandes der Oppositionspartei. Die Einrichtung einer solchen Kommission sei ein "überfälliger Schritt". Die Regierungskoalition dürfe damit "aber nicht Entscheidungen verschieben" und die aktuelle Netzpolitik "in den Schlummerschlaf versetzen". Es sei bitter nötig, Korrekturen an einer bisherig verfehlten Linie vorzunehmen, die mit heimlichen Online-Durchsuchungen, Vorratsdatenspeicherung oder Web-Sperren zu lange "die Reglementierung und Überwachung des Netzes" in den Vordergrund gestellt habe. Aus Sicht der Grünen wäre es wünschenswert, über Mittel der E-Partizipation möglichst vielen Interessierten die Möglichkeit zu geben, sich an der wichtigen, zunächst aber auf Abgeordnete und Sachverständige begrenzten Debatte zu beteiligen. (jk)