Nord Stream Sabotage: Deutschland kannte ukrainische Pläne für Anschlag

Ukrainische Militärs sollen für Juni 2022 einen Anschlag auf Nord Stream 1 geplant haben. Deutsche Dienste und Abgeordnete wussten es. Es krachte im September.

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Luftaufnahme eines großen Gaswirbels im Meer

Der Anschlag auf Nord Stream führte im September 2022 zu Gasaustritt in der Ostsee.

(Bild: Schwedische Küstenwache)

Lesezeit: 4 Min.

Eine ukrainische Spezialeinheit soll Pläne für einen Anschlag auf die Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 im Juni 2022 geschmiedet haben, diese Pläne dann aber auf Eis gelegt haben. Das habe ein europäischer Geheimdienst von einem ukrainischen Informanten erfahren und im Juni 2022 dem US-Geheimdienst CIA (Central Intelligence Agency) sowie einem deutschen Geheimdienst mitgeteilt. Die CIA habe die Informationen noch im selben Monat ebenfalls an Deutschland sowie andere europäische Länder weitergeleitet. Das berichtet die Washington Post.

Während die CIA noch kein Vertrauen in den neuen ukrainischen Informanten gefasst hatte, glaubte der europäische Geheimdienst damals den Angaben. Der deutsche Geheimdienst soll laut dem Zeitungsbericht noch im Juni 2022 Bundestagsangehörige über die ukrainischen Anschlagspläne informiert haben – wahrscheinlich ist ein Bericht an das Parlamentarische Kontrollgremium gemeint. Doch der Anschlag erfolgte nicht – bis zum 26. September 2022, und dann gleich größer: Damals beschädigten Unterwasserexplosionen mit der Sprengkraft hunderter Kilo TNT beide Stränge der Pipeline Nord Stream 1 sowie einen von zweien der Pipeline Nord Stream 2 schwer.

Die Pipelines gehören mehrheitlich der Russischen Föderation, die seit im Februar 2022 versucht, durch einen großen Angriffskrieg die Ukraine zu annektieren. Diese völkerrechtswidrige Attacke führte zu Sanktionen der EU gegen Russland, das daraufhin die Gaslieferungen über Nord Stream einstellte. Dennoch war im September Gas in den Pipelines, als diese beschädigt wurden. Die vierte Nord-Stream-Strang würde grundsätzlich funktionieren, doch hat Deutschland nie eine Betriebserlaubnis erteilt.

Die Generalbundesanwaltschaft, die im Oktober 2022 die Ermittlungen in Deutschland übernommen hat, geht davon aus, dass staatliche Akteure die Täter sind. Im Mai 2023 erhärteten sich die Spuren in die Ukraine. Die jetzt bekannt gewordenen Anschlagspläne sind ein weiteres Indiz, aber kein Beweis, dass die Ukraine für den Anschlag verantwortlich ist, auch wenn deren Regierung dies in Abrede stellt. Militärs schmieden zwar laufend verschiedene Pläne, von denen nur ein Bruchteil zur Ausführung gelangt. Allerdings sollen sich der erfolgte Anschlag und die ukrainischen Pläne stark ähneln.

Nord Stream läuft von Russland über die Ostsee nach Deutschland und diente dem Gasexport des staatlichen russischen Energiekonzerns Gazprom.

(Bild: Frame Stock Footage / Shutterstock.com)

Gefunden hat die Washington Post den Bericht des europäischen Geheimdienstes an die CIA in jenen geheimen Unterlagen, die ein niederrangiger Angehöriger der Massachusetts Air National Guard in einem geschlossenen Discord-Chat veröffentlicht haben soll. Jack T. ist unter dem Vorwurf der Verstöße gegen das US-Spionagegesetz Espionage Act of 1917 angeklagt (USA v. Jack Douglas Teixeira, US-Bundesbezirksgericht Massachusetts, 23-CR-4293). Der Mann, der auch rassistische, antisemitische sowie schwulenfeindliche Inhalte geteilt haben dürfte, soll versucht haben, seine Online-Bekanntschaften durch die Preisgabe geheimer Unterlagen zu beeindrucken. Mindestens ein Chat-Teilnehmer hat die Dokumente weiterverbreitet, im April wurde T. für die Pentagon-Leaks verhaftet und angeklagt.

Laut dem europäischen Geheimdienstbericht sei nur eine kleine Gruppe ukrainischer Militärs mit den Plänen befasst gewesen. Sie sei unter direktem Befehl des ranghöchsten ukrainischen Militäroffiziers gestanden, während Staatspräsident Wolodymir Zelensky nicht eingeweiht war. Das Vorhaben sollte noch im Juni 2022 umgesetzt werden, wurde aber aus unbekannten Gründen gestoppt.

Die ukrainischen Pläne sollen vorgesehen haben, dass sechs Angehörige einer ukrainischen Spezialeinheit mit falschen Identitäten ein Boot mieten würden. Mit einem Tauchfahrzeug, Sauerstoff, Helium und Sprengstoff würden sie abtauchen und die Pipeline Nord Stream 1 zerstören.

Die deutsche Generalbundesanwaltschaft hat erhoben, dass sechs Personen – darunter mindestens ein Angehöriger der ukrainischen Streitkräfte – unter falschen Identitäten mit einer kleinen, gemieteten Segeljacht namens Andromeda im September aus Deutschland in See gestochen sind und den Sprengstoff sowohl an Nord Stream 1 als auch Nord Stream  2 platziert haben.

(ds)