EU-Ratsspitze will "digitalen Binnenmarkt" schaffen

Die spanische EU-Ratspräsidentschaft hat eine "Granada-Strategie" für ein "digitales Europa" ausgearbeitet. Bürgerrechtler monieren, dass das Papier die Netzneutralität nicht ausreichend, das Copyright dagegen zu stark schütze.

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Die spanische EU-Ratspräsidentschaft hat eine "Granada-Strategie" für ein "digitales Europa" ausgearbeitet. Grundanliegen des 37-seitigen Papiers (PDF-Datei), das die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net veröffentlicht hat, ist die Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft bis 2015. Der Fünfjahresplan sieht unter anderem vor, einen echten "digitalen Binnenmarkt" für Inhalte und Dienste zu schaffen. Auf der Infrastrukturebene soll der Aufbau und das Investment in neue Breitbandnetze der nächsten Generation befördert werden. Um das Vertrauen der Bürger in E-Commerce, E-Government und E-Health zu stärken, wollen die Spanier zudem eine "Charta der Bürgerrechte" für die digitale Welt ausarbeiten.

Für das Voranbringen der vielbeschworenen "Next Generation Networks" hält die Initiative einen "in sich geschlossenen und voraussagbaren Regulierungsansatz" mit "passenden" Anpassungsperioden für nötig. Die Risiken von Investoren müssten stärker bedacht, flexible Rahmenbedingungen für ihre Teilung erarbeitet werden. Vereinbarungen zwischen Betreibern zu gemeinsamen Infrastrukturprojekten seien einfacher zu gestalten. Während die Ratspräsidentschaft hier mit einer weiteren Liberalisierung der Regulierung im Gegensatz zur jüngsten Novellierung des Telecom-Pakets liebäugelt, will sie andererseits den Breitbandzugang als "Universaldienst" definieren und so neue Auflagen für Provider schaffen.

Gleichzeitig drängen die Spanier auf eine "größere Flexibilität" bei der Nutzung des Rundfunkspektrums. So soll ein "Zweitmarkt" für den Frequenzhandel geschaffen werden, um den Zugang neuer Betreiber zu Funkdienstleistungen zu verbessern. Das EU-Parlament hatte entsprechenden Bestrebungen in der Debatte über die Neuregulierung des Telekommunikationsmarkts im vergangenen Jahr noch im Hinblick auf den Allgemeingut-Charakter des Spektrums eine Absage erteilt. Zudem sollen gemäß dem Vorstoß auch nach der Aufteilung der "digitalen Dividende" aus dem Rundfunkbereich mehr Funkwellenbereiche dem TK-Sektor zur Verfügung gestellt werden.

Bei der Sicherung der Netzneutralität sieht die Ratsführung im Gegensatz zur US-Regierung wenig Handlungsbedarf. Die gegenwärtige Debatte über die Festschreibung des offenen Prinzips des Internet sei hauptsächlich Bemühungen geschuldet, den "Konvergenzprozess" abzufedern und den bestehenden Regulierungsrahmen beizuhalten. Dieser sei nun so an die geänderten Bedingungen anzupassen, dass allein "Transparenz" und "minimale Qualitätsanforderungen" gewährleistet werden müssten. Ansonsten reiche es aus, den Wettbewerb sicherzustellen. Andererseits drängt das Papier im Kapitel zur internationalen Regulierungspolitik und zur weiteren Mitarbeit beim Internet Governance Forum (IGF) darauf, die Offenheit und das "End-to-End"-Prinzip des Internets beizubehalten und übernimmt damit Kernforderungen der Verfechter von Netzneutralität.

Weiter fordert der Vorstoß eine Förderung der Innovationskraft vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Verbesserung von Datenschutz und ­-sicherheit im Internet. In diesem Rahmen sollen auch Initiativen zur "elektronischen Identifikation" einschließlich neuer Ausweispapiere vorangetrieben werden, wobei aber der Schutz der Privatsphäre zu beachten sei. Zu konkreten Inhalten der geplanten Manifestierung der Rechte von Nutzern elektronischer Kommunikationsdienste schweigt sich die Initiative ansonsten aus. Recht allgemein behandelt sie auch Punkte wie einen Aktionsplan für "Open Government" und "Green IT". Beim letzteren Punkt soll eine global akzeptierte Definition nachhaltigen Wachstum gefunden, Telearbeit und Kommunikation per Videokonferenz gefördert und der Energieverbrauch in Gebäuden durch intelligente Netze und Sensoren reduziert werden.

Für den digitalen Binnenmarkt schlagen die Spanier etwa einen Abbau noch bestehender nationaler Grenzen, eine Unterstützung von "Wissenszentren" und Produzenten digitaler Inhalte sowie die Verwendung "offener Software und Standards" vor. Größeren Raum nimmt eine weitere "Harmonisierung" von Rechten an immateriellen Gütern ein. So sollen Aktionen lanciert werden, um einen "größeren Schutz geistigen Eigentums" zu erreichen. Dabei sei das Recht auf Privatsphäre und freie Meinungsäußerung aber "voll" zu berücksichtigen. (pmz)