re:publica: Globale Regeln fürs Netz umstritten

Eigentlich müssten die Seiten von US-Datensammlern wie Google oder Facebook von der EU gesperrt werden, hieß es bei Datenschutzexperten auf der Internetkonferenz re:publica. Andererseits dürfe das Netz nicht "zerstückelt" werden.

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Angesichts immer wiederkehrender Forderungen nach einer "Internet-Charta" und globalen Regeln fürs Netz diskutierte die auf der Konferenz re:publica versammelte Gemeinde von Bloggern, Twitterern und anderen Netizens am heutigen Mittwoch in Berlin über die Macht von Staaten und Konzernen in der digitalen Welt. Eine dabei behandelte Frage war, wie man US-amerikanischen Datensammler die Einhaltung europäischer Vorstellungen zur Sicherung der Privatsphäre schmackhafter machen könnte. Prinzipiell müssten Datenschutzbeauftragte des alten Kontinents längst Sperren fordern für Facebook, Google und Co., erklärte Ralf Bendrath, Datenschutzforscher bei den Grünen im EU-Parlament, in diesem Zusammenhang. Deren Seiten hielten sich nicht an europäische Datenschutzbestimmungen und "müssten daher eigentlich blockiert werden". Gleich löschen könne man sie schließlich kaum.

Bisher traue sich niemand, vergleichbare Vorhaben ins Gespräch zu bringen, verdeutlichte Bendrath seine Haltung. Auch er selbst wolle nur auf ein prinzipielles Dilemma der Rechtsdurchsetzung im globalen Internet hinweisen. Dieses gelte für deutsche Datenschützer genauso wie etwa für chinesische Zensoren. Ein echter Lösungsansatz dafür zeichne sich nicht ab, da das Netz "nicht zerstückelt" werden sollte. Staaten und Konzerne lieferten sich derzeit aber eine Schlacht um die Herrschaft im Cyberspace.

Allseits versuchen, erklärte Bendrath, zum einen Regierungen, ihre Territorialansprüche im Netz geltend zu machen und dabei etwa auf die nationalen Niederlassungen großer Internetfirmen oder auf Zugangsanbieter in ihrem Land zurückzugreifen. Die "große Firewall" Chinas sei dafür das beste Beispiel, dem die EU-Kommission jetzt mit ihrer Initiative für einen " Schengen-Raum im Internet " unter dem Aufhänger der Bekämpfung von Kinderpornographie nacheifere. Parallel gehe es Brüssel und Washington darum, Informationen in den Händen privater Akteure für die Strafverfolgung anzuzapfen und etwa über das Stockholm-Programm zur inneren Sicherheit eine "Vorratsdatenspeicherung für alles" einzuführen. Internetkonzerne drängten zum anderen auf den "freien Informationsfluss", in den sie personenbezogene und schützenswerte Daten gleich mit einbezögen.

Für Andreas Schmidt, Forscher im Bereich Internetsicherheitspolitik an der TU Delft, lautet die Herausforderung angesichts dieser Zwickmühle, "Mechanismen zu finden, die die Gefahr der Kooperation zwischen Staaten und Providern zulasten der Bürger abfedern können". Frei nach dem Philosophen Karl Popper setzte er sich dafür ein, "technische Infrastrukturen so aufzubauen, dass unfähige und unredliche Machthaber damit keinen Schaden anrichten können".

Globale Regulierungsmaßstäbe fürs Internet zu finden, bleibt auch nach Ansicht der E-Government-Expertin der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Annette Mühlberger, eine schwierige Angelegenheit. Dies habe man bei der Domainverwaltung ICANN bezogen auf einen speziellen Sektor versucht, sei damit aber nur mäßig erfolgreich gewesen. Es sei am besten, sich unterhalb dem Aufbau von Regelwerken im rechtlichen Sinne auf flexible Standards zu verständigen. Zudem müssten zunächst bestehende allgemeine rechtliche Normenwerke wie internationale Menschenrechtsdeklarationen konsequent auf die Informationsgesellschaft angewendet werden. Vor allem Unternehmen würden diese derzeit teils völlig ignorieren. Einrichtungen wie das Internet Governance Forum (IGF) seien ferner hilfreich, um einen möglichen globalen Regelungsbedarf abzustecken. Nicht zuletzt müssten Alternativen für virtuelle Gemeinschaften und Netzwerke entwickelt werden, bei denen die Daten wirklich den Nutzern gehörten. (jk)