EU-Rat nickt neue Regelungen zum Schutz geistigen Eigentums ab

Die Mitgliedsstaaten müssen die umstrittene Durchsetzungsrichtlinie rund um Urheber-, Patent- und Markenrecht nun innerhalb von zwei Jahren umsetzen.

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Der Rat der Europäischen Union hat am Dienstagabend die umstrittene "Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum" verabschiedet. Eine Debatte unter den Ministern der Mitgliedsstaaten, die in dem Gremium vertreten sind, fand erwartungsgemäß nicht mehr statt: Die für das Gesetz zuständigen Berichterstatter des Europäischen Parlaments hatten sich bereits vor der Ersten Lesung mit dem Ministerrat abgestimmt, sodass das rasche Passieren aller Instanzen weitgehend vorgezeichnet war. Gemeinsames Interesse vieler Parlamentarier und des Rats war es, die komplexe Richtlinie noch vor der EU-Osterweiterung an diesem Wochenende durchzubringen und die Neuankömmlinge im Bereich der Durchsetzung von Urheber-, Patent- oder Markenrechten vor beschlossene Tatsachen zu stellen.

Ziel der Richtlinie sollte es nach Willen der EU-Kommission ursprünglich sein, Inhabern und Verwertern von Urheber- und Markenrechten scharfe Sanktionsmittel gegen kommerzielle Fälscher und Produktpiraten in die Hand zu geben. Die Musik- und die Filmindustrie erkannte in dem Vorstoß aus Brüssel jedoch rasch ihre Chance, die drastischen Strafen des Entwurfs auch gegen Privatkopierer, CD-Brenner und die Nutzer von Online-Tauschbörsen in Stellung zu bringen. So wurde der Geltungsbereich der Richtlinie deutlich aufgebohrt. Er beschränkt sich nicht mehr auf kommerzielle Verstöße, sondern macht illegales Kopieren generell zur Straftat.

Bürgerrechtler und Verbraucherschützer waren beim Parlamentsvotum vor sieben Wochen knapp mit ihrem Plan gescheitert, dem Regelwerk durch Änderungsanträge einzelner Abgeordneten noch Steine in den Weg zu legen. Ihre Kritik an der Richtlinie halten sie aufrecht: "Das gesamte System des geistigen Eigentums wird auf den Kopf gestellt", warnte Andreas Dietl von der "European Digital Rights"-Initiative (EDRi) im Gespräch mit heise online. Von einem "fairen Interessenausgleich" könne künftig keine Rede mehr sein. Eingrenzende Faktoren wie "Intentionalität" oder "Erwerbszweck", die den normalen Nutzer und Privatkopierer vor rigiden Strafen und Verfolgungen durch die Rechtsinhaber schützen, seien in der Richtlinie vielfach aufgegeben worden.

Die alten und neuen EU-Mitgliedsstaaten werden nach der nun anstehenden formalen Veröffentlichung des Gesetzes im Amtsblatt der Union zwei Jahre Zeit haben, um die getroffenen Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen. "Dabei wird es spannend, welche Blüten die Richtlinie treiben wird", zeigt sich Dietl alarmiert. Eine der Hauptfragen besteht seiner Ansicht darin, ob in den europäischen Staaten auch eine Art Privatpolizei unter dem Kommando der Rechteinhaber wie in den USA gemäß der Bestimmungen des Digital Millennium Copyrights Act (DMCA) zugelassen würde. Entsprechende Möglichkeiten gibt die Direktive, die hauptsächlich auf das Lobbying der Musik-, Software- und Filmindustrie in Brüssel hin ausgearbeitet wurde, zur Verfolgung von Rechtsverletzungen unter anderem über Artikel 8 in die Hand.

Insgesamt erwartet Dietl, dass viele Mitgliedsstaaten die neuen Bestimmungen in "trockenen" und wenig durchschaubaren Artikelgesetzen mit Einzelregelungen etwa zum Urheberrechts- und Patentgesetz umzusetzen versuchen. In Deutschland kommen die neuen Vorgaben aus Brüssel wohl zu spät, um noch vom so genannten "zweiten Korb" der Urheberrechtsnovellierung berücksichtigt zu werden. Aus dem federführenden Bundesjustizministerium war zumindest bereits zu hören, dass man dafür wohl einen "dritten Korb" brauche.

Während sich Vertreter der Nutzer und der Unterlassungsansprüche fürchtenden Internetprovider besorgt zeigen, begrüßen Vertreter der Rechteindustrie den Schritt zur Vollendung der Richtlinie. "Die EU hat verstanden, wie ernst das Piraterieproblem ist", lobt etwa Francisco Mingorance, Lobbychef der Business Software Alliance in Brüssel. Die EU-Richtlinie eröffne eine Reihe von zivilrechtlichen Möglichkeiten, mit denen das Piraterieproblem angegangen werden könnte. Dazu gehörten Durchsuchung, Beschlagnahmung und einstweilige Verfügung. Sie erlaube es Richtern auch, die Herausgabe von Kontaktdaten von Mittätern bei der Vervielfältigung und Verbreitung von Raubkopien zu fordern. Mit diesem umfangreichen Instrumentarium sind die Rechteinhaber allerdings nicht zufrieden: Mingorance mahnt eine "einheitliche strafrechtliche Regelung zum Schutz geistigen Eigentums" an, um die im Abstimmungsprozess über die Richtlinie noch gestoppte durchgehende Kriminalisierung von Rechtsverletzern voranzutreiben.

Eine ausführliche Beschreibung der neuen Regelungen bringt c't im aktuellen Heft:

  • P2P, Patente Piraten -- Die EU und der Schutz des geistigen Eigentums, c't 9/2004, S. 46

(Stefan Krempl) (jk)