Auf Kante gebügelt: Fahreindrücke im VW Jetta

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Nizza, 17. Januar 2011 – Damit das vor vorne herein klar ist: Der Jetta ist kein Golf! VW legt Wert auf diese Feststellung, um ihn imagemäßig eigenständiger als bisher zu positionieren. Und tatsächlich: Der Jetta steht vor uns im sorgfältig gebügelten Maßanzug, mit einer Körperhaltung, die dem Niedersachsen gut ansteht. In den USA war der Jetta bisher das erfolgreichste europäische Auto, was den deutschen Kunden freilich egal sein kann. Sie müssen mit anderen Argumenten von einer Stufenhecklimousine überzeugt werden, etwa mit dem längeren Radstand, der den Jetta beim Innenraum fast auf Passat-Niveau hievt. Beim Fahren neuen Jetta, der ab 21. Januar verkauft wird, haben wir noch ein paar weitere Unterschiede gefunden, die einer etwas arrivierteren Klientel durchaus entgegenkommen.

Mehr Radstand als beim Golf

Die Front des Jetta ähnelt dem Golf sehr stark. Die Ecken und Kanten sind allerdings noch etwas strenger ausgearbeitet, so etwa an der Frontschürze oder den Scheinwerfern. Seitlich verblassen die Erinnerungen an den Stammvater nicht nur wegen des Stufenhecks völlig – und auch hier setzt VW auf Kante, was je nach Lichteinfall unterschiedlich stark auffällt. Der Radstand ist beim Jetta mit 2,65 Meter fast acht Zentimeter länger als beim Golf, aber sechs Zentimeter kürzer als beim Passat. Beim alten Jetta lag der Unterschied zum Golf im Millimeterbereich. Plattformen haben bei VW inzwischen einen variablen Radstand – auch Tiguan und Touran weichen vom Golf ab. Früher musste der Jetta aus Kostengründen zum Beispiel die gleichen Türen haben wie der Golf. Beim neuen Modell ist das nicht mehr der Fall, und auch sonst teilt sich der Jetta laut VW keine Karosserieelemente mehr mit dem Stammvater.

Am Anfang drei Motoren

Unter dem Blech dagegen teilt sich der Jetta viel Technik mit dem Golf. Das beginnt bei den Motoren. Zur Markteinführung gibt es den 1.2 TSI und den 1.6 TDI mit jeweils 105 PS sowie den 2.0 TDI mit 140 PS. Noch im Jahr 2011 kommen der 1.4 TSI mit 122 PS sowie 160 PS und der 2.0 TSI mit 200 PS hinzu. Von der 170-PS-Version des 2.0 TDI, die es beim alten Jetta gab, ist nicht mehr die Rede.

Brauchbare Basis

Wir fuhren die Basismotorisierung 1.2 TSI mit 105 PS und Sechsgang-Schaltung. Durch den Turbolader kommt das Auto recht gut aus dem Drehzahlkeller heraus. Wirklich untermotorisiert fühlt man sich also nicht. Auf der Autobahn aber fehlt ab und zu doch etwas Kraft. Immerhin: Der Sprint auf Tempo 100 dauert nur 10,9 Sekunden, das ist für eine Basismotorisierung nicht schlecht. Den Spritverbrauch gibt VW mit 5,7 Liter auf 100 Kilometer an. Mit dem Bluemotion-Technology-Paket für 400 Euro Aufpreis klingen die Werte noch besser. Die Spritsparversion soll nochmals 0,4 Liter weniger brauchen. Dabei helfen eine Start-Stopp-Automatik, eine Bremsenergierückgewinnung und rollwiderstandsarme Reifen. Äußerst behutsam "rollen lassen" ist freilich auch notwendig, um die angegebenen Verbrauchswerte in der Praxis erreichen zu können.

Umklappbare Rücksitze

Wie auch beim Golf seit einiger Zeit gibt es optional einen Start-Stopp-Knopf. Er macht allerdings einen sehr provisorischen Eindruck – er ist klein und eher versteckt angebracht. Das Cockpit ist typisch VW. Es gibt durchaus Unterschiede zum Golf. So liegen die Instrumente beim Jetta nicht in Tuben, sondern plan. Außerdem gibt es Detailunterschiede bei den Luftausströmern und der Gestaltung der Mittelkonsole. Im Fond merkt man dem Auto den großen Radstand an. Hier hat man sehr viel Kniefreiheit, die Kopffreiheit ist ebenfalls in Ordnung. Die Sitzlehnen lassen sich wie beim alten Modell umklappen, wobei eine Stufe bleibt. Der Kofferraum fasst 510 Liter.

Kein DCC-Fahrwerk

Das Fahrwerk entspricht im Wesentlichen dem des VW Golf, wirkt auf uns aber eine Spur komfortabler. Dabei ist der Jetta aber nicht weich zu nennen und wankt in Kurven durchaus nicht zu weit nach außen. Vorne arbeitet die übliche McPherson-Achse, hinten kommt eine Mehrlenkerachse zum Einsatz – anders als bei der US-Version, wo eine kostengünstigere Verbundlenkerhinterachse verwendet wird. Das für den Golf angebotene DCC-Fahrwerk mit geregelten Stoßdämpfern wird nicht angeboten. Die Ausstattungsstufen heißen Trendline, Comfortline und Highline. Die Basisversion bietet das übliche Sicherheitspaket aus sechs Airbags und ESP. Elektrisch einstellbare Außenspiegel, elektrische Fensterheber vorn und hinten, Klimaanlage und Zentralverriegelung sind ebenfalls Serie.

Ab 20.900 Euro

So ausgerüstet, kostet unser Jetta 1.2 TSI mit 105 PS 20.900 Euro. Damit ist er über 2000 Euro teurer als der VW Golf. Ein CD-Radio kostet 485 Euro Aufpreis, Parkpiepser für vorn und hinten 540 Euro. Die günstigsten Alternativen zum Jetta 1.2 TSI sind der Chevrolet Cruze 1.6 oder der Mitsubishi Lancer 1.6 (beide ab 14.990 Euro), der Suzuki SX4 1.6 (ab 16.900 Euro), der Renault Fluence 1.6 ab 17.950 Euro und der viertürige Mazda 3 1.6 für 20.190 Euro. Einen Skoda Octavia 1.2 TSI, der wie ein Stufenheckauto aussieht, auch wenn er eine große Heckklappe besitzt, ist ebenfalls schon ab unter 17.000 Euro zu haben. Damit ist der VW das teuerste Angebot, was allerdings auch daran liegt, dass es nur von günstigeren Importeursmarken überhaupt Stufenheckautos gibt. Die notorischen Golf-Konkurrenten Opel Astra und Ford Focus gibt es nicht als viertürige Stufenhecklimousinen. Grund: Der Markt für diese Karosserieform ist rückläufig, allerdings nur in Deutschland. Weltweit sieht es anders aus – in China, USA, Russland, der Türkei und vielen anderen Ländern sind Stufenhecklimousinen sehr beliebt.