Praxistest BMW C Evolution

Die schnellste 125er

Auf der Präsentation fuhr er super, aber auf der Präsentation fährt ja irgendwie alles super. Deshalb tritt der BMW C Evolution zum Praxistest im Ballungsraum Stuttgart an. Zu Beginn: Strom aus der Tiefgarage

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Diesmal nicht vor Palmen, sondern in der (schwäbisch korrekt frisch gewischten) Tiefgarage: BMW C Evolution 22 Bilder
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Präsentationen sind ja immer nett, so auf ihre freibierige Weise, aber sie übertünchen mit ihrem Urlaubs-Charakter viel von im Alltag wichtigen Eindrücken. Deshalb steht jetzt ein BMW C Evolution für vier Wochen unten im Bunker. Nachdem er auf der Präsentation belegt hat, dass er gut fährt, soll er jetzt zeigen, wie ein Alltag mit ihm im Ballungsraum Stuttgart aussehen kann.

Was sich aus der gesammelten Erfahrung aller Elektroprojekte plus den ersten Probemetern eindeutig gezeigt hat: Wenn du keine Möglichkeit hast, daheim zu laden, dann vergiss das Ganze mit dem Elektroroller. Solche Fahrzeuge muss man sehen wie das Smartphone: Jeden Abend geht es ans Ladekabel, damit der stets zu kleine Akku immer voll ist, wenn man das Gerät benutzen möchte. Alles andere ist umständlicher Quatsch.

BMW spart sich vor dem Hintergrund dessen, dass fast alle E-KFZ-Kunden fast ausschließlich zuhause laden, die Schnellladefunktion. Maximum sind daher 16 A @ 230 V Wechselstrom (z. B. an einer Ladesäule), das beiliegende Ladegerät ist stufenweise einstellbar bis maximal 13 A. Elektriker-Empfehlung für normale Schuko-Steckdosen lautet: maximal 10 A. Ein Elektroautobauer gibt noch folgenden Praxistipp aus der Reihe "auf eigene Gefahr": Wenn es bei leerer Batterie (maximale Stromaufnahme) nach zehn Minuten noch nicht brennt, die Sicherung drinbleibt, dann hält es meistens den gesamten Ladevorgang. Besser natürlich: Sichere Seite und über Nacht laden, wenn Zeit ist.

Zuhause laden geht oft auch in der Tiefgarage, wenn Sie mit den entsprechenden Leuten sprechen. Entweder es wird auf Ihre Kosten ein Zähler plus ein Anschluss montiert (~500 Euro), oder Sie einigen sich darauf, den meistens per Umlage verteilten Strom um den Betrag des Fahrzeugs zu erleichtern, indem Sie dessen Verbrauch an der Steckdose zählen und am Jahresende gesondert bezahlen. Solange es Strom im Parkbereich gibt, besteht Hoffnung.

Ich sitze auf einem Akku

Wie bei der Energica Ego macht auch der C Evolution sehr deutlich, dass man auf einer riesigen Batterie mit Rädern und etwas Peripherie sitzt. Der Roller ist sackschwer, wirkt noch schwerer, als es das Nenngewicht von 265 kg vermuten ließe. Der teils belächelte Rückwärtsgang ist beim Rangieren ein Segen. Kein fahrender Akku ohne sowas mehr, bitte!

Der Träger der 8-kWh-Batterie ist gleichzeitig der Hauptrahmen des Rollers, die Zellen beanspruchen dennoch viel mehr Platz als der liegende Zweizylinder der anderen C-Modelle nebst Tank. Das wird am deutlichsten beim Stauraum: In die anderen Cs passen zwei Integralhelme, eins der wichtigsten Komfortkriterien beim Großroller – Fahrer und Beifahrer können ihre Helme trocken im Fahrzeug lassen. In den C Evolution passt noch nicht einmal ein Integralhelm, sondern nur ein Rollerhelm. Das hintere Helmfach habe ich aufgrund seiner geringen Größe daher für Transportzwecke schon benutzt wie Franzosen ihre Fahrradkörbe: oben offen. Zum Glück gibt es keine Warnbimmel dafür.

Aber zur wichtigsten Frage: Warum sollte das jemand kaufen? Damit hat sich die versammelte Presse schon auf der Präsentation beschäftigt. "Viel zu teuer!", war der Konsens für den Preis von 15.000 Euro. Um das einzuordnen, zwei Punkte: Erstens verdienen wir Schreiber nicht so toll, dass wir uns besonders gut in Leute hineinversetzen könnten, die 15.000 Euro für etwas ausgeben, das vergleichsweise wenig Nutzenbandbreite bietet. Die Grundpreise von C 600 Sport und C 650 GT liegen schon bei 11.200 respektive 11.600 Euro, und bei BMW kauft NIEMAND die Grundausstattung. Ich behaupte also, dass es durchaus einen Markt geben könnte.

Der vorderste Kaufgrund für ausreichend reiche Interessenten wäre: Der C Evolution ist als 125er zugelassen. Ja, richtig gelesen: Sie können dieses Teil mit Ihrem alten Autoführerschein fahren, wenn der vor dem 1. April 1980 ausgestellt wurde. Ansonsten: A1. Wie geht das? Naja, BMW hat den Wortlaut des Gesetzes gelesen, in dem steht: "Dauerleistung". Die Dauerleistung des C Evolution liegt bei den erlaubten 11 kW (15 PS). Es stehen aber IMMER 35 kW (48 PS) zur Verfügung, vom Stand bis zur Endgeschwindigkeit von 120 km/h. Diese Boost-Leistung schafft der Roller aber nicht über die im Messzyklus geforderte Zeit, da wäre längst der Akku leer, also haben wir hier die trotz Gewicht wohl am schnellsten von der Ampel abziehende 125er der Welt.

In der Stadt macht das alles richtig Spaß. Ein Gang, muchas Drehmoment, überall liegen Stromleitungen, das beruhigt. Mir persönlich gefällt sogar dieses UFO-artige "wu-wu-wu-wu", das der Zahnriemen des Endantriebs produziert, sogar beim Schieben. Da guckt der alte Schwabe! Fährt so ein UFO beim Edeka vor! Oder besser: beim Alnatura. Da würde ich mit dem elektrischen BMW-Rollator auf Brautschau gehen, wenn ich eine Müslifrau suchen würde.

Großroller werden jedoch auch für Spaß-Touren wie ein Motorrad verwendet. Deshalb werde ich demnächst mit dem C Evolution meine Tante besuchen, seit Urzeiten eine engagierte Müslifrau. Gut 60 km Landstraße, dort während des Kaffees kurzes Zwischenladen, dann wieder heim. Wir werden berichten. Bitte helfen Sie im Zweifelsfall demnächst Personen, die etwas schieben, das "wu-wu-wu" macht.