Meisterlicher Weltmeister?

Ford Focus Mk3 im Gebrauchtwagen-Check

Der aktuelle Ford Focus ist eines der meistgebauten Autos der Welt. Als Gebrauchtwagen ist er zum Teil erstaunlich günstig zu haben, was nichts mit seinen grundsätzlichen Qualitäten zu tun hat. Wir zeigen, worauf Interessenten achten sollten

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Ford Focus Gebrauchtwagen 25 Bilder

Der aktuelle Ford Focus ist weltweit ein Bestseller. Was taugt er als Gebrauchtwagen? Wir zeigen Stärken und Schwächen

(Bild: Ford)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Wer abseits der selbsternannten Premiummarken nach einem jungen, günstigen Familienauto sucht, wird irgendwann fast zwangsläufig auf das breite Angebot von Ford stoßen. Als eine der wenigen Marken leistet sich Ford noch ein breites Angebot an Vans. Doch auch der aktuelle Focus ist in leicht gebrauchter Form erstaunlich günstig. Gibt es einen Haken? Im Prinzip nicht, sofern der Käufer auf ein paar Kleinigkeiten achtet.

Seit 2011 im Handel

Die dritte Generation des Ford Focus wurde 2010 vorgestellt und ist seit April 2011 in Deutschland auf dem Markt. 2014 wurde er kräftig überarbeitet. Seit dem zieren ihn eine neue Front und ein leicht verändertes Interieur inklusive neuer Navis. Noch in diesem Jahr soll ein Nachfolger vorgestellt werden. Angeboten wird er als Fünftürer, Kombi „Turnier“ und – das ist in Deutschland ungewöhnlich geworden – auch als Stufenheck. Hierzulande ist letzteres allerdings kaum zu finden. Dafür sind die Limousine und erst recht der Kombi in den gängigen Gebrauchtwagenbörsen reichlich vertreten. Die Neuwagenkäufer bevorzugen die gut ausgestattete Version Titanium, die beiden preiswerteren Linien Trend und Ambiente sind als Neuwagen nicht ganz so gefragt. Relativ selten sind die flotten Ausführungen ST und RS.

Benziner bevorzugt

Bei den Motoren verteilt sich das Interesse zwischen Benzinern und Dieselmotoren ungefähr 2/3 zu 1/3 zugunsten der Benziner. Ford bietet auch eine LPG-Version und einen Focus mit Elektromotor an – beide spielen gebraucht kaum eine Rolle. Zu Beginn gab es unter anderem zwei Saugbenziner mit 85 und 125 PS, von denen nur noch der Basisbenziner im Angebot ist. Beide sind zuverlässig, dennoch raten wir von ihnen ab. Die modernen Ecoboost-Motoren können fast alles besser, egal ob es die beiden Dreizylinder (100 und 125 PS) oder die Vierzylinder (150 oder 182 PS) sind. Sie gelten als kultiviert, robust und kräftig, allerdings nicht ganz so sparsam wie einige Konkurrenten. Im Turnier raten wir auch zurückhaltenden Fahrern zumindest zur Version mit 125 PS – mit Beladung tut sich der 100-PS-Motor etwas schwer. Zwar haben beide 170 Nm, doch die stärkere Variante bietet im Overboost 200 Nm. Im Alltag fühlt sie sich schlicht etwas souveräner an.

Die beiden Dreizylinder verbrauchen laut Spritmonitor rund 6,9 Liter, bei den Vierzylindern sind es im Schnitt 7,5 Liter. Die Umstellung auf die überarbeiteten Vierzylinder im Jahr 2014 brachte im Zyklus eine Ersparnis von 0,4 Litern, in der Praxis sind die neueren Motoren nicht sparsamer.

Schlauch beachten

Unbedingt achten sollte man bei den ersten Baujahren auf einen Kühlwasserschlauch. Den hat Ford nicht nur aus dünnem Hartkunststoff gefertigt, der nach einiger Zeit leicht brechen kann, sondern auch so unglücklich verlegt, dass er an einer Verkleidung scheuern kann. Die gute Nachricht: Inzwischen gibt es eine verbesserte Version aus Gummi mit Gewebeeinlage, die zudem anders geformt ist und so nicht mehr scheuern kann. Der neue Schlauch kostet nicht viel und ist schnell getauscht. Es gibt dazu auch eine interne Rückrufaktion bei Ford. Wir haben für die Bilderstrecke beide Schläuche abgelichtet. Sofern noch der alte verbaut ist, sollte der unbedingt getauscht werden. Bricht er beispielsweise auf der Autobahn, kann das das Ende des Motors bedeuten. Ansonsten sind von den Ecoboost-Motoren bislang kaum Schwächen bekannt. Hier und da gibt es mal undichte Stirndeckel oder auch defekte Wasserpumpen – allerdings treten diese Dinge wirklich nur vereinzelt auf.

Etwas unübersichtlicher ist das Angebot bei den Dieselmotoren. Zum Start der Baureihe gab es zwei 1,6-Liter-Diesel mit 95 und 115 PS und drei Zweiliter-Diesel mit 115 PS (nur mit Doppelkupplungsgetriebe), 140 und 163 PS. 2012 kamen noch zwei Ausführungen mit 105 PS hinzu, die im Zyklus mit 99 und 88 Gramm CO2 angegeben sind. Gegen all diese Motoren ist hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit wenig zu sagen. Dass der 95-PS-Diesel aus dem Focus keinen Rennwagen macht, dürfte den meisten Käufern bewusst sein. Mit reichlich Anlauf bringt er den Kombi und die Limousine aber auf bis zu 180 km/h. Bedenken sollte man vor dem Kauf eines solchen Diesel-Focus, dass all die genannten Motoren nur die Abgasnorm Euro 5 einhalten.

Alte und neue Diesel

Im September 2014 wurden neue Diesel vorgestellt. Die drei 1,5-Liter-Diesel (95, 105 und 115 PS) sowie zwei Zweiliter-Diesel (150 und, ab November 2014, auch mit 185 PS) laufen etwas leiser und sind im Zyklus in fast jedem Fall sparsamer als ihre Vorgänger. Zudem erfüllen sie die Abgasnorm Euro 6. Sofern es das Budget hergibt, empfehlen wir Diesel-Interessenten diese Maschinen. Zwischen September 2014 und Mai 2015 hatte Ford die älteren 1,6-Liter-Diesel parallel zu den neuen Maschinen im Angebot. Gebrauchtwagenkäufer können sich also nicht allein auf die Leistungsangaben verlassen, um neue und alte Selbstzünder auseinanderzuhalten.

Kleinigkeiten

Der Auspuff scheint beim dritten Focus länger zu halten als das früher bei Ford normal war. Die Endtöpfe waren in der Vergangenheit geradezu sprichwörtlich bekannt für ihre kurze Lebenserwartung. Ford hat das abgestellt. Ab und zu reißen die Hitzeschutzbleche über der Auspuffanlage – ein Problem, mit dem einige Hersteller zu kämpfen haben. Hier kann man sich mit großen Unterlegscheiben preiswert behelfen. Bei den Getrieben deutet bis jetzt nichts auf spezifische Schäden hin. In den ersten Baujahren gab es allerdings Probleme mit der Dichtung der Antriebswelle. Manche Eigner haben eine wahre Odyssee hinter sich, bei der sich Werkstätten schwer getan haben, das richtig abzudichten. Ford überarbeitete die Dichtung, seitdem ist das Problem wohl gelöst.

Insgesamt unterscheidet sich der dritte Focus damit ganz wesentlich von den ersten TSI-Motoren von Volkswagen mit ihren maladen Steuerketten, den Getriebeschäden in einigen Opel Astra und nicht zuletzt auch seinem Vorgänger. Nach mehr als sechs Jahren zeichnet sich keine Schwäche ab, die Gebrauchtwagenkäufer unter Umständen für viel Geld kurieren müssten. Selbst bei der Hauptuntersuchung schneidet der dritte Focus hervorragend ab. Das war bei Ford keineswegs immer so.

Was nicht etwa heißen soll, es gäbe nachträglich nichts zu korrigieren. Insgesamt gab es bislang drei offizielle Rückrufaktionen, wobei jeweils immer nur ein kurzer Produktionszeitraum und entsprechend wenige Fahrzeuge betroffen war. Bei insgesamt 116 Focus und C-Max der Baujahre Januar und Februar 2013 war ab Werk die linke Antriebswelle falsch gefertigt, was zum Verlust der Welle führen konnte. In Juli und August 2013 wurden im Werk in Saarlouis an 580 Focus falsche Räder montiert. Es wurden alle Räder getauscht, die Radnaben überprüft und bei Bedarf ebenfalls ausgewechselt.

Der dritte Rückruf betrifft den Dreizylinder. Ein nicht korrekt geformter Zapfen am Ansaugluftkanal zur Aufnahme des Schlauchs vom Aktivkohlefilter kann Verstopfen und damit zu erhöhten Abgaswerten führen. Betroffen sind Fahrzeuge, die zwischen dem 17. Juni und dem 17. Juli 2013 gebaut wurden. Da alle Fehler kurz nach ihrem Einbau entdeckt und korrigiert wurden, sollten sie im Zuge von ganz normalen Inspektionen beseitigt worden sein. Gerade in den ersten Jahren werden die Autos ja fast ausschließlich von Vertragshändlern gewartet, die über solche Aktionen informiert sein sollten.

Rost

Fortschritte gegenüber dem Vorgänger sind auch bei der Karosserie zu bemerken. Kantenrost an den Türen und Hauben ist extrem selten geworden. Wie bei fast allen Konkurrenten gibt sich Ford allerdings nur wenig Mühe, Fahrwerksteile vor Korrosion zu schützen. Das sieht bei einem Blick unter das Auto nicht besonders hübsch aus, ist aber unkritisch. Wer dieser Korrosion vorbeugen möchte, kann das mit einer Dose Unterbodenwachs recht einfach tun. Ich würde das bei jedem Auto empfehlen.

Rost ist allerdings an anderer Stelle durchaus ein Thema. Offenbar scheuert manchmal die hintere Radhausverkleidung am Blech dahinter. Ist der Lack dort ab, droht Rost. Ein Blick dahinter lohnt sich, denn die meisten Ford-Händler werden beim jährlichen Routine-Check kaum hinter die Kulissen schauen. Dabei ist die Verkleidung selbst schnell abgebaut. Kurzfristig kann eine stabile Folie helfen, langfristig ist eine Bitumenmatte noch besser.

Teurer Ersatz

Eine schlaue Idee sollte die Türkanten vor Kratzern schützen: Schoner klappen automatisch aus, brechen allerdings auch recht schnell. Ersatz ist mit rund 25 Euro teuer, sodass viele Besitzer auf eine Instandsetzung verzichten. Gleiches gilt auch für die heizbare Frontscheibe. Diese Heizung hat zwei typische Fehlerquellen. Manchmal bleibt eine Seite komplett aus, was dann an einer Sicherung liegt. Öfter fallen allerdings einzelne Heizdrähte aus. Auch hier gilt: Ein Tausch der Scheibe ist so teuer, dass kaum ein Selbstzahler das übernehmen wollen wird.

Nachsicht erfordert der Focus beim Thema Verarbeitungsqualität. Zwar sind Klappergeräusche nicht häufiger als bei der Konkurrenz, doch im Detail ist der Focus an einigen Stellen lieblos zusammengesteckt. Das zeigt sich an schiefen Verkleidungen im Innenraum und schrägen Karosseriespaltmaßen. Zum Teil scheuert beispielsweise die Kofferraumklappe am unlackierten Teil des Stoßfängers, was man nicht leichtfertig abtun sollte: Ist der Lack ab, droht Kantenrost. Über die Jahre wurde die Qualität etwas besser, insbesondere mit dem 2014er-Facelift hat Ford merklich nachgebessert, ohne allerdings auch nur ansatzweise an den Eindruck oberflächlicher Güte zu gelangen, den andere Marken in dieser Klasse bieten.

Bordcomputer nachstellen

Deutlich eingeschränkt hat Ford die Möglichkeit, den Bordcomputer selbst zu kalibrieren. Bis zum Baujahr 2015 war es möglich, den angezeigten Durchschnittsverbrauch näher an die Realität zu bringen. Das war mit ein paar Handgriffen schnell erledigt:

Bei ausgeschalteter Zündung die linke „OK“-Taste im Lenkrad gedrückt halten und die Zündung einschalten.

Im Display des Kombiinstrumentes erscheint „Test“ – „OK“-Taste loslassen

Mit den hoch und runter Tasten bis zum Punkt „AFE-Basis“ scrollen

„OK-Taste“ drücken den Korrekturwert eintragen. Der errechnet sich wie folgt:

(Im Bordcomputer angezeigter Durchschnittsverbrauch / errechneter Verbrauch beim Tanken) x 1000

Ein Beispiel:

(7,2 /7,6) x 1000 = 947 (=Korrekturwert)

Bei jüngeren Fahrzeugen kann der Wert nur noch in 100er-Schritten verstellt werden, davor ließ sich der Bordcomputer sehr viel genauer kalibrieren. Schade, dass Ford diese Möglichkeit derart zusammengestrichen hat.

Preise

Selbstverständlich nur eine Momentaufnahme kann die Betrachtung der Preise sein. Aktuell beginnen die Angebote für einen Focus MK3 mit maximal 100.000 Kilometern bei rund 7000 Euro. Für Facelift-Modelle mit den Ecoboost-Benzinern ab Baujahr 2015 und maximal 60.000 Kilometern werden Preise ab etwa 11.000 Euro aufgerufen, vergleichbare Kombis sind mit mindestens 12.500 Euro etwas teurer. Derzeit finden sich in den Gebrauchtwagenbörsen auffällig viele silberne Focus Turnier Baujahr 2015/2016 mit dem 1,5-Liter-Benziner (150 PS). Die haben vielfach eine Vergangenheit beim ADAC. Auch wenn die Ausstattung keine gehobenen Ansprüche erfüllen mag: Zu Preisen ab etwa 14.000 Euro ist das ein sehr gutes Geschäft. Denn der dritte Focus zählt zu jenen Autos, die weniger kosten als sie wert sind.