Nur kurz die Welt retten

Jeep Willys MB: Der erste seiner Art

Als die Amerikaner einen ganzen Planeten befreien mussten, entstand der Willys MB – der UR-Jeep. Ein Auto, dessen Name heute ein Synonym für alle Geländeautos weltweit ist und dessen Erfinder leer ausging

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Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Wien, 16. August 2016 – Über die Entstehung des Namens „Jeep“ gibt es mehr Theorien als die Marke derzeit Fahrzeuge im Programm hat. Die eine besagt, dass ein Herr Jeep zum Technikerteam des Fahrzeugs gehörte – schließlich handelt es sich um einen alten Namen aus Deutschland. In einer anderen Geschichte heißt es, dass Armee-Techniker alle neuen Fahrzeuge als Jeep bezeichneten, weil einst, bevor es Autos im Militär gab, auch neue Rekruten diesen Spitznamen trugen. Das passt mit einer anderen Legende zusammen, wonach Jeep im amerikanischen ein Synonym für „Tausendsassa“ oder „eierlegende Wollmilchsau“ ist.

1001 Nacht: Wie Jeep seinen Namen bekam

Nicht einmal die Marke selbst weiß, woher sie ihren Namen hat. Sie konnte das Geschichten-Geflecht aber immerhin soweit entwirren, dass die beiden wahrscheinlichsten Szenarien übrig blieben. Die erste Theorie ist erfrischend simpel: der Wagen wurde nach „Eugene the Jeep“ benannt. Eine Figur aus den Popeye-Comics. Sie lebt in Afrika und kommt immer dann zur Hilfe, wenn der Spinat-Held in einer Klemme steckt.

Die zweite Geschichte handelt von der Aussprache des Kürzels „GP“. Das Kürzel stand für „Governmental contract P“ (nein, nicht für „General Purpose“). Wollte die Regierung an ihrem Auto etwas geändert haben, musste eine „Governmental Contract P order“ eingereicht werden. Weil sich – wegen des umfangreichen Lastenheftes – diese Formulare häuften, nannten die Ingenieure den Wagen bald „GP“ beziehungsweise „Jeep“.

Fest steht nur, dass die Washington Daily News diesen Namen als erstes in die Öffentlichkeit brachte. Bei der Präsentation des Fahrzeugs 1941 fuhr der Wagen die Stufen des Kapitols in Washington hinauf. Katherine Hillyer, die Redakteurin, fragte nach dem Namen des Fahrzeugs. „It´s a Jeep“, lautete die Antwort, die sich am nächsten Tag in der Bildunterschrift fand. Ein Meilenstein. Denn dieses Wort hat sich zu einem Gattungsnamen entwickelt. So wie jedes Taschentuch ein Tempo und jeder Klebestreifen ein Tesa ist, so sind für viele Menschen alle Geländewagen Jeeps.

Das Lastenheft aus der Hölle

Den Bedarf der US-Regierung an einem robusten und geländefähigen Auto hatte die American Austin Company schon 1933 erkannt und dem US-Militär ungefragt ein entsprechendes Gefährt ins hügelige Geläuf gestellt. Schade nur, dass der Wagen zwar robust, aber nicht geländefähig war und gerade Frieden herrschte. American Austin schlitterte in die Pleite und die Reste (die Produktion des Austin Seven) wurde in American Bantam umbenannt.

1937 – Europa rüstete gerade in furiosem Tempo und erschreckender Qualität auf – änderte sich die Meinung des US-Militärs. Es sollte ein Lastenfahrzeug gebaut werden, das von vier Männern über Hindernisse hinweg gehoben werde könnte. Höchste Priorität hatte, dass das Fahrzeug flach sein sollte. Sogar eine liegende Position des Fahrers hätten die Entscheidungsträger dafür in Kauf genommen.

Zwar wurden diese beiden Ideen schnell verworfen, dennoch war das Lastenheft der Ausschreibung von 1938 extrem herausfordernd. Ein Gesamtgewicht von weniger als 590 Kilogramm, flacher als 91 Zentimeter, 272 Kilogramm Nutzlast und diverse Bauartvorschriften, die der Geländegängigkeit zu Gute kommen sollten (geringer Radstand, große Böschungswinkel, Allradantrieb, zuschaltbares Reduktionsgetriebe) sollte das Fahrzeug vorweisen können. 135 Fahrzeughersteller wurden angeschrieben und bekamen 49 Tage für die Entwicklung Zeit (inklusive Bau eines Prototypen). Wie lächerlich und realitätsfern die Vorstellungen des Militärs waren zeigte die Resonanz: nur zwei Firmen nahmen überhaupt am Wettbewerb teil.

Der Erfinder von Jeep geht leer aus

Zum einem American Bantam. Die hatten Karl Probst engagiert um dieses Auto auf die Räder zu stellen. Das Ergebnis hieß Bantam BRC 40 (Bantam Reconnaissance Car – Aufklärungswagen) und begeisterte die zuständigen Militärs. Auch Vertreter von Willys-Overland, dem zweiten Teilnehmer, waren bei der Präsentation dabei und klagten anschließend kurzerhand eine Fristverlängerung ein. Nach insgesamt 120 Tagen präsentierten sie das Willys Quad, oder Willys MA. Das „M“ steht für Military, das „A“ ist einfach nur der erste Buchstabe im Alphabet und soll für die erste Version des Fahrzeugs stehen. Der Willys MA sah dem Bantam BRC (eher wenig überraschend) verblüffend ähnlich, hatte aber einen deutlich stärkeren Motor mit 60 PS und mit 739 Dollar einen geringeren Preis.

Weil Ford von der Regierung mit der Aussicht auf üppige Aufträge zur Teilnahme überredet wurde, gab es kurzfristig noch einen dritten Kandidaten. Ford präsentierte, noch einmal zehn Tage nach Willys, den Pygmy, der ebenfalls ein Bantam-Klon war. Ford war vor allem deswegen an Bord, weil die US-Regierung Sorge hatte, dass weder Willys noch Bantam die geforderten Stückzahlen hätte bauen können.

Es kam, wie es kommen musste. Das US-Militär gab Willys den Zuschlag, veränderte die Ausschreibung so, dass deren Auto die Anforderungen erfüllte (unter anderem wurde das Leergewicht auf 980 Kilogramm angehoben) und verteilte den Auftrag zwischen Willys (370.000 Stück) und Ford (277.000 Stück). Bantam bekam die goldene Ananas in Form eines Auftrags über ein paar Anhänger. Der Urvater des Jeep – Karl Probst für Bantam – blickte also ins Ofenrohr. Immerhin steht bis heute in Butler (Pennsylvania), dem einstigen Firmensitz von Bantam, ein Denkmal, das an die Geburtsstunde der amerikanischen Autolegende erinnern soll.

Nur mal kurz die Welt retten

Am 31. Juli 1941 wurde der Produktionsvertrag unterschrieben. Keinen Tag zu früh, schließlich galt es die Welt vor den Nazis zu retten, die quasi schon überall waren. Am 7. Dezember 1941 bombardierten die Japaner Pearl Harbor, Amerika trat dem Kriegsgeschehen bei und die Mission der Willys MB begann offiziell. Bis heute sind Kaugummi werfende, amerikanische Soldaten im offenen Geländewagen ein Symbol der Befreiung.

Kaum herrschte Frieden, hatte Willys ein Problem. Der Wagen war ebenso populär wie nutzlos im zivilen Leben. Geländewagen galten nicht grundlos als unbequem und unpraktisch und die innerstädtische, öffentliche Selbsttherapie war noch nicht erfunden.

Es mussten also Neuerungen her. Kurzerhand wurde der „Civilian Jeep“, kurz CJ, entwickelt. Genau genommen endet damit die Geschichte des Willys MB, was seinem Einfluss jedoch nicht gerecht werden würde. Denn erst die aufgewertete Version des Militär-Lastesels machte aus dem Wagen ein nationales Heiligtum. Heckklappe, höhere Windschutzscheibe, elektrisch betriebene Scheibenwischer und größere Scheinwerfer sollten unter anderem Komfort und Alltagstauglichkeit erhöhen.

Als es noch keinen „Lifestyle“ gab

Kaum war der CJ auf dem Markt, spendierten die Ingenieure dem Wagen eine Rundum-Stahlkarosserie, womit das erste SUV überhaupt geboren worden war. Es folgte noch der Willys Jeepster, ein zweitüriges Cabrio mit Sechszylinder. Und, Anfang der 1950er, noch ein Pick-up – weltweit der erste mit einer Tonne Nutzlast – womit die Modellfamilie vollständig war. Damit dieser Erfolg auch von Dauer sein möge, ließ sich Willys Overland den Namen Jeep am 30. Juni 1950 als Marke schützen.

Ironischerweise war die Erfolgsgeschichte damit erst einmal zu Ende. Denn auf dem amerikanischen Markt gab es zu viele Autohersteller. Die großen drei (Ford, GM und Chrysler) begannen eine Modelloffensive samt Preisschlacht, die sie auf ihren Finanzpolstern lediglich aussitzen mussten. Willys fusionierte in höchster Not mit Kaiser-Frazer, denen es nicht besser ging. Zwar hatten die kein konkurrenzfähiges Produkt im Portfolio (zu teuer, zu extravagant), aber mit Edgar Kaiser eines der ersten Marketinggenies an der Spitze, das es verstand, den Namen Jeep richtig zu nutzen.

Noch vor der Fusionierung hatte Willys den M38A1 entwickelt – den Urvater des heutigen Wrangler. Auch dieses Auto tat seinen Dienst beim Militär, wurde aber parallel zu dieser Nutzung auch gleich auf das zivile Leben vorbereitet. Als CJ-5. Kaiser ersetzte den Schriftzug „Willys“, der bisher auf den Fahrzeugen prangte, durch den Namen „Jeep“ und führte mit einem verstellbaren Fahrersitz erstmals so etwas wie ein Komfort-Feature ein.

Noch ein Ende, noch ein Anfang

Es folgten Hochs, aber noch mehr Tiefs. Erst kaufte AMC den Laden, dann Chrysler. Die schlossen sich wiederum mit Daimler zusammen, was als schlechteste Fusionierung der Geschichte in die BWL-Literatur Einzug hielt. Unterboten werden konnte dieses Ereignis nur noch von der Übernahme durch Cerberus, einem Investmentfond, der Chrysler bis in den Bankrott führte (Stichwort: Chapter 11). Anschließend übernahm Fiat die Amerikaner ... und rettete sich damit selbst. Denn die Italiener gäbe es ohne das profitable US- und Offroader-Geschäft nicht mehr. Ein Chaos, das auch beweist, wie stark das Fundament des Willys MB und wie mächtig der Name Jeep ist. Denn der ging ohne einen Lackschaden aus diesem jahrzehntelangen Schlingerkurs hervor. Im Gegenteil. Er stahlt so stark wie nie.