Seltene Verbindung

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München, 9. Februar 2015 – Wer in der Kompaktklasse einen Kombi mit viel Dampf sucht, die Kosten aber im Zaum haben möchte, stößt auf ein eher dünnes Angebot. Ford und Renault helfen jedoch weiter mit Focus ST Turnier sowie Mégane Grandtour TCe 220. Wir haben beide ausprobiert.

Wenn das Budget keinen Zweitwagen zulässt, sollte die Fahrmaschine möglichst alltagstauglich sein. Das klingt nach Kompaktklasse mit viel Dampf – und nach Kombi. Diese Verbindung ist fast nicht auffindbar, alleine Ford und Renault bieten im klassischen kompakten Kombisegment über 200 PS. Satte 250 PS bringt der Focus ST auf die Vorderräder; mit immerhin 220 kann man mit der Mégane TCe 220 schwarze Striche auf den Asphalt malen, wenn man möchte.

Understatement bei der Mégane

Ab 26.600 Euro gibt es die schnellen Mégane in der „GT-Line“ (Pflicht in Verbindung mit dem hier besprochenen Motor). Das ist die sportlichste Ausführung vor RS, doch dafür wirkt das Auto ganz schön dezent. Die in der Liste genannten spezifischen Schürzen bieten als auffälligstes Merkmal Einsätze in markantem Silber – je nach Außenfarbe natürlich kontrastreich, aber alle andere als aufdringlich. Es gibt nicht einmal sichtbare Auspuffendrohre (dafür aber eine Anhängekupplung). Weil die GT-Ausführung auch mit anderen Motoren kombinierbar ist, können kundige Außenstehende die kräftige Ausgabe allenfalls am Badge auf der B-Säule erkennen.

Da ist der mit bisher 29.200 Euro notierte Focus ST von ganz anderem Kaliber. Sein mittiges Doppelrohr verrät ihn bereits aus weiter Entfernung und lässt Unbedarfte zumindest erahnen, dass dieser Kompakte aus der Reihe fällt. Leider ist dadurch aber auch die Montage einer Anhängekupplung weder möglich noch erlaubt. Leicht herausgearbeitete Schweller und schwarze Wabengitter stimmen auf ein drahtiges Programm ein. Der „Aston Martin“-Effekt fehlt dem sportlichen Focus allerdings: Während die zivilen Varianten vor allem durch den nach der Modellpflege riesengroßen, markanten Kühlergrill nach Art der britischen Sportwagen-Marke auffallen, ist der Unterschied zwischen altem und neuem ST deutlich kleiner. Macht nichts, verschlechtert hat er sich auch nicht.

Die sportlichen Recaro-Sitze bieten mehr als genug Halt für die Querbeschleunigung des kompakten Kölners. Die Seitenwangen der Sportsitze im Renault fallen zierlicher aus, bauen aber ebenso guten Seitenhalt auf. Beide sind bei aller Eignung für dynamische Einlagen immer noch alltagstauglich und bieten trotz straffer Ausprägung auf längeren Strecken recht kommode Sitzgelegenheiten.

Downsizing beim Ford

Die Konzepte scheinen in beiden Fällen gleich – zwei Liter Hubraum, vier Zylinder und Turboaufladung. Der entscheidende Unterschied mit Vorteilen für Ford ist dessen moderne Direkteinspritzung. Zumindest beim Focus kann man von Downsizing sprechen, schließlich hatte der ST früher 2,5 Liter und fünf Zylinder, während Renault auch früher nicht mehr Hubraum hatte. Beide Maschinen paaren ausgeprägte Drehfreude mit kräftigem Drehmoment; der Ford erreicht 360 Nm ab 2000/min, die Mégane schafft immerhin 340 Nm ab 2400/min. Das sind die Papierwerte. In der Praxis giftet der etwas schwächere Franzose, der mit 1463 übrigens zwei Kilogramm schwerer ist als sein Wettbewerber, ganz schön munter los. Sobald der Lader in Fahrt kommt, zieht der Fronttriebler kräftig an – und ringt um Traktion. Der Ford tut es ihm nach, wirkt dabei aber weniger natürlich. Will heißen: Dem ohne Frage attraktiven Sound von wütend-schnaubend bis markant-kehlig merkt man seine gezielte Komposition an, und man sitzt irgendwie stärker abgeschottet vor Außengeräuschen in der Fahrgastzelle. Der Franzose klingt dagegen unspektakulärer. Darüber hinaus fühlt man sich hier stärker mit der Außenwelt verbunden, er mutet weniger gedämmt an. Beide überzeugen mit feinen Sechsganggetrieben – beim Renault lässt sich der Hebel etwas leichtgängiger bedienen, der Ford-Knüppel witscht dafür einen Tick exakter durch die Gassen.

Beide Kandidaten zeigen sich bei rasanter Kurvenfahrt als typische Untersteuerer mit der Neigung, sich eher harmlos einzubremsen als mit dem Heck auszubrechen. Aber bevor sich mal ein instabiler Zustand einstellt, haben die wirkungsvollen Stabilitätsregelungen ohnehin schon eingegriffen.

Guter Geradeauslauf auf der schnellen Piste machen die rasanten Kompakten zu feinen Tourern, die beide spielend über 200 km/h erreichen; und mit 240 respektive 248 km/h Topspeed gehören sie zu den ganz Schnellen unter den Kompaktmodellen.

Tiefflug nicht obligatorisch

Interessant an beiden Autos ist, dass sie nicht zwingend zum Tiefflug verleiten. Beim gepflegten Cruisen sind die straff abgestimmten Fahrwerke durchaus zu einem ausreichenden Restkomfort fähig. Sowohl Querfugen als auch lange Wellen parieren die Federn beider Angebote ausgesprochen wirkungsvoll, wobei der Ford noch ein Quentchen komfortabler wirkt – ohne zu verraten, ob es nun an den üppigen Fauteuils oder an der Dämpfereinheit liegen mag. Bei der Mégane ist die sportliche Abstimmung übrigens keine Frage des Motors, sondern der Ausstattungslinie.

Auch das Platzangebot überzeugt in beiden Fällen. Kompaktklasse-Autos sind längst zu ernstzunehmenden Allroundern geworden und offerieren genug Raum, vier Personen über mehrere hundert Kilometer bequem zu befördern. In den beiden Fonds ist die Beinfreiheit so lange ausreichend, bis zwei großgewachsene Personen hintereinander sitzen wollen. Die Ähnlichkeit der beiden Fahrzeuge gehen bis zu den maximalen Volumina. So nimmt der Turnier bis zu 1516 Liter auf – der Renault fasst mit 1595 Litern unwesentlich mehr.

Wesentliche Unterschiede dafür gibt es bei den Bedienkonzepten. In dieser Disziplin profitiert der Focus von seiner jüngst durchgeführten Modellpflege. So haben die Techniker umgestellt auf einen großen Touchscreen mit komplett neu geordneter Bedienung und ebenfalls neuem Kartenbild. Die Bildschirm-Diagonale wuchs von 12,7 auf 20,3 Zentimeter.

Renault meldet sieben Zoll, was knapp 18 Zentimetern entspricht. Zur Ansteuerung der Multimedia-Funktionen sowie des von TomTom zugesteuerten Navigationssystems dient im Franzosen ein kleiner „Joystick“ in der Mittelkonsole, was zweifellos gut klappt, aber nicht ganz an die Güte der Ford-Bedienung heranreicht. Wer auf Assistenten, Elektronik-Gimmicks und Infotainment steht, wird bei Ford inzwischen zugeschüttet mit Funktionalitäten: Blindspot-Alarm, Einparkautomatik, Spurhaltewarner und kamerabasierte Verkehrszeichen-Erkennung – alles da. Vor allem aber gibt es einen Bremsassistenten, der notfalls auch selbsttätig aktiv wird. So werden Kollisionen abgemildert oder gänzlich verhindert. Beim Renault muss man mit Spurhalte-Alarm Vorlieb nehmen. Die Anzeigen sind beim Franzosen eher sachlich gehalten, aber übersichtlich.

Mix aus Analogskalen und TFT-Feld

Es gibt gegen 300 Euro Aufpreis den so genannten „Renault Sport“-Monitor mit Öltemperatur, Ladedruckanzeige sowie einer Stoppuhr-Funktion. Außerdem können über den Monitor verschiedene Gaspedal-Kennlinien gewählt werden, um ein giftigeres oder eben sanfteres Ansprechen zu erzielen. Beim ST bietet sich auch nach der Überarbeitung das vertraute Bild: Analoganzeigen für Ladedruck, Öldruck und Temperatur des Schmiermittels hocken hoch oben auf dem Armaturenbrett. Bei der Tachoeinheit gibt es einen angenehmen Mix aus Analogskalen sowie einem großen TFT-Feld, auf dem die Bordcomputer-Funktionen ausgelesen sowie diverse Einstellungen vorgenommen werden können. Der Einsatz von Analoginstrumenten gehört bei den sportlichen Renault-Modellen zum guten Ton – digitale Anzeigen bekommt der Kunde stattdessen bei den zivileren Ausgaben.

Natürlich handelt es sich nicht um sparsame Dieselmotoren, aber Verbräuche unter zehn, ja sogar unter neun Liter lassen sich bei behutsamer Fahrweise durchaus erzielen. Die von Ford angegebenen sieben Liter zu erreichen gleicht allerdings einem Kunststück.