Der Anteil der Radfahrer soll auf 15 Prozent steigen - trotz weniger Mittel für Radwege

Neuer Verkehrsplan: mehr Leute aufs Rad

Das Bundeskabinett will einen neuen Verkehrsplan beschließen, um den Anteil der Radfahrer am Verkehr zu steigern – und kürzt gleichzeitig die Mittel für den Ausbau von Radwegen

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Berlin, 5. September 2012 – Das Bundeskabinett will am Mittwoch einen neuen Verkehrsplan beschließen, um den Anteil der Radfahrer am Verkehr bis 2020 auf rund 15 Prozent zu steigern. Angesichts hoher Spritkosten und einer starken Zunahme von Pedelecs steigt die Zahl der Radfahrer bundesweit rasant an. Der Plan soll dieser Entwicklung Rechnung tragen, doch gleichzeitig werden die Bundesmittel für den Ausbau von Radwegen gekürzt.

Für mehr Radverkehr

Der Anteil der Radfahrer am Verkehrsaufkommen variiert in Deutschland regional stark, aber generell gibt es einen starken Zuwachs. 42 Prozent der Deutschen fahren nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) derzeit regelmäßig mit dem Rad, das sind etwa 29 Millionen Menschen. Derzeit gibt es laut Verkehrsministerium etwa 70 Millionen Fahrräder in Deutschland, 80 Prozent der Haushalte haben mindestens ein Fahrrad. Zudem gibt es in immer mehr Städten Ausleihsysteme. Durch ein enges Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen soll der wachsenden Bedeutung des Radverkehrs Rechnung getragen werden.

Viele Vorhaben

Der Plan besteht im Wesentlichen aus sieben Punkten. Der Anteil der Radfahrer am Gesamtverkehrsaufkommen soll auf 15 Prozent gesteigert werden. Kommunen, in denen der Anteil der Radfahrer unter dem Durchschnitt liegt, sollen mit einem Einsteigerpaket unterstützt werden. Gleich gilt für Landkreise, um auch Menschen außerhalb von Städten für den Umstieg auf das Rad zu begeistern. Gemeinsam mit der Verkehrswacht soll die Aktion „Ich trage Helm“ fortgeführt werden. Härtere Strafen sollen Rad-Rowdies zur Räson bringen. Zudem soll die Problematik von alkoholisierten Radlern stärker beobachtet werden. Eine Senkung der strafbaren Grenze von derzeit 1,6 Promille ist aber nicht geplant. Die Rad-Infrastruktur soll verstärkt die starke Zunahme von Rädern mit elektrischen Antrieben (Pedelecs) berücksichtigen, da immer längere Strecken zurückgelegt werden. Das könnte durch einen verstärkten Ausbau von Radwegen an Bundesstraßen geschehen.

Der Plan sieht außerdem eine Stärkung innovativer Konzepte vor. Dazu gehören Ideen wie Schlauchautomaten, mobile Reparaturservices, Luftpumpstationen Fahrradwaschanlagen und ein „Scherbentelefon“ bei Pannen. Zusätzlich sollen Rad-Verleihsysteme weiter ausgebaut werden. So könnte man fremde Städte auch auf dem Fahrrad erkunden.

Kritik an Kürzung

Zugleich sollen aber die Bundesmittel für den Bau von Radwegen im Entwurf für den Haushalt 2013 weiter gekürzt werden. Die Grünen vermissen zudem konkrete Vorgaben und Ziele im Radverkehrsplan. Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), warf Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) mangelnden Einsatz für den zunehmenden Radverkehr vor. „Die Anstrengungen des Ministers sind nicht ausreichend“, sagte Hofreiter der dpa. In dem Plan ständen viele interessante Dinge, aber wie so oft bei Ramsauer gebe es eine große Lücke zwischen den Worten und der Umsetzung, sagte Hofreiter. Der Realitätstest seien die zur Verfügung stehenden Mittel im Bundeshaushalt. „Die Mittel für den Radwegebau sind von 100 Millionen auf 50 Millionen pro Jahr zusammengekürzt worden“, kritisierte er mit Blick auf den Haushalt für 2013. Zudem gebe es im Ministerium nur zweieinhalb Stellen für den Radverkehr. Das Ministerium selbst betonte, nach 86 Millionen im Jahr 2011 stünden für das laufende Jahr 76 Millionen Euro für den Radverkehr zur Verfügung.

Als Vorbild für ein zukunftsweisendes Radwegekonzept lobte Hofreiter das Modell Kopenhagen. In der dänischen Hauptstadt gebe es eigene Radstraßen für Pendler, über die man aus der Umgebung fast kreuzungsfrei in das Zentrum fahren könne. „Solche Konzepte müssten auch vom Bund mitentwickelt werden, etwa entlang von Bundesstraßen.“

Höhere Strafen für Rüpel

Laut dem Entwurf prüft das Bundesverkehrsministerium auch härtere Strafen gegen Radfahrer, die Verkehrsregeln missachten. In dem Entwurf heißt es wörtlich: „Der Bund prüft derzeit gemeinsam mit den Ländern, ob und inwieweit das Sanktionsniveau im Bereich des Radverkehrs erhöht werden soll.“ Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte wiederholt ein rücksichtloses Verhalten einiger Radfahrer kritisiert. Auch die Gewerkschaft der Polizei forderte härtere Strafen für „Kampfradler“. Zugleich wird in dem Entwurf aber auch betont, dass außerdem neue Sanktionen für Autofahrer geprüft werden sollen, etwa für unzulässiges Parken oder Halten auf Radwegen.

Deutsche sind vergleichsweise „radfaul“

In Deutschland wurden pro Jahr und Einwohner laut Umweltbundesamt (UBA) zuletzt 380 Kilometer mit dem Rad zurückgelegt. Bis 2020 könnte diese Zahl auf 560 Kilometer steigen. Damit sind die Deutschen im Vergleich zu den Nachbarn in den Niederlanden noch „radfaul“. Dort werden mehr als 1100 Kilometer pro Jahr und Einwohner gefahren.

Bisher liegt der Anteil des Radverkehrs bei rund zehn Prozent, in Städten ist er etwas höher als auf dem Land. Besonders in mittelgroßen Städten wie Münster (38 Prozent Radverkehrsanteil), Oldenburg (43 Prozent) oder Greifswald (44 Prozent) prägen Radfahrer das Stadtbild stark. Bei rund 90 Prozent der Fahrten mit dem Rad werden in Deutschland laut dem neuen Radverkehrsplan Strecken von unter fünf Kilometern zurückgelegt. In München ist der Anteil der Wege, die mit dem Rad gefahren werden, von 6 Prozent (1996) auf 17 Prozent (2011) gestiegen. In Frankfurt/Main wuchs er binnen zehn Jahren von 6 auf mehr als 14 Prozent an, in Rostock von 9 auf über 20 Prozent. Aber auch in der Hauptstadt Berlin nimmt der Anteil deutlich zu – der Anteil am Verkehr soll in den nächsten Jahren von 13 auf 20 Prozent steigen. (dpa)