Kommt der Teilerfolg?

Plug-in-Hybride vor einem Boom

2019 wurden mehr E-Autos als Plug-in-Hybride verkauft. Doch abschreiben sollte man die PHEVs noch nicht. Hersteller und Politik haben Rahmenbedingungen geschaffen, die diesem Hybrid durchaus den Weg zu Erfolg ebenen könnten

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Hybridantrieb, alternative Antriebe 6 Bilder
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Von
  • Marcus Zacher
Inhaltsverzeichnis

Für die einen sind Plug-in-Hybride die Antriebsart der Zukunft, weil die Vorteile lokal emissionsfreier Mobilität mit der Reichweite und der Betankungszeit eines Verbrenners verbinden. Fahrer batterieelektrischer Fahrzeuge hingegen empfinden sie bisweilen nicht ganz zu Unrecht als Konkurrenten an der Ladesäule. Nun könnten Plug-in-Hybride richtig Fahrt aufnehmen, unterstützt von der Politik.

BEV vorn

Trotz des vergleichsweise großen Modellangebots an PHEV (für Plug-in-Hybrid Electric Vehicle) konnten sie hierzulande bisher noch nicht den erhofften Verkaufserfolg verbuchen. Lagen die Plug-in-Hybride und BEV (für Battery Electric Vehicle) bis September 2018 praktisch gleichauf, setzten sich ab da die E-Auto-Zulassungen von den Hybrid-Zahlen ab.

Einerseits kam es mit der Einführung der Abgasnorm Euro 6c und der damit verbundenen Umstellung auf den WLTP zu diversen Bestellstopps von Plug-in-Hybride, darunter dem Audi A3 e-tron und dem VW Golf GTE. Andererseits dürfte der Auslieferungsstart des Tesla Model 3 (Test) Anfang 2019 für einen weiteren, ordentlichen Anteil an dem Zulassungsvorsprung der BEV gegenüber der PHEVS gesorgt haben. Aber auch alte E-Modelle wie Renault Zoe, BMW i3 (Test) oder VW e-Golf verkauften sich im laufenden Jahr erstaunlich gut. Den Oktober 2019 konnten wiederum die PHEVs für sich entscheiden.

Die stärkere Gewichtung pro BEV spiegelt sich aber nicht nur in den Neuzulassungen wider (Verhältnis derzeit ca. 5:3 für die Batterieautos), sondern noch deutlicher bei den Anträgen für den Umweltbonus. Hier beträgt das Verhältnis ungefähr 2:1 für die reinen Stromer. Ein Grund mag sein, dass viele PHEVs derzeit nicht die Anforderungen für die Ende 2018 beschlossene Förderung erfüllen. Gerade bei den Luxus-Plug-Ins von Audi, Mercedes, BMW und Porsche liegt der Nettolistenpreis oft deutlich über dem von Gesetzgeber festgelegten Maximalbetrag von 60.000 EUR für die Basisvariante. Außerdem erfüllen viele Plug-in-Hybride noch nicht die Anforderungen an den maximalen CO2-Ausstoß von 50 Gramm je Kilometer.

Steuervorteil

Letzteres könnte sich nun ändern. Immer mehr Hersteller haben Teilzeitstromer in Vorbereitung, die nicht nur den Grenzwert für den CO2-Ausstoß unterbieten und somit vom staatlichen Umweltbonus profitieren können, sondern alternativ die geforderte elektrische Mindestreichweite von 40 Kilometern gemäß WLTP schaffen, um unter die 0,5-Prozent-Regelung für die Dienstwagenbesteuerung zu fallen. Diese Besteuerung wurde bis 2030 verlängert, wobei die geforderte elektrische Mindestreichweite sukzessive auf 60 (ab Januar 2022) bzw. 80 Kilometer (ab Januar 2025) erhöht wird.

Von der Erhöhung des Umweltbonus profitieren die Teilzeitstromer ebenfalls. Bei einem Netto-Listenpreis von unter 40.000 Euro für die Basisversion werden demnächst 4500 EUR jeweils zur Hälfte von Hersteller und Staat übernommen. Bei über 40.000 EUR sind es noch 4000 EUR. Bislang waren es 3000 EUR.

Bis 2030 gefördert

Anders als in Ländern, in denen die Begünstigung für PHEVs bereits beendet wurde (z.B. Niederlande), werden sie in Deutschland bis zum Jahr 2030 weiter gefördert, auch wenn sich die Bundesregierung das Hintertürchen offen hält, gegebenenfalls die Anforderungen an diese Antriebsform zu erhöhen. Doch trotz der Diskussion um den tatsächlichen Nutzen für die Umwelt hinsichtlich des CO2-Ausstoßes kann es gute Gründe für den Kauf eines PHEV geben.

Der Mitsubishi Plug-in Hybrid Outlander gehört nicht nur hierzulande zu den beliebtesten PHEVs auf dem Markt. Als erster Serien-PHEV überhaupt war der Outlander von Beginn an mit einer Schnelllademöglichkeit per CHAdeMO ausgestattet. Viele Jahre nach dem Debüt des Outlanders folgt nun Daimler diesem Beispiel und wird den neuen GLE 350 de und die Plug-in-Varianten der A- und B-Klasse mit CCS-Schnellladeanschluss ausstatten. Dadurch lässt sich auch bei einem kurzen Stopp schnell die Batterie aufladen, während die vergleichsweise langsame AC-Ladung (AC: Wechselstrom) unter vergleichbaren Bedingungen kaum eine nennenswerte Elektroreichweite generiert.

Die elektrischen Reichweiten wurden bei den aktuellsten Plug-in-Hybriden deutlich gesteigert. Hier können exemplarisch ebenfalls die drei Mercedes-PHEVs oder das 2018er-Update des BMW X5 xDrive45e herangezogen werden, die nun mindestens 60 km (A-Klasse) bis fast 100 km (GLE-Klasse) schaffen. Und das nach der strengeren WLTP-Norm. Damit liegen diese Hybride fast auf dem Niveau früherer reiner Elektrofahrzeuge und bieten Reichweiten, die tatsächlich für die meisten Fahrer auf der täglichen Pendelstrecke ausreichend sind und bereits heute die Anforderungen für die 0,5-Prozent-Regelung ab 2024 erfüllen.

Steigende Reichweiten

Interessenten, die noch mit dem reinen Elektroantrieb hadern, werden durch die steigenden Reichweiten langsam an die Elektromobilität herangeführt, ohne sich von der noch nicht zufriedenstellenden Situation der öffentlichen Ladeinfrastruktur zu stark abhängig zu machen. Trotz alledem kann ein Plug-in-Hybrid nur dann zur Minderung des CO2-Ausstoßes beitragen, wenn er häufig und regelmäßig geladen wird. Eine Lademöglichkeit zu Hause und idealerweise zusätzlich am Arbeitsplatz sind dazu notwendige Voraussetzungen.

Lücke im E-Angebot: Kombis

Die in Deutschland immer noch und gerade bei Dienstwagenfahrern beliebte Karosserieform des klassischen Kombis gibt es derzeit nicht als batterieelektrische Variante. Anders sieht es bei den Plug-in-Hybriden aus: Egal ob BMW, Kia, VW, Volvo, Mercedes oder Peugeot, viele Hersteller haben inzwischen mindestens ein entsprechendes Modell im Angebot. Bestimmte Fahrzeugwünsche lassen sich schlichtweg derzeit nicht mit den Batterieautos abdecken. Eine weitere Chance für die Verbrenner mit Stecker, die es inzwischen in fast jeder Fahrzeugklasse gibt oder in Vorbereitung sind.

Die strengeren EU-Vorschriften hinsichtlich der CO2-Flottenemissionen dürften weitere Gründe für einen rapiden Verkaufsanstieg der PHEVs sein. Sie zwingen die Hersteller, vermehrt elektrische und auch teilelektrische Fahrzeuge anzubieten und zu verkaufen. Im Flottenverbrauch dürfen bald nur mehr maximal 95 g CO2 pro Kilometer ausgestoßen werden. Fahrzeuge, die unter 50 g ausstoßen, werden dabei doppelt angerechnet (ab 2021 noch 1,66-fach, ab 2022 noch 1,33-fach).

Die neue Normalität

Plug-in-Hybride könnten somit zur neuen Normalität werden, da sich über die Ermittlung des CO2-Ausstoßes im WLTP jedes noch so große und schwere Auto unter die entsprechenden Vorgaben drücken lässt, wenn die elektrische Reichweite entsprechend groß ist. Das Beispiel des Mercedes GLE 350 de zeigt auch, dass die Anforderungen bereits heute umgesetzt werden können. Die Autohersteller können damit nicht nur ihre traditionelle Technik, sondern auch Mitarbeiter und Kunden bei der Transition hin zur vollelektrischen Mobilität leichter mitnehmen.

Natürlich gibt es auch eine große Anzahl von Gründen, die der eingangs erwähnten These eines PHEV-Booms entgegenstehen. So sind Fahrer von reinen Elektroautos kaum mehr gewillt, sich jemals wieder ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor anzuschaffen und als potentielle Kunden für konventionelle Antriebe verloren. Zwar ist die Anzahl der Elektroautofahrer noch immer verschwindend gering, doch sie steigt rasant und die Interessensbekundungen an neuen, günstigeren Elektroautos wie dem VW ID.3, Opel Corsa-e oder dem Mini Cooper SE deuten auf das große Interesse an Batteriefahrzeugen hin.

Beim Unterhalt liegen BEV ohnehin deutlich unter den Plug-in-Hybriden. Beim PHEV muss schließlich weiterhin ein Motor mit allen Nebenaggregaten (Öle, Abgasanlage, Kupplung, Zündkerzen, Zahnriemen, usw.) gewartet und gegebenenfalls repariert werden. Bei vielen modernen Dieselmotoren muss alle paar Tausenden Kilometer Harnstoff nachgefüllt werden. Im BEV hingegen spielt der Wartungsaufwand fast keine Rolle mehr. Zusätzlich liegt der elektrische Verbrauch bei Plug-in-Hybriden häufig deutlich über dem vergleichbarer BEVs, wie zuletzt Modelle von BMW und Mercedes gezeigt haben.

Fahrspaß

Da batterieelektrische Fahrzeuge praktisch immer über einen stärkeren Elektromotor verfügen als vergleichbare PHEVs, darf auch der Fahrspaßfaktor nicht unterschätzt werden. Geben PHEVs einen guten, ersten Eindruck von der spontanen Leistungsentfaltung einer E-Maschine, begeistern Elektroautos bei dieser Disziplin die meisten Fahrer deutlich mehr.

Letztlich entwickeln sich BEVs auch bei den bisherigen Schwachpunkten der Reichweite und der Ladezeit rasant. Es wird zwar auf absehbare Zeit keine Lademöglichkeit in fünf Minuten geben, dennoch schmilzt der ehemals große Reichweiten- und Lade- bzw. Tankzeitvorteil langsam dahin, was wiederum die Daseinsberechtigung eines PHEVs verringert. Der Preisunterschied zwischen diesen beiden Technologien wird nicht nur durch die gesteigerte Umweltprämie etwas weiter reduziert, sondern auch durch günstigere Einstiegspreise neuer Elektroautos. Renault Zoe oder VW e-Up sind gute Beispiele für eine zügige Preisreduktion.

Der Boom der Plug-in-Hybride ist nicht zuletzt stark von der gesellschaftlichen und politischen Akzeptanz abhängig. Es ist wahrscheinlicher, dass die Förderung für PHEVs eher ausläuft als für Batterieautos. Letztendlich entscheidet aber der Kunde. Ob sich daher das BEV/PHEV-Verhältnis in den nächsten Monaten und Jahren weiter verschieben wird? Gründe für die eine wie für die andere Richtung gibt es jedenfalls genug.