Test: Volvo XC40 T3

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In der Titelgeschichte des Magazins Spiegel der Ausgabe 12/2019 geht es um die enthemmte Gesellschaft. Als Beleg für einen immer aggressiveren Umgang miteinander wird unter anderem auf SUVs hingewiesen, die wieder einmal als Sinnbild für eine Ellenbogengesellschaft herhalten müssen. Wie so oft bleibt genau dieser Gedanke in gleich mehrfacher Hinsicht etwas zu nah an der Oberfläche. Denn die Zulassungszahlen zeigen, dass die Mehrzahl der SUV-Käufer nicht etwa Massenerscheinungen à la Audi Q7, Volvo XC90 (Test) oder BMW X5 fährt, für die sich „selten eine Parklücke finden lässt, die groß genug ist“, wie es Spiegelautor Schindler orakelt. Sondern Modelle zwischen 4,2 und 4,4 Metern – ein Format also, das in etwa die Verkehrsfläche dessen beansprucht, was ein Auto der häufig so genannten Golf-Klasse auch braucht. Mich entschleunigen SUVs eher, als das sie zum zügigen Durcheilen von Biegungen animieren – was selbstverständlich nicht repräsentativ ist, wobei es vielen in meinem Bekanntenkreis ähnlich geht. Das egalisiert den Verbrauchsnachteil gegenüber einem Kombi nicht völlig, mindert ihn aber.

In einer Gesellschaft mit immer mehr Menschen, die schon eine gewisse Lebenserfahrung gesammelt haben, ist der Wunsch nach einem bequemen Einstieg und einer gefühlt besseren Rundumsicht bis zu einem bestimmten Grad verständlich. SUVs sind beliebt, sei es nun aus den genannten Gründen oder einfach, weil kreative Marketingabteilungen es zur Mode erklärt haben, mit optisch geländetauglichen Autos die Stadt zu erobern. Kein Hersteller mit einer gewissen Breite im Programm kann sich dem entziehen, was auch und gerade für Volvo gilt. Der XC60 war in den vergangenen Jahren europaweit das meistverkaufte Modell der Schweden in chinesischer Hand. Der deutlich kleinere XC40 soll den Erfolg eine Klasse darunter wiederholen. Wir haben ihn mit dem kleinsten Benziner getestet.

Schlechte Aussicht

Auch der XC40 ist ein Aufguss der inzwischen wohlbekannten Volvo-Gestaltung. Ob das gelungen ist, mag jeder allein entscheiden, sonderlich originell ist es nicht. Das Blechdreieck in der hinteren Tür beschneidet, unterstützt von der breiten C-Säule, die Rundumsicht erheblich, ein Fahrer meinte ohne Bewunderung, in diesem toten Winkel ließe sich sein Heimatort verstecken. Wie schon im BMW X2 (Test) angemerkt, nervt das im Großstadtverkehr ziemlich. Ich finde es lobenswert, dass die Marke sich vorgenommen hat, dass in ihren Autos keiner mehr umkommen soll. Noch mehr würde mir dieser Ansatz gefallen, wenn er flankiert würde durch eine passive Sicherheit in Form einer besseren Sicht nach draußen.

Auch innen verzichtet Volvo weitgehend auf eine Abgrenzung zu den anderen Modellen. Hier und da sind einige Kunststoffe nicht ganz so hochwertig wie in den noch teureren Exemplaren. Die Verarbeitung war insgesamt gut. Verspielt und sympathisch fanden wir die Idee, einen Teil des Göteborger Stadtplans in die Interieurleisten zu prägen.

Tastend vorwärts

Am Bediensystem scheiden sich nach wie vor die Geister. Die Idee, die Bedienung fast aller Funktionen auf einen Bildschirm zu verlagern, fand im alltäglichen Umgang keiner in der Redaktion so richtig gut. Christian schrieb ins Fahrtenbuch: „Um die Temperatur zu verstellen, muss man zweimal auf den Touchscreen tippen und dann noch in einer Skala scrollen. Das ist Ablenkungswahnsinn!“ Florian fand die Bedienung der Sitzheizung via Bildschirm so nervig, dass er ankündigte, kein Auto zu kaufen, in dem so etwas nicht einen eigenen Schalter hat. Ich befürchte, sein nächster Kauf, der vermutlich noch in ferner Zukunft liegt, wird nicht ganz einfach werden.

Mich stört beim Volvo-System die verschachtelte Menüführung und die kleinen Bedienflächen. Ordner auf einem USB-Stick werden nicht erkannt, Playlisten nur, wenn sie nicht mit dem Mediaplayer von Microsoft angelegt wurden. Irgendwie kann man sich damit sicher arrangieren, aber spätestens in dieser Preisklasse sollte mir nicht das Auto diktieren, wie ich meine Musik zu sortieren habe. Jahrelang war Volvo in anderer Hinsicht wortwörtlich vorn bei der Musik, nämlich wenn es um den Klang ging. Die besten Soundsysteme waren teuer, aber auch sehr, sehr wohltönend. Im XC40 kommt die Topanlage von Harman/Kardon, doch ihr fehlt es ein bissl an Mumm. Gemessen an früheren Anlagen klang der Klassiker „Don‘t you“ von Simple Minds via DAB+ im XC40 seltsam kraftlos, vom Stick wurde es nicht viel besser.

Anklang fanden dagegen die Talente des XC40 als Reisewagen. Das kleine SUV ist gut gedämmt, ein Umstand der ihn von vielen ähnlich großen Autos ein wenig abgrenzt. Wind-, Fahrwerks- und Motorgeräusche bleiben über weite Bereiche im Hintergrund. Die Vordersitze waren nicht ganz so herausragend wie im kürzlich gefahrenen V60, für sich betrachtet aber noch immer eine Wohltat. Im XC40 lassen sich die Kopfstützen nach oben verstellen, allerdings nur ein paar ein, zwei Zentimeter – diesen Aufwand hätte sich Volvo auch sparen können. Hinten stört auf längeren Etappen das bescheidene Raumangebot. Hier bieten einige Konkurrenten wie der Seat Ateca (Test) auf ähnlicher Verkehrsfläche mehr Platz.

In Bewegung

Das Fahrwerk ist wie bei den meisten hohen Autos ziemlich straff. Das wäre an sich in Ordnung, wenn es sensibler anfedern könnte und bei gröberen Anregungen ein größeres Schluckvermögen hätte. Mit einer akribischeren Feder/Dämpferabstimmung ließe sich hier noch mehr Komfort herausholen. Das Fahrwerk scheint unterwegs nie ganz zur Ruhe zu kommen, das Auto ist immer leicht in Bewegung. Nicht ganz auf die Art, die der DS7 Crossback (Test) vorlebt, aber doch stets spürbar.

Die Lenkung ist eine elektrisch unterstützte. Wie in so vielen Autos mit Frontantrieb ist sie halt stärker gedämpft, nicht so feinfühlig und trotzdem nicht frei von Einflüssen. Leider gibt es eine Situation, in der sie wirklich überfordert ist: Bei großem Lenkeinschlag und vollem Drehmoment im ersten Gang hat man plötzlich keine Rückstellkraft mehr. Das fühlt sich nicht gerade souverän an. Der Benziner mit 163 PS ist im Übrigen die einzige Variante, die es nicht mit Allradantrieb gibt.

Unten kräftig

Der kleine Dreizylinder bekam zum Modelljahr 2020 etwas mehr Leistung. Statt 156 sind es nun 163 PS, das maximale Drehmoment blieb mit 265 Nm unverändert. Der Motor gefällt nicht nur mit seiner Laufkultur, sondern auch mit einer harmonischen Leistungsentfaltung. Er hat im unteren und mittleren Drehzahlbereich so viel Power, dass man das letzte Drittel nur selten aufsucht. Finden wird der Fahrer dort ohnehin kaum was, denn, wenn man es böswillig ausdrücken würde, macht die Maschine unten ein Versprechen, was sie bei höheren Drehzahlen nicht einlösen kann. Für eine Basismaschine ist das gebotene Temperament aber angemessen, auch wenn ihm spätestens ab Tempo 170 die Luft ausgeht. Der Weg zur Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h ist aber lang. Künftig wird er etwas kürzer, denn ab dem kommenden Jahr soll ja kein Volvo mehr schneller als 180 km/h fahren.

Zu hoher Verbrauch

Enttäuscht waren wir vom Verbrauch. Ich habe es außerorts auf minimal 5,9 Liter gebracht, mein Kollege Christian, der stets etwas beherzter unterwegs ist, auf knapp 11. Im alten NEFZ nennt Volvo im kombinierten Verbrauch je nach Reifenformat zwischen 6,2 und 6,4 Liter, im WLTP sind es zwischen 7,1 und 7,7 Liter. Gern würden wir auf den Schwarmverbrauch bei Spritmonitor verweisen, doch aktuell ist dort kein einziger XC40 mit dem Dreizylinder vermerkt.

Ganz neu im T3 ist die Option auf eine Wandlerautomatik. Das im Testwagen verbaute Schaltgetriebe lässt sich zwar leicht und ausreichend exakt betätigen, doch zu diesem Fahrzeugformat passt eine gelassene Fahrweise, die eine gute Automatik unterstützen würde. Im XC40 bringt der Versuch, ihn hastig um die Kurve zu werfen, ohnehin keinen Lustgewinn. Es hatte bei der Abstimmung von Lenkung und Fahrwerk keine Priorität, was in diesem Segment kein Fehler ist.

Den Assistenten, vornehmlich dem zur Spurhaltung, ist dagegen eine sorgfältige Entwicklung anzumerken. Im V90 hatten wir vor zwei Jahren noch das Gefühl, dass einem teilweise das Steuer aus der Hand gerissen wird. Zusammen mit der nicht immer perfekten Spurerkennung musste dort hellwach sein, wer den Helfer nutzen wollte – was der eigentlichen Idee dann doch irgendwie entgegensteht. Im nun gefahrenen XC40 klappt das besser: Die Spurerkennung war hier zuverlässiger, der Assistent griff nicht mehr so rabiat ein.

Kein Matrixlicht

Einen gewissen Nachholbedarf gibt es nach wie vor bei der Erkennung von Verkehrsschildern, wobei auch hier ein Fortschritt nicht zu übersehen ist. Abgespeckt hat Volvo dagegen beim Licht: Für den XC40 sind nur LED-Scheinwerfer mit Abblendautomatik zu haben. Das in den größeren Modellen vorzügliche Matrixlicht bietet Volvo im kleinen SUV nicht an. Weiter verbessern lässt sich die Automatikfunktion der Handbremse, die stets einen winzigen Moment zu spät löst, ganz so, als wolle sie ihre Existenz deutlich machen.

Anspruch: Nobel

32.450 Euro kostet das Basismodell unverhandelt. Von diesem Angebot wird vermutlich kaum ein Kunde Gebrauch machen, denn wenn es um eine möglichst nüchterne Korrelation aus Preis und Gegenwert geht, gibt es andernorts günstigere Offerten. Wer an ein „Nobel-SUV“ gehobene Ansprüche bei Ausstattung und Antriebsleistung stellt, landet beim XC40 rasch oberhalb von 40.000 Euro. Damit bleibt der XC40 deutlich unterhalb des größeren XC60, der allerdings nicht nur mehr Platz bietet, sondern insgesamt feiner geschliffen ist. Das fehlt dem XC40 an einigen Stellen etwas, was ein wenig im Widerspruch zu jener Erwartungshaltung steht, die Volvo über die selbstbewusst gestaltete Preisliste weckt.

Die Kosten für die Überführung wurden von Volvo übernommen, jene für Kraftstoff vom Autor.