Wenn sie nur wollen ...

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Oppenau, 10. Juli 2014 – Meine Beziehung zum französischen Fahrzeugbau ist schwer belastet. Im Motorsport können wir alle sehen, dass Franzosen ganz vorne mitmischen, dass sie es sehr wohl können. Aber in Serie kommt dann ein Peugeot 3008, dieses "Pöh, mir doch egal!" des Fahrzeugbaus. Sie können es. Sie tun es aber irgendwie nicht. Das ist wie mit dem Essen. Unbestritten gehört die französische Küche zum Besten, was ein Genießer erleben kann. Aber versuchen Sie mal, dieses Essen aufzuspüren. Während es in Italien leicht ist, das gute Essen zu finden, ist es in Frankreich nur leicht, ein Achselzucken zum mir-doch-egal-Essen zu finden.

Frankophile kennen natürlich die Orte, an denen es sich gut speist. Mir dagegen passiert das beste Essen in Frankreich meistens zufällig, was es umso besser macht. Mittags in den Vogesen irgendwo in einem Kaff angehalten, französische Mittagszeit einhalten, sonst gibt es nichts mehr. Vier Stunden später signifikant beschwert wieder aufs Motorrad gestiegen, erleichtert um einen lächerlichen Betrag an Öros. Genauso zufällig bin ich dem Renault Mégane RS begegnet. Eigentlich hielt ich den für die lebensfrohere, aber letztendlich schlechtere Alternative zum aktuellen Golf GTI. In Wirklichkeit entpuppte er sich jedoch als der mit Abstand beste schnelle Kompakte. Sie können es, die werten Nachbarn. Wenn sie wirklich wollen, können sie es.

Ein Herz, eine Seele, zwei Sahnestückchen

Die erste große Auffälligkeit: der herrliche Motor. Dieses Sahnestückchen kann alles. Er dreht freudig nach oben heraus, in einen hart stotternden Begrenzer, wie wir Hools ihn hören wollen. Er hat eine fleischig-saftige Mitte. Und er schiebt sogar von ganz unten mit einer Sämigkeit an, die erstaunt. Der Turbo-Vierzylinder passt daher perfekt zu einem schnellen Kompakten, denn der muss ja alles können. Im NEFZ-Zyklus kommen kombiniert 7,5 Liter pro 100 km heraus, die erreichbar sind, weil sich der Motor so tieftourig fahren lässt. Beim Vorgängermodell gaben viele Kunden um die 8 Liter im Alltag an. Eine Tankfüllung im Schwarzwald, getreten und gescheucht, reichte beim Nachfüllen (50,4 l) für 272 km, Schnittverbrauch also 18,5 l pro 100 km. Der Preis der Drehzahl. Wer nie mit hohen Dauerdrehzahlen fährt: Das ist kein bemerkenswert guter, aber normaler Wert im erwarteten Bereich.

Madame RS gibt dazu auf dem Display in der Mitte sehr brauchbare Schalt-Empfehlungen. Sie empfiehlt immer den Gang, der die beste Beschleunigung bringt statt den mit dem besten Verbrauch. Mitgedacht. Verbrauchsfreunde kaufen sich einen Mégane Diesel. Auf diesem Display stehen noch viele mehr oder minder interessante Dinge wie eine Stoppuhr, und grundsätzlich funktioniert das Infotainment-System mit dem Touchscreen gut, aber ich würde jetzt keine 890 Euro dafür ausgeben wollen, die das Zeug in der Aufpreisliste kostet. Dazu kommt, dass das Gerät gelegentlich komplett abstürzt, was keine Auswirkungen auf den Fahrbetrieb hat, aber die Steffi aus dem Navi schweigt dann eben auch, bis der Watchdog irgendwann das BS neu bootet. Der RS-Monitor mit seinen Messdaten zu G-Kräften, Drücken, Schlupf, Zeiten, der kostet 300 Euro. Beispiele in der Bildergalerie. Das Geld würde ich lieber in eine Rückfahrkamera stecken (450 Euro), denn wie Opel baut Renault hier Heckscheiben mit Rücksicht wie im Schützenpanzer.

Das zweite Sahnestückchen ist das Sechsgang-Getriebe mit Handschaltung. Richard Hammond hat einmal optimal zusammengefasst, wie eine gute Handschaltung sein muss: "like shaking hands with an old friend" Es passt einfach, keine Unsicherheiten, kein zähes Gestocher. Die Wege sind kurz, die Schaltkräfte niedrig, das Feedback der Führung exakt. Ich habe mich trotz aller Hektik nie verschaltet, obwohl mir das ansonsten durchaus öfter mal passiert. Normalerweise nervt mich jeder Schaltvorgang, denn er unterbricht den Kraftfluss. Im RS dagegen habe ich manchmal nur geschaltet, weil es so schön war.

Was mich außerdem schon auf den ersten Fahrmetern meiner steilen Berghang-Wohngegend erfreute: Renault schenkt uns eine mechanische Handbremse, die richtig gut greift und richtig gut in der Hand liegt. Ja, ich hör die Komfortkundschaft bis hier mit "automatischer Feststellbremse", aber für diese Leute gibt es doch schon ein Auto. Es heißt VW Golf GTI. Der RS ist für Hools, und Hools holen das Heck mit der Handbremse herum, sobald es schneit oder das Konto voll genug ist, den Reifenverschleiß zu bezahlen. Selbstverständlich "braucht" das kein Mensch. Den RS insgesamt "braucht" keiner, genausowenig wie den GTI, und eigentlich kann man sowieso Straßenbahn fahren. Aber diese Handbremse macht Spaß. Wenn der Komfort der elektrischen Parkbremse ein Argument ist, darf Spaß das Gegenargument für die RS-Lösung sein.

Steffi oder Sperrdifferenzial?

Wie immer möchte ich vorab sagen, dass ich kein massenmaßgeblicher Bewerter von Federkomfort sein kann, sonst würde ich keinen Thumper fahren. Die Fahrwerks-Abstimmung im RS wird gelegentlich als hart beschrieben. Bei kaltem Dämpferöl: ja. Sobald es warm wird, bin ich anderer Ansicht. Die leicht verkürzten Federwege mit der strafferen Dämpfung funktionieren für mich sehr gut. Sie halten die Traktion aufrecht, und Durchschlagen gab es nur ein Mal im Schwarzwald auf einer üblen Verwerfung. Selbst auf Buckelpisten fand ich den Sitzkomfort bemerkenswert bequem. Aus Dämpfersicht würde ich das so lassen und auf das "Cup-Paket" mit strafferem Fahrwerk verzichten. Doch die 1590 Euro für dieses Paket würde ich aus einem anderen Grund unbedingt auftreiben: Es enthält eine mechanische Differenzialsperre.

Schon ohne diese Sperre behaupte ich, dass der RS der schnellste Kompakte ist. Er untersteuert spät, er hat ab Werk toll passende Reifen, die Kurvengeschwindigkeiten sind bemerkenswert hoch. Aber der Kollege Sebastian Bauer, langjähriger Besitzer eines RS, hat mir erzählt, dass sich der Mégane mit dem Differenzial in die Kurve hineinzieht statt hinausschiebt, was mich sehr frappierend an den GTI mit "Performance"-Paket erinnert, das ein Hightech-Differenzial mit elektronisch gesteuerter Lamellenkupplung an die Vorderachse bringt. Ich meine: Wenn ich RS fahre, und dann saugt sich in der Kurve der GTI doch wieder ein paar Zentimeter an, das würde ich emotional nur schwer verkraften. Cup-Paket muss wahrscheinlich sein, selbst wenn das Radio deswegen draußenbleibt. Am Differenzial stürzt auch keine Steffi ab.

Außerdem im Cup-Paket: geschlitzte Bremsscheiben. Ob das in der Praxis besser kühlt, ist mir ungewiss, aber es sieht schön aus, genauso wie die lackierten Brembo-Sättel. Apropos Bremsen: Am Auto stelle ich oft fest, dass die Bremsen unterdimensioniert sind im Hinblick auf den Anspruch. Alles mit Sportanspruch muss Sachen wie Hockenheims Parabolika-Bremszone aushalten, ohne beim dritten Mal die Flügel zu strecken, und an dieser Stelle steigen selbst als "Supersport" vermarktete Wagen gelegentlich aus, meistens aus Gründen der extremen Verfettung. Deshalb freut es mich, wie standfest die Serienbremse des RS bleibt, selbst bergab den Pass hinuntergeschossen. Sie passt damit in ihrer Auslegung zum Rest. Für die Rennstrecke kann man eine Blende entfernen, die Sprit spart, damit mehr Kühlluft an die Bremsen kommt. Kann man eigentlich sofort nach dem Kauf erledigen.

Die knackige Kupplung verkraftet es, wenn man sie zum Reifen rauchen einsetzt. Die Bremse verkraftet die Erdbeschleunigung. Die Handbremse bremst mit moderaten Handkräften. Das Fahrwerk ist gut. Der Motor ist toll. Das Getriebe ein Gedicht. Es gibt sogar einen brauchbaren Lenkeinschlag, den einem dieser andere RS verweigert. Hinten können Erwachsene sitzen. Der Kofferraum ist groß. Es passt ein Reserverad in die Kuhle (plus 100 Euro). Selbst die Fahrhilfen sind einfach komplett auszuschalten (3 Sekunden RS-Knopf drücken), wo es anderswo die Kernwaffenkombination für Atomuboote braucht. Dieses Auto hat jemand gebaut, der gern fährt. Genau deshalb ist es für Leute, die gern fahren, so viel besser als ein Golf GTI.

Beim Preis liegen RS und GTI in etwa in derselben Klammer. Nur haben den GTI völlig andere Charaktere gebaut, nämlich solche, die "Spaß" im Duden nachschlagen müssen, das aber nicht tun. Klar ist eine elektrische Parkbremse komfortabel mit Hill-Asi und mehr Platz auf der Mittelkonsole und Premium und schnrrzzz... Klar ist es sicherer, wenn das ESP nie ganz ausgeht. Aber am Ende meines Lebens will ich lieber mit der Erfahrung ins Grab gehen, dass ich beim Rupfen an der Handbremse meinen RS im kleinen Karussell wie eine Flipperkugel von der Strecke in den Totalschaden geschossen habe, statt mit der, dass ich einfach Golf gefahren bin, einen Knopf gedrückt habe und ein streng wolfsburgerisches Piepen als Ablehnung vernahm.

Der Rest

Wenn wir schon dabei sind, soll nach dem GTI ruhig die gesamte Konkurrenz antreten. Ich solle "umparken im Kopf" rief mir ein Opel-Fan zu, in Empfehlung des Astra OPC. Ja, das ist ein schönes Auto. Nein, das ist nicht besser. Es ist viel teurer, aber etwas langsamer, hauptsächlich, weil es mit 1,6 Tonnen 200 kg schwerer ist als der RS, obwohl der für meinen Geschmack schon mindestens 200 kg zu schwer ist. Das verwandelt Opels 15 Papier-PS mehr in ein geringeres Leistungsgewicht zu einem höheren Preis, den man für einen Opel nicht zahlen möchte, sondern maximal für einen Volkspremiumwagen.

Ford Focus ST? Kann weder mit GTI, OPC noch RS mithalten. RS, Ford! RS wollen wir, nicht dieses halbsteife ST-Zeug. Kia Proceed? Nein, ich weiß auch nicht, wieso ich das jetzt gesagt hab. Wer den Proceed in Betracht zieht, sollte einfach den normalen Ceed kaufen und viel Geld sparen. Ab hier fangen dann Leute an, Mercedes und BMW und Audi in den Ring zu werfen, aber bitte, Leute: Das ist finanziell nicht dieselbe Liga. Das ist nicht einmal dasselbe Spiel. Ein RS3 kostet knapp 50.000 Euro. Dafür gibt es schon die ersten Fahrerversionen des Porsche Boxster.

Schnelle Kompakte leben davon, wie gut sie den Kompromiss schaffen, ein nicht nerviges Alltagsauto plus ein Spaß bringendes Fahrauto zu sein. Sebastian hatte seinen RS natürlich konzeptgerecht als einziges Auto. Er fuhr damit zum Einkaufen, er fuhr damit aber auch über 180 Runden Nordschleife. Damals über den GTI habe ich geschrieben, dass er den besten Kompromiss macht. Das war nicht gelogen. Aber es war erfunden, denn den RS kannte ich einfach noch nicht. Renault macht jetzt beim Nachschauen definitiv um Welten bessere Kompromisse. Und wahrscheinlich sollte ich deshalb auch mal den Astra OPC fahren ...