Arbeit: Die neue digitale Landlust

Seite 3: Ein Valley an der Elbe

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Das sieht auch ein Team aus Norddeutschland so. Vier Autostunden von Homberg entfernt, arbeiten Projektmanager, Unternehmer und Bürger daran, ihre Heimat attraktiver zu machen. Sie leben im sogenannten Elbe Valley. Hier gibt es vor allem Natur: das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ansonsten ist hier wenig: Es ist die am dünnsten besiedelte Region Deutschlands und eine der strukturschwächsten. Die Arbeitslosigkeit in den vier Landkreisen Lüchow-Dannenberg (Niedersachsen), Stendal (Sachsen-Anhalt), Prignitz (Brandenburg) und dem Altkreis Ludwigslust (Mecklenburg-Vorpommern) liegt mitunter deutlich über sieben Prozent. Die Akademikerquote und auch die Gründungsaktivität sind niedrig. Die Bevölkerung altert. „Wir gehören zu den Ärmsten der Armen“, so fasst es eine der Teilnehmerinnen zusammen.

Mit einer Projektgruppe haben sie sich um Fördergelder des Bundesforschungsministeriums (BMBF) beworben. „Wir wollen unsere Schwächen zu unseren Stärken machen“ sagt Nicole Servatius vom Landkreis Lüchow-Dannenberg. Zur „resilienten Region“ soll das Elbe Valley werden. Über ein Jahr lang haben sie Dutzende Ideen gesammelt, wie ein zukunftsfähiger Strukturwandel aussehen kann: Mikrokredite sollen den Gründergeist befördern, Forschungszusammenarbeit mit Universitäten neue Ideen in die Region bringen und den Austausch mit Einheimischen fördern und Leerstand gezielt umgenutzt werden.

Julian Schmelzle und Christina Schmelzle-Böhm kommen aus dem Filmgeschäft. Er ist Kameramann, sie war Aufnahmeleiterin. Beide stammen aus Frankfurt und haben den Summer of Pioneers als Absprung für einen neuen Lebensabschnitt auf dem Land genutzt.

(Bild: Jonathan Linker)

Ein Regionalfonds, in den UnternehmerInnen und Privatleute einzahlen können, will gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte ermöglichen. Co-Working-Spaces sollen den Zuzug von Leuten fördern, die im Homeoffice arbeiten. Acht Millionen Euro für die kommenden drei Jahre würden sie vom BMBF bekommen. Damit wollen sie Strukturen wie ein Innovationsmanagement oder eine Entwicklungsagentur finanzieren, mit der sie möglichst viele der entwickelten Ideen zum Leben erwecken können.

Servatius und die anderen wollen zeigen, dass man das Ruder rumreißen kann, wenn man nur will. Dass man sich nicht mit dem Status Quo abfinden muss, wenn man nur gute Ideen hat und die anderer befördert. „Es muss nicht länger die Geschichte vom abgehängten Land sein, die wir über unsere Region erzählen“, meint sie.

Ob die Pioniere in Homberg und die Elbe Valley-Begeisterten langfristig bleiben und weitere nach sich ziehen werden, wird die Zeit zeigen. Jonathan Linker vom Summer of Pioneers ist jedenfalls zuversichtlich: Am ersten der vier Standorte in Wittenberge seien mehr als 60 Prozent der umgezogenen Pioniere geblieben. Die Neu-Hombergerin Cornelia Tocha gesteht allerdings, Berlin schon manchmal auch zu vermissen. „Gerade jetzt, wo alles auflebt und meine Freunde dort ihre Sommerabende in Restaurants verbringen und gemeinsam durch die bunten, trubeligen Straßen ziehen. Dann bin ich manchmal ein bisschen neidisch, aber nur kurz, weil ich nicht tauschen wollen würde!“

Aktuell könne niemand sagen, wie viele der Menschen, die die Städte während Corona verlassen haben, dauerhaft auf dem Land bleiben oder wie viele künftig zwischen den beiden zwei Welten, Stadt und Land, pendeln werden, sagt Susanne Dähner. „Doch die Entscheidung für das Land ist zunehmend auch für Akademiker eine mögliche.“

(bsc)