CO2-Speicherung: "Eine unredliche Debatte"

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Donnermeyer: Ein solcher Speicher in 1000 Meter Tiefe wird doch nicht einfach explodieren. Das ist völlig abwegige Angstmacherei. Man muss natürlich dafür sorgen, dass die Speicher dicht bleiben, und zwar hundertprozentig, das ist überhaupt gar keine Frage. Selbst wenn nur ein Prozent pro Jahr entweichen würde, hätten wir in 100 Jahren das gesamte CO2 wieder in der Atmosphäre und fürs Klima nichts erreicht.

TR: Und der zweite Punkt?

Kreibich: Wenn CO2-Speicherung sinnvoll sein soll, dann muss der Speicher wirklich einige 1000 Jahre halten. Aber CO2 ist ein chemisch gesehen sehr aggressives, saures Gas. Wir wissen gar nicht, welche chemischen Prozesse sich damit in diesen Tiefen mittel- und langfristig abspielen. Sie könnten zum Beispiel den ganzen Wasserhaushalt gefährden. Das ist wirklich ein äußerst riskantes Spiel.

Donnermeyer: Selbstverständlich müssen die Speicher auf dauerhafte Dichtigkeit ausgelegt sein, aber wir reden doch darüber, wie wir über die nächsten 100 Jahre kommen.

Kreibich: Wieso das denn?

Donnermeyer: Wir sind uns doch einig, die Klimaschutzziele erreichen zu wollen, nur deshalb reden wir doch über CO2- Speicherung. Und wenn wir das Zwei-Grad-Ziel ernst meinen, müssen wir bis 2050 85 bis 90 Prozent unserer CO2-Emissionen einsparen. Das bedeutet eine vollständige Dekarbonisierung unserer Wirtschaft in 40 Jahren, und nicht nur der Energiewirtschaft. Zehn Prozent der CO2-Emissionen aus Deutschland sind Prozessemissionen bei der Herstellung von Stahl, Zement, Chemie, Papier, Aluminium. Auch für dieses CO2 brauchen wir eine Lösung, wenn wir eine Industriegesellschaft bleiben wollen. Und diese Lösung lautet CO2-Speicherung.

Kreibich: Ich bin ja nun auf einer Reihe von Konferenzen gewesen, da haben selbst die euphorischsten Vertreter der CO2-Verpressung immer von mindestens 10.000 Jahren gesprochen.

Donnermeyer: Moment, ich war noch nicht fertig. Die Verpressung ist eine Technologie, um die in diesem Jahrhundert anstehende Klimafrage zu lösen. Bis dahin darf nicht mehr viel CO2 in die Atmosphäre, das ist der wichtigste Aspekt. Die Dichtigkeit der Speicher ist eine andere, eine geologische Frage, und da darf man durchaus davon ausgehen, dass das gespeicherte CO2 im Regelfall Tausende Jahre unten bleibt.

Kreibich: Wenn man jetzt mit einer CCS-Anwendung von 100 Jahren argumentiert, finde ich das schon ehrlicher. Aber zurück zur Dichtigkeit: Die Speicher sind ja keine abgeschlossenen Höhlen. Das CO2 diffundiert in die Gesteinsschichten und geht ungeheuer in die Breite. Das heißt, man muss ein enormes Kontrollsystem aufbauen, einen Riesenapparat, an den bisher niemand gedacht hat. Das ist nach meiner Auffassung nicht in den Griff zu bekommen.

Über welche Gasmengen reden wir denn?

Donnermeyer: Über die nächste Generation Industrie- und Energie-CO2 bis 2050. Und was dann davon gespeichert werden muss, hängt sehr davon ab, wie wir mit dem Umbau zu den Erneuerbaren und mit der Effizienz vorankommen. Wir emittieren jetzt jährlich etwa 800 Millionen Tonnen CO2 in Deutschland. Wenn wir das bis 2050 um 90 Prozent reduzieren, bleiben immer noch 80 Millionen Tonnen, über alle Sektoren. Die Speicherkapazitäten für Deutschland werden auf etwa zehn Milliarden Tonnen geschätzt – vielleicht ein bisschen mehr, wir werden sie brauchen.

Kreibich: Die Zahlen sind zwar aus der Luft gegriffen, aber sie drücken den ganzen Machbarkeitswahn dieser Technologie aus.

Donnermeyer: Was ist denn die Alternative? Wollen wir wirklich eine globale Klimaerwärmung großen Ausmaßes riskieren? Die Größe der Aufgabe rechtfertigt auch ein gewisses Risiko.

Befürchten Sie nicht, dass Sie den Menschen mit diesem Argument eher mehr Angst machen, als sie zu beruhigen?

Donnermeyer: Das kommt darauf an, wie man es erläutert, aber die Frage stellt sich natürlich bei allen Technologien: Was ist das größere Risiko?

Kreibich: Nein, nicht bei allen Techniken. Was tut uns die Solarthermie, was tut uns die Photovoltaik?

Donnermeyer: Das ist ja okay und muss mit genauso viel Nachdruck entwickelt werden. Ich sage nur: Das wird nicht ausreichen. Noch mal: Wo bleiben wir mit den Prozess-Emissionen? Natürlich sind die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken heute nicht greifbar. Die liegen weit weg in der Zukunft, und da sagt der Mensch: Das wird schon nicht so schlimm kommen. Aber es wird so schlimm kommen, wenn wir nichts tun. Wahrscheinlich sind wir uns wenigstens an dieser Stelle mal einig.

Kreibich: Nein, sind wir nicht, und zwar aus folgendem Grund: Warum sollen wir denn so hohe Risiken eingehen und so gigantomanische Technologien entwickeln, wenn es anders geht?