CO2-Speicherung: "Eine unredliche Debatte"

Um CO2-Emissionen zu reduzieren, soll das Klimagas von Kohlekraftwerken chemisch abgetrennt, unter Druck verflüssigt und tief unter der Erde eingelagert werden. Doch die Öffentlichkeit ist misstrauisch. Eine Expertendiskussion.

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Um CO2-Emissionen zu reduzieren, soll das Klimagas von Kohlekraftwerken chemisch abgetrennt, unter Druck verflüssigt und tief unter der Erde eingelagert werden. Doch die Öffentlichkeit ist misstrauisch. Eine Expertendiskussion.

Professor Rolf Kreibich (72) leitet seit 1981 als Direktor und Geschäftsführer das "Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung" in Berlin. Er hat als Gutachter Bürgerinitiativen unterstützt, die sich gegen die Erkundung von CO2-Lagerstätten in Schleswig-Holstein gebildet hatten. Von 1969 bis 1976 war der Physiker, Mathematiker und Soziologe erster Präsident der FU Berlin.

Michael Donnermeyer (59) ist seit 2007 Geschäftsführer des IZ Klima e.V., einem Informationszentrum, das von Industrieunternehmen, darunter den vier großen Energieversorgern, gegründet wurde, um "eine effiziente und klimafreundliche Kohleverstromung mit CO2-freien Kraftwerken" in der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Vorher war der gelernte Journalist Sprecher des Berliner Senats.

Technology Review: Herr Donnermeyer, wo könnte das nächste Gorleben entstehen?

Michael Donnermeyer: Gorleben – da geht es schon los. Es ist nicht okay, die unterirdische Speicherung von CO2 mit der von strahlendem Material zu vergleichen. Was die Frage des Standortes angeht: Bei den Mengen, über die wir reden, kommen ausgeförderte Öl- und Gasfelder und saline Aquifere, das sind Salzwasser führende Gesteinsschichten, infrage.

Die befinden sich überall in der norddeutschen Tiefebene, unterhalb von Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg. Es wird keine Diskussion über einen speziellen Ort geben, sondern um viele mögliche Gebiete.

TR: Und wann soll es losgehen?

Donnermeyer: Auf der Seite der Abscheidetechnologien ist man ganz gut vorangekommen. Der weiße Fleck ist noch die genauere Erforschung der Speicherkapazität, und man muss mehr lernen über das Verhalten von CO2 unter der Erde. Bis 2020 kann man das schaffen.

Kreibich: Technisch halte ich Pilotanlagen in 10 bis 15 Jahren für machbar. Nun muss man allerdings wissen, dass zwischen Pilotanlagen und einer großtechnischen Anlage Welten liegen. Bei großtechnischen Anlagen würde ich mindestens 20 bis 25 Jahre ansetzen – wenn sie überhaupt jemals zum Einsatz kommen.

Donnermeyer: Warum sollten sie nicht?

Kreibich: Weil innerhalb des norddeutschen Beckens, wenn überhaupt, nur einige Bereiche infrage kommen. Das sagen zumindest Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Das bestätigen auch Vertreter der Abteilung für Geologie am Landesamt für Umwelt und Landwirtschaft Schleswig-Holstein. Nach deren Aussage sind konkret nur zwei kleinere Bereiche in der Nähe von Flensburg geeignet.

TR: Das würde bedeuten?

Kreibich: Dass für Deutschland die Sache passé ist, weil wir überhaupt keine größeren Mengen an CO2 aufnehmen können. Da könnte man vielleicht eine Versuchsanlage bauen und betreiben, aber das wäre es dann auch.

Donnermeyer: Das stimmt nicht. Richtig ist, es gibt noch keine eindeutige Zahl, aber die BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe; d. Red.) schätzt die Speicherkapazität auf mindestens acht bis zehn Milliarden Tonnen, das reicht für ganz schön viel Kohlendioxid.

Abgesehen von der Speicherkapazität: Birgt CCS (Carbon Capture and Storage) denn reale Gefahren? Die Bundeskanzlerin hat 2009 in einer Wahlkampf-Veranstaltung gesagt, in jeder Sprudelflasche sei CO2. Davor brauche man keine Angst zu haben.

Donnermeyer: CO2 als Stoff ist nicht per se giftig. Die Menschen haben Angst davor, weil sie glauben, dass jeder CO2-Austritt unmittelbar zu gesundheitlichen Schädigungen führt. Solange das CO2 nur in geringer Konzentration auftritt, ist es nicht gefährlich. Auch in der Natur tritt CO2 durch Stoffwechsel von Mikroben in geringen Mengen ständig aus dem Boden aus.

Kreibich: Also ich bin ein bisschen erstaunt, dass Frau Merkel so ein dummes Zeug redet. Wenn man CO2 in großen Massen – das sind ja Millionen und Abermillionen von Tonnen – unter hohem Druck in der Erde verpresst, können zwei ganz kritische Punkte auftreten: Das eine wäre eine Spontanexplosion. Dabei würde sehr viel CO2 in kürzester Zeit austreten und sich bodennah sammeln, weil es schwerer ist als Luft. Menschen können sich nicht in einer konzentrierten CO2-Atmosphäre aufhalten, da sterben sie nach kurzer Zeit.