CO2-Speicherung: "Eine unredliche Debatte"

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Donnermeyer: Und was, wenn doch nicht? Und was ist mit Industrie-CO2?

Kreibich: Es gibt genügend Szenarien, sauber durchgerechnet von vielen Institutionen, vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt über Stanford Research bis zum Institute for the Future. Die sagen alle, dass wir mit dezentralen, regenerativen Energien, das heißt also Windanlagen, Photovoltaikanlagen, solarthermischen Anlagen und natürlich mit einer enormen Anstrengung in Richtung Energieeffizienz auskommen werden.

Donnermeyer: Na ja, also ich bin dafür, dass man den Optimismus und den Pessimismus auf alle Technologien gleich verteilt. Und nicht die Effizienztechnologien und regenerative Energien super optimistisch kalkuliert, aber CCS extrem pessimistisch. Wir wissen noch zu wenig, wie diese Technologie funktioniert, das gebe ich zu. Aber dann sollten wir es ausprobieren und entwickeln. Dass der weltweite Energiebedarf weiter steigen wird und auch die Nutzung fossiler Brennstoffe in Ländern wie Indien und China, darüber sind sich ja nun wirklich alle einig.

Kreibich: Das bestreite ich auch nicht.

Donnermeyer: Und deswegen braucht man CCS.

Kreibich: Aber die CCS-Technologie verbraucht zusätzlich etwa ein Drittel der im Kraftwerksbetrieb eingesetzten Primärenergie. Außerdem ist sie bestenfalls in der Lage, zwischen 65 und 80 Prozent des CO2 abzuscheiden.

Donnermeyer: Na ja, technisch sind 99 Prozent drin, das ist dann nur nicht mehr wirtschaftlich. Das Verfahren kostet Energie – und Geld, das ist klar. Aber wir alle wissen: Das ist der Preis für den Klimaschutz. Und Abscheidegrade von 90 Prozent sind wirtschaftlich möglich. Das ist doch schon mal ein Riesenbatzen. Wir emittieren derzeit jährlich rund 300 Millionen Tonnen CO2 aus Kraftwerken. Wenn wir davon nur 80 Prozent abscheiden und verpressen, hätten wir ein Viertel der deutschen Emissionen kassiert.

Kreibich: Ich habe ausgerechnet, dass eine CCS-Anlage für ein normales 800-Megawatt-Kraftwerk rund 1,2 Milliarden Euro Zusatzkosten verursachen würde. Das heißt natürlich, dass damit auch der Strom enorm verteuert würde. Und da sind noch nicht mal die Kosten für die ganzen Kontroll- und Messeinrichtungen unter Tage berücksichtigt. Die kann man heute überhaupt noch nicht berechnen. Nun sitzen aber Vattenfall und andere auf der billigen Braunkohle und möchten die ganz gern verheizen.

Donnermeyer: Natürlich, billigen Strom zu erzeugen ist doch auch legitim und im Interesse der Verbraucher.

Kreibich: Wenn die großen Energieversorger der Meinung sind, CCS wäre eine ganz tolle Technologie, dann sollen sie die Forschung, die Entwicklung und die Durchführung doch selber bezahlen. Und nicht die öffentliche Hand in Anspruch nehmen.

Donnermeyer: Man kann doch nicht auf der einen Seite sagen: Die Entwicklung erneuerbarer Energien subventionieren wir, aber CCS darf nichts kosten. Das ist eine unredliche Diskussion. Außerdem investiert die Industrie schon einen Haufen Geld dafür. Die Oxyfuel-Pilotanlage Schwarze Pumpe hat etwa 80 Millionen Euro gekostet, die Demonstrationsanlage bei Jänschwalde von Vattenfall geht an die Milliarde heran. Die EU legt Förderprogramme auf im EU-Klimapaket, und da gehört CCS als Klimaschutztechnologie selbstverständlich dazu.

Kreibich: Außerdem: Wenn man schon an CO2-Bindung denkt, dann gibt es ja ganz andere Möglichkeiten. Warum kann man von dem vielen Geld nicht Bäume und Sträucher pflanzen, dann wird CO2 gebunden. Oder Mikroorganismen. Dass man zum Beispiel mit Algen größere Mengen an CO2 bindet, halte ich für hochinteressant.

Donnermeyer: Völlig d'accord, man muss alles probieren und erforschen. Aber eben auch CCS. Stattdessen findet eine Diskussion statt mit dem Ziel, diese Technologie abzuwürgen, bevor sie ihre Leistungsfähigkeit auch nur ansatzweise unter Beweis stellen kann. Es geht nicht an, dass Wissenschaftler den Leuten mit Explosionen und so weiter Angst machen.

Kreibich: Das Problem ist doch, dass die Bedenken der Bevölkerung immer wieder übergangen werden. Wenn der Bürgermeister von Beeskow (50 Kilometer nördlich von Jänschwalde; d. Red.) sagt: Wir haben hier gerade mühsam eine neue Wirtschaftsstruktur aufgebaut, die auf Tourismus basiert, dann muss man das doch berücksichtigen. Wenn es da ein Endlager gibt, ist die Region doch für den Tourismus tot.

TR: Heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd andere an?

Kreibich: Na ja, so auch nicht. Ich wollte damit nur sagen: Es gibt diese Ängste, und darauf muss man Rücksicht nehmen.

Donnermeyer: Das ist doch klar. Aber wer das Wort Endlager verwendet, der weiß doch, was er bei der Bevölkerung auslöst. Das ist nicht seriös.

Im letzten Jahr hat die Bundesregierung das CCS-Gesetz zurückgezogen. Wie wird es nun weitergehen?

Donnermeyer: Im Koalitionsvertrag steht, dass ein neues CCS-Gesetz kommt. Wir wissen, dass es derzeit beraten wird. Es gibt Diskussionen darüber, dieses Gesetz erst mal auf Demonstrationsanlagen zu beschränken.

Kreibich: Das wird noch heftige Debatten geben. Im ursprünglichen Gesetz beispielsweise stand noch das Wort Ablagerung. Das ist dann in dem – letztendlich zurückgezogenen – Referentenentwurf durch Speicherung ersetzt worden. Das war ein aufgrund der Intervention der Energieversorger entstandener Versuch des Gesetzgebers, sich aus den Umweltschutzgesetzen herauszumogeln und CCS nur nach Bergrecht zu regeln. Wenn das so bleibt, dann gibt es einen Riesenaufstand. Davon bin ich überzeugt. (wst)