Das Unvollendete

Seite 5: Das Unvollendete

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Es gab einen Vorschlag, eine spezielle Top-Level-Domain namens ".mobi" einzurichten. Alle Websites, die mit Mobiltelefonen funktionieren, sollten darin versammelt sein. Es wäre der Ort für Web-Inhalt für Mobilgeräte. Aber es sollte für alles nur eine einzige Web-Adresse geben. Inhalte in ein .mobi-Gehege abzuspalten ist der falsche Weg. Wir haben am W3C jede Menge Standards, die Websites bestens laufen lassen, egal ob auf einem Handy oder einem Großbildschirm. Aber wenn man ".mobi" ans Ende des Domain-Namens setzt, sagt man offensichtlich, "das ist ein spezieller Ort für Dinge, die auf Handys zu betrachten sind".

Technology Review: Es tobt ein Machtkampf zwischen den Vereinten Nationen und der Icann (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), welche die Vergabe von Domain-Namen und Internet-Adressen verwaltet. Was ist Ihre Meinung?

Manche Länder sind berechtigterweise besorgt, dass die Icann im Dienst des US-Handelsministeriums steht. Das Internet ist eine internationale Angelegenheit, und selbst wenn die Icann es sorgfältig im besten Interesse der ganzen Welt verwaltet, herrscht in vielen Ländern das Gefühl, dass die Icann US-kontrolliert ist, und dass dies ungerecht ist. Mein Gefühl ist, dass diese Asymmetrie sorgsam ausgeräumt werden muss. Es ist wichtig, dass die Lage als gerecht angesehen wird. Aber die Icann existiert nun einmal, und sie arbeitet. Sie sollte nicht plötzlich wieder eingestampft werden. Etwas zu schaffen, das die Beteiligten ausgeglichen vertritt, braucht viel Erfahrung und immer neue Aufmerksamkeit.

Technology Review: Glauben Sie, dass das World Wide Web Ihre größte Leistung sein wird?

Meine Rolle musste sich notwendigerweise vom einsamen Entwickler über den Anstachler zum leitenden Architekten und Konsensvermittler des W3C wandeln. Aber ich habe den Verdacht, dass das Web meine größte Leistung sein wird - obwohl ich dazu zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein musste. Der Fehler ist aber, es für vollendet zu halten. Das semantische Web ist nur die Anwendung eines Web-ähnlichen Designs auf Daten. Es wird noch viele Jahrzehnte dauern, bis wir die Idee des Webs ganz umgesetzt haben, wenn wir es denn je schaffen.

Technology Review: Abgesehen vom semantischen Web, haben Sie weitere Träume oder Wünsche für das Web?

Ach, Unmengen! Ich habe mir das Web stets als kreativeres, flexibleres Medium gewünscht, etwa mit Anmerkungssystemen und der Möglichkeit gemeinschaftlicher Überarbeitung von Dokumenten. Spannend finde ich die Nutzung neuer tragbarer Geräte im Web, Sprachtechnologie und vieles andere. Wenn man einmal mit der Idee des Webs begonnen hat, wird so viel möglich.

(entnommen aus Technology Review Nr. 11/2004; das gesamte Heft können Sie hier bestellen) (sma)