Die Wahrheit über Nanotechnologie

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Auch wenn Feynman den Begriff damals noch nicht gebrauchte, gilt der Vortrag heute weithin als die Geburtsstunde der Nanotechnologie. Den Namen prägte 1974 der japanische Ingenieur Norio Taniguchi. 1989 kam Don Eigler am IBM Almaden Research Center dann Feynmans Vision noch näher -- ein Jahr nach dem Tod des Vordenkers. Als er mit einem Kollegen Xenon-Atome auf einer Platinoberfläche untersuchte, entdeckte er, dass sie sich mit der Spitze des Rastertunnelmikroskops auch bewegen lassen. Aus 35 Xenon- Atomen montierte Eigler die drei Buchstaben "IBM". Gerd Binnig erfand in den Achtzigern noch ein weiteres Nanowerkzeug: das Kraftmikroskop. Der Messfühler bestand aus aus einem 70 Mikrometer langen Siliziumhebel (Cantilever), an dessen Ende eine hauchfeine Spitze herabhängt. Wird diese von einem Oberflächenatom zum Beispiel elektrostatisch angezogen, verbiegt sich der Cantilever -- und genau dies kann über die Verschiebung eines am Hebel reflektierten Laserstrahls gemessen werden. Der Vorteil: Im Unterschied zum Rastertunnelmikroskop muss die Probe nicht elektrisch leitend sein. Man kann nun jedes beliebige Material in atomarer Auflösung studieren.

Doch nicht nur die Physiker arbeiten sich mit ihren Methoden zum Feintuning des Nanokosmos vor. Auch Chemiker und Biologen haben in den vergangenen Jahrzehnten gelernt, die Bausteine der Materie und des Lebens mit immer größerer Präzision zu untersuchen und zu manipulieren. Bereits in den dreißiger Jahren hatte der Jenaer Glashersteller Schott ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Beschichtungen ganz gezielt mit neuen, verblüffenden Eigenschaften herstellen lassen: den Sol-Gel-Prozess. Bringt man ein Silan -- ein Silizium-Atom, an dem vier Alkoholgruppen hängen -- mit Wasser zusammen, werden die Alkohole teilweise abgetrennt und durch ein Wassermolekül ersetzt. Das resultierende Silanol klumpt leicht zu so genannten Kolloiden zusammen, die bereits wenige Nanometer groß sind. In wässriger Lösung schwimmend bilden sie das Sol. Entzieht man dem durch Erhitzen oder Verdampfen das Wasser, beginnen sich die Silanole zu einem dichten Netz zu verketten. Aus dem Sol wird ein zähflüssiges Gel.

"Das Faszinierende am klassischen Sol-Gel-Prozess war, dass man damit Kolloide gemacht hat. Sie sind nanoskalig, sie streuen kein Licht, und wenn man sie in einer dünnen Schicht auf eine Oberfläche bringt, ist die Schicht transparent. Das hat die Glashersteller damals furchtbar fasziniert", erzählt Helmut Schmidt, der Leiter des Instituts für Neue Materialien (INM) in Saarbrücken. In den siebziger Jahren stellte er sich eine andere Frage: Was passiert, wenn man an die Kolloide noch organische Moleküle anknüpft, an deren Ende etwa das Element Fluor sitzt? Trägt man ein Sol solcher Fluorsilane hauchdünn auf eine Oberfläche auf, sammeln sich die Fluorenden beim Aushärten an der Oberfläche. Weil sie wasserabweisend sind, ballen sich Wassermoleküle darauf zu dicken Tropfen zusammen, und Kalk oder andere Partikel im Wasser können keinen ausgedehnten Schmutzfilm bilden. Die Oberfläche lässt sich leichter reinigen.

Die Biologie tat ihren ersten großen großen Schritt in die Sphäre der Moleküle, als James Watson und Francis Crick 1953 die exakte Struktur des DNA-Moleküls veröffentlichten. Die gleicht einer langen, verdrillten Strickleiter, bei der Paare der Basen Adenin und Thymin oder Guanin und Cytosin die Sprossen bilden. Es war der Startschuss für die rasante Entwicklung der Molekularbiologie. Sie gipfelte vorläufig in der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms, die im Jahr 2000 abgeschlossen war: Mit Hilfe von neuen chemischen Verfahren wie der Polymerase-Kettenreaktion und leistungsfähigen Computern konnte die Abfolge der rund drei Milliarden Basenpaare in der menschlichen DNA ermittelt werden. Mit dieser Information lassen sich im Prinzip sämtliche Proteine, die von kurzen Abschnitten aus Basenpaare kodiert werden, entschlüsseln -- Voraussetzung für ein molekulares Verständnis der Zellprozesse.