Europas Netzplan

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Ob ACER, die dann die Interessen von 27 EU-Staaten unter einen Hut bekommen muss, jedoch den Zeitvorsprung der ENTSO-E aufholt und günstige Strompreise sowie gerechte Einspeisebedingungen für alle Stromerzeuger sichern kann, bleibt abzuwarten. Bisher haben die Netzbetreiber bei der Formulierung der Netzcodes jedenfalls "die dominierende Rolle gespielt, und das wollen die sicher auch in der Zukunft", formuliert Rohrig sein Misstrauen.

Bleiben also beim europäischen Netzausbau die Interessen der kleineren Wind- und Solarbauer auf der Strecke? "Die großen Unternehmen sind in Brüssel besser vernetzt", gibt Ulf Gerder, Pressesprecher des Bundesverbandes WindEnergie (BWE), mit Blick auf die Nähe der ENTSO-E zum deutschen Energiekommissar Günther Oettinger zu. "Aber unser wichtigster Lobbyansatz ist nicht die Kommission, sondern das Parlament." Denn weitreichende Richtlinien müssen auch von den Parlamentariern abgesegnet werden.

Ob in Brüssel und Straßburg, Berlin, Madrid oder Paris, Strom-Lobbyisten jedweden Lagers werden in den nächsten Monaten alle Register ziehen. Denn mit den Ausbauplänen und den Betriebsregeln für das europäische Stromnetz der Zukunft werden die Randbedingungen festgezurrt werden, nach denen Erzeuger, Transporteure und Verteiler auf Jahrzehnte hinaus ihr Geld verdienen werden. Diese Entwicklung, die gemäß den Energieplänen der Europäischen Kommission in erster Linie dem Klima und dem EU-Bürger dienen soll, ist bislang am privaten Stromverbraucher weitgehend vorbeigelaufen. Aber auf der Stromrechnung wird er die Folgen zu sehen bekommen, da die Netzbetreiber ihre Ausbaukosten auf die Kunden umlegen dürfen. Wie das genau geschehen wird, ist noch Bestandteil ausstehender Verhandlungen.

Zum Nulltarif wird die Umstellung auf klimafreundlichen Ökostrom mit einem europaweiten intelligenten Stromnetz für die Verbraucher wohl nicht zu bekommen sein. Aber im Gegenzug für einige Cent Strompreiserhöhung könnten die Stromkunden ihren Strombedarf reduzieren, sobald sich mit intelligenten Stromzählern klassische Stromfresser wie Kühlschrank, Waschmaschine oder Trockner besser kontrollieren lassen. So werden die Verbraucher die Betriebszeiten an den tageszeitlich schwankenden Strompreis anpassen können. Wenn sie dann noch mit Blockheizkraftwerken ihren Strom im Keller selbst erzeugen und ins Netz einspeisen, können sie zu den Kursen einer europäischen Strombörse ihre überschüssige Energie sogar verkaufen. Und das dank eines dann hoffentlich engmaschigen intelligenten Stromnetzes bestimmt nicht zu negativen Preisen. (bsc)