IPv6 statt IPv4: Nicht wollen oder nicht können?

IPv4 und kein Ende: Trotz des lange postulierten Adressmangels ist kein flächendeckender Umstieg auf IPv6 in Sicht.

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(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Susanne Nolte

Seit 15 Jahren wird das Ende der IPv4-Adressen prophezeit und doch nicht erreicht. iX wollte wissen, was IT-Abteilungen daran hindert, auf IPv6 umzustellen. Den Anlass zu der Umfrage gab die Ankündigung von AWS, nicht nur für ungenutzte, sondern auch für tatsächlich genutzte öffentliche IPv4-Adressen Gebühren zu erheben. Deshalb fragten wir, wie es um die Verwendung von IPv4-Adressen in öffentlichen Netzen und speziell in der Cloud tatsächlich bestellt ist.

Das Ergebnis: Noch immer ist IPv6 keine wirkliche Alternative zu IPv4. Von den gut 3000 Teilnehmenden arbeiten 48 Prozent ausschließlich und 24 Prozent weitestgehend mit IPv4, 22 Prozent mit Dual Stack und 5 Prozent nur noch ausnahmsweise oder gar nicht mehr mit IPv4.

Bei der Frage "Warum noch IPv4?" verteilten sich die Antworten gleichmäßig (siehe Abbildung). Bei den Freitextantworten zeichneten sich zwei Lager ab: Das eine hält es mit der Strategie "Never change a running system". Das andere sieht sich vor nicht unerheblichen Hürden – in der IT-Sicherheit, bei Firewalls und beim Routing, in Anlagen, Hard- und Software, bei Kunden, Internetdiensten, Providern und bei Glasfaserzugängen und Handynetzen. Die Komplexität von IPv6, die fehlende Zeit zur Einarbeitung, mangelnde Erfahrung, der erheblich höhere Aufwand auch beim Dual Stacking und Blockaden durch Vorgesetzte und Kollegen wurden ebenso genannt wie der fehlende Überblick über die Konsequenzen und die Protokolleigenschaften von IPv6.

Die meisten Befragten wollen nicht auf IPv6 umstellen oder haben gute Gründe dafür.

Entsprechend haben 48 Prozent der Antwortenden keine Umstellungsstrategie, 19 Prozent wollen den Übergang mit Dual Stacking bewerkstelligen und 26 Prozent wollen so lange wie möglich beim Dual Stacking bleiben. Bei den Freitextantworten fällt ein Wort besonders häufig: Warten, warten auf den Provider, neue Hardware, auf eine neue Geschäftsleitung oder eine IPv6-Alternative. So die eine große Gruppe, die andere möchte, solange es geht, abwarten – 62 Prozent haben keine Roadmap für eine Umstellung.

Ins Auge stach die Antwortenverteilung bei der Frage nach den Kosten durch Provider-gebundene IPv4-Adressen, da 38 Prozent der Befragten Adressen bei Cloud-Providern mieten, während 39 Prozent keine Public Cloud nutzen. Nur für die wenigsten Cloud-Nutzer, nämlich 4 Prozent, sind IP-Adressen derzeit überhaupt ein hoher Kostenfaktor, für 5 Prozent dann, wenn AWS Gebühren erhebt. Für den Rest sind die Kosten gar nicht oder wenig relevant.

Diese Verteilung ist situationsbedingt: Keine Kosten entstehen bei allen, die in der Public Cloud keine oder eigene IPv4-Adressen verwenden oder deren Cloud-Anbieter keine Gebühren dafür verlangt. Andere Hyperscaler wie Azure oder lokale Anbieter wie Hetzner verlangen unverändert geringe Gebühren, die in dem Cloud-Paket nicht groß ins Gewicht fallen. In anderen Unternehmen macht das Cloud-Computing nur einen geringen Teil der IT aus oder die IPv4-Adressen stammen aus unterschiedlichen Quellen.

Entsprechend wollen nur 4 Prozent ihren Umgang mit Provider-gebundenen IPv4-Adressen ändern. Ein Viertel hat sich noch nicht entschieden, 71 Prozent werden nichts ändern, zum Teil, weil AWS das gar nicht zulässt (siehe "Antworten aus der iX-Umfrage zu IPv4").

Warum nutzen Sie noch IPv4-Adressen?

  • Die Entscheider verstehen IPv6 nicht.
  • Komfort, zu lange Adressen, NAT-Probleme, gefilterte IPv6-Bereiche.
  • Die Sicherheitsmaßnahmen sind [...] auf IPv4 ausgelegt; Dual-Stack-Betrieb würde den Aufwand formal verdoppeln.
  • IPv6 only funktioniert gut, leider gibt es noch zu viele kaputte Mailserver, Firewalls, fehlenden IPv6-Support im Internet. Daher [...] ein paar IPv4-Adressen.
  • Bestimmte Dienste und Services laufen nur mit v4, der Rest ist Dual Stack. Bekannte Bugs: IPv6-MTU bei AVM/Fritz falsch, IPv6 Fragment Delivery im [...] Backbone, IPv6 funktioniert nicht für unseren Spamfilter [...], IPv6-Bugs nach Power-up bei Intel-WiFi-NICs.
  • Der Klassiker: Wurde schon immer so gemacht [...].

Wie sieht Ihre Umstellungsstrategie aus?

  • IPv4 bis zum bitteren Ende.
  • Auf IPv7 warten, das NAT unterstützt.
  • Warten auf Geld und/oder ein Wunder (IPv8 oder so).
  • Alle paar Jahre wird evaluiert, ob alle Kunden sich noch verbinden können, wenn IPv4 entfällt.
  • NAT über NAT über NAT.

Werden Sie durch die Gebührenerhebung auf genutzte IPv4-Adressen durch AWS Ihre Nutzung von IPv4-Adressen ändern?

  • Die Kosten sind im Vergleich zur Umstellung auf IPv6 so gering, dass diese nicht auffallen [...].
  • Nicht mal AWS Cloudfront kann IPv6, ich würde gerne umstellen!
  • Keine Änderung, wir sind ein Großunternehmen, wir bezahlen keine Listenpreise.
  • AWS macht es teilweise nahezu unmöglich, auf Public IPv4 zu verzichten, da manche Services von AWS selbst nicht per v6 erreichbar sind, z. B. die Container-Registry (ECR).

(sun)