Mehr Regen, weniger Sauerstoff: Welche Auswirkungen Offshore-Windparks haben

Überfischt, verschmutzt, versauert: Die Meere sind in einem schlechten Zustand. Große Windparks dürften das marine Ökosystem zusätzlich belasten.

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Die Auswirkungen von Windparks wie Bard Offshore 1 müssen besser verstanden werden, fordern Helmholtz-Forscherinnen und -Forscher.

(Bild: Bard-Gruppe)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Windparks im Meer haben eine Reihe von Vorteilen. Der Wind weht hier weit draußen verlässlich und stark. Zahlreiche Konflikte mit Anwohnern entfallen, denn ihre Rotoren drehen sich meist außer Sicht- und Hörweite.

Doch wie jedes menschliche Bauwerk sind auch sie ein Eingriff in die Umwelt. Nur weil man sie auf See kaum wahrnimmt, heißt das nicht, dass sie die Meeresumwelt nicht verändern.

Anders als auf dem Festland lassen sich die Auswirkungen von zukünftigen Offshore-Bauten auf die Unterwasser-Ökosysteme nur schwer vorhersagen. Randmeere, wie Nord- und Ostsee, sind als Landschaften nämlich kompliziertere Umweltsysteme. Unterschiedliche sommerliche Wasserschichten und zahlreiche Fronten an den Grenzen ungleicher Wasserkörper wechselwirken mit Bodentopografie, Gezeiten, Ozean- und Flusswasserzufuhr.

Diese physikalischen Einflussgrößen bestimmen die Ausbreitung und Verteilung von Nährstoffen, von denen sich die mikroskopisch kleinen Planktonalgen ernähren, die als so genannte Primärproduzenten am Anfang der Nahrungsnetze stehen. Ihnen folgen in der Nahrungskette kleine Zooplanktonorganismen, Fischlarven, Fische, Meeressäuger und schließlich auch die Menschen.

Am Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht erforschen im Institut für Küstensysteme inzwischen mehrere Arbeitsgruppen die Auswirkungen von existierenden und geplanten Windenergie-Parks in der Nordsee. Denn das wurde bisher größtenteils vernachlässigt. Dabei wäre es angesichts des forcierten Ausbaus der maritimen Windenergie jetzt dringend nötig, mehr über die konkreten Auswirkungen zu erfahren.

So fand vor ein paar Monaten eine Hereon-Arbeitsgruppe um Naveed Akhtar heraus, dass sich die Windparks in der Nordsee nicht nur gegenseitig den Wind wegnehmen, sondern auch einen großen Einfluss auf das lokale Klima haben.

In der Nähe der Windkraft-Cluster verlangsamen die Rotoren die Windgeschwindigkeit nämlich um bis zu einen Meter pro Sekunde und erwärmen die Luft um 0,25 Grad.

Gleichzeitig transportiert die geballte Menge an Windkraftanlagen feuchte, kalte Luft in höhere Luftschichten, wo sie mehr Wolken erzeugt, aus denen dann fünf Prozent mehr Regen als normal auf die Windparkgebiete fällt.

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Derartige Veränderungen des lokalen Klimas erscheinen zwar gering, dennoch beeinflussen sie die physikalischen und ökologischen Prozesse im Meer, wie ein Hereon-Team um Ute Daewel jetzt zeigen konnte.

Die veränderten Windfelder steuern nämlich die Wasserströmungen, Fronten und die sommerliche Schichtung, und damit auch die Ausbreitung von Nährstoffen und die Verbreitung der so wichtigen Planktonalgen, die die Grundlage allen Lebens im Meer sind.

Die Primärproduktion, das Wachstum der Mikroalgen, kann dadurch je nach Gebiet lokal um bis zu zehn Prozent zu- oder abnehmen – und zwar in der gesamten südlichen Nordsee, nicht nur in den Windparkgebieten selbst. Das hat dann auch Konsequenzen für die zweite Stufe in der Nahrungskette, die winzigen Zooplankton-Tierchen, die von den Algen leben und ihrerseits als Nahrung für Fische dienen.

Am deutlichsten ist der Rückgang der besonders regen Primärproduktion im Zentrum der großen Windparks in der inneren Deutschen Bucht und der Doggerbank, dort wo Wind und Wellen das Wasser bis in 30 Meter Tiefe durchmischen, so dass keine Schichtung entstehen kann.

In den flachen, küstennahen Gebieten der Deutschen Bucht dagegen, in stark geschichteten Meeresregionen und an den Rändern der Doggerbank wird die Primärproduktion dagegen zunehmen.

Zum Problem können solche Veränderungen für Fischlarven und Jungfische werden. Die Evolution hat sie nämlich gelehrt, dass sie immer wieder zu genau denselben Zeiten im Jahr und in denselben Meeresregionen genau die für sie passende Nahrung finden. Schlüpfen sie zur falschen Zeit am falschen Ort, weil sich die Planktonorganismen in Zukunft woanders ausbreiten, verhungern sie und die Fischerei hat das Nachsehen.

Genauso problematisch ist es, wenn sich organisch gebundener Kohlenstoff am Meeresgrund direkt an den Windpark-Standorten um zehn Prozent erhöhen wird. Er besteht aus abgestorbenen, nicht gefressenen Planktonreste, die in die Tiefe rieseln. Bakterien beginnen dann, diese organischen Überbleibsel zu kompostieren, wozu sie viel Sauerstoff brauchen – gerade dort, wo Sauerstoff sowieso Mangelware ist.

Beispielsweise im so genannten Austerngrund, einer rund 50 Meter tiefen Senke im Meeresboden südlich der Doggerbank. Ausgerechnet hier sind besonders viele Windenergieanlagen geplant.

Dort unten liegt der Sauerstoffgehalt meist sowieso nur bei drei Milligramm pro Liter Wasser, ziemlich nahe am anaeroben Milieu, das unterhalb von zwei Milligramm Sauerstoff pro Liter beginnt. Ab da fühlen sich nur noch Bakterien wohl, die ohne Sauerstoff auskommen und dafür Methan und Schwefelwasserstoff ausgasen. Wenn wegen der dort geplanten Windenergie-Cluster noch mehr Planktonreste von der Oberfläche absinken, dürfte der Sauerstoffgehalt um weitere zehn Prozent abnehmen.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass der umfangreiche Ausbau der Offshore-Windparks einen erheblichen Einfluss auf die Strukturierung der marinen Küstenökosysteme haben wird. Diese Auswirkungen müssen wir schnell besser verstehen und auch im Management der Küstenökosysteme berücksichtigen", sagt Daewel deshalb.

Wenn die Anlagen erst einmal stehen, ist es zu spät, die Meeresumwelt wissenschaftlich zu überwachen. Lassen sich dann Schäden nachweisen, wird niemand die Kraftwerke zurückbauen wollen.

Für Daewel und ihre Mitautoren ist es deshalb wichtig, die Veränderungen jetzt auch genauso schnell zu verstehen, wie geplant wird. Dieses Wissen sei nicht nur von zentraler Bedeutung für ein zukünftiges Fischereimanagement in der Nordsee, so die Autoren, sondern auch für die Ausweisung und Umsetzung von Meeresschutzgebieten.

(jle)