Windkraft: "Die Länder müssen sich entscheiden, ob sie auf Konfrontation gehen"

Thorsten Müller, Vorsitzender der Stiftung Umweltenergierecht, erläutert im Interview die geplante Pflicht, Windkraft auszubauen.

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(Bild: TimSiegert-batcam/Shutterstock.com)

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Ein zentraler Hemmschuh für den Ausbau der Windkraft war bislang der Mindestabstand von Windrädern zur Wohnbebauung. Diesen konnten die Länder selbst festlegen. Mit einem Gesetzentwurf will Robert Habeck die Länder nun stärker in die Pflicht nehmen. Thorsten Müller, Vorsitzender der Stiftung Umweltenergierecht, erläutert die rechtlichen Möglichkeiten dazu.

Kann der Bund die Abstandsregelungen der Länder einfach so aushebeln?

Thorsten Müller, Vorsitzender der Stiftung Umweltenergierecht

(Bild: Manuel Reger)

Das kann er sehr einfach. In Paragraph 249 Absatz 3 des Baugesetzbuchs ist geregelt, dass die Länder ausnahmsweise gesetzliche Mindestabstände festlegen können. Wir bewegen uns hier in der "konkurrierenden Gesetzgebung", bei der die Kompetenz eigentlich den Ländern zusteht – es sei denn, der Bund macht davon selbst Gebrauch. Das hat er für das Windplanungsrecht nun abschließend getan.

Trotzdem greift Robert Habeck nicht die Abstandsregeln selbst an. Stattdessen will er Länder verpflichten, zwei Prozent ihrer Fläche für Windkraft auszuweisen. Warum dieses Spiel über Bande?

Das ist wahrscheinlich für die Länder am gesichtswahrendsten. Und den Weg über die Festlegung der Flächenmengen müssen wir ohnehin gehen. Bisher wussten die Länder, die regionalen Planungsträger oder die Kommunen nicht genau, wie viel Fläche ausgewiesen werden muss. Mit der Festlegung konkreter Mengenziele sagt man ihnen nun, welcher Umfang notwendig ist. Die Planungsträger können aber weiterhin darüber entscheiden, wo die Windenergie genutzt werden soll. Zudem sollen die gesetzlichen Mindestabstände ihren Charakter ändern: Bisher sind diese Flächen für die Planungsträger tabu. Das müssen die Länder ändern, dort kann also in Zukunft geplant werden.

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Die harte Abstandsregelung wird damit also en passant auch abgeschafft?

In der Tat, und die Länder haben eine klare Frist. Sie müssen bis zum Juni nächsten Jahres den Gesetzentwurf in ihre Landesgesetze umsetzen.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 5/2022

(Bild: 

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Welche Möglichkeiten haben die Länder, das auf gerichtlichem Wege zu verhindern?

Sie könnten beim Bundesverfassungsgericht eine Normenkontrollklage erheben, aber das halte ich für aussichtslos. Die Kompetenzlage ist sehr eindeutig. Ein solches Gesetz wäre nicht einmal zustimmungspflichtig im Bundesrat. Aber unwillige Länder könnten versuchen, die neue Rechtslage im Vollzug zu unterlaufen. Eine Möglichkeit wäre, Windenergie über die Raumordnung zu verhindern. Das versucht der Bund so weit wie möglich auszuschließen. Die Länder müssen sich letztlich entscheiden, ob sie auf Konfrontation gehen. Aber wenn wir die Energiewende und die Unabhängigkeit von russischen Importen erreichen wollen, müssen Bund und Länder zusammenarbeiten.

Die bayerische Landesregierung ist in diesem Punkt gespalten. Die Freien Wähler geben sich gelassen, die CSU schäumt.

Bayern hat einen Katalog bestimmter Flächen definiert, in denen die Abstandsregelung nicht mehr gelten soll, unter anderem in planungsrechtlich ausgewiesenen Windvorranggebieten. Das ist dasselbe, was auch der Bund will. Ob die von der Staatsregierung vorgeschlagenen Flächen für das Zwei-Prozent-Ziel ausreichen werden, kann ich aber nicht beurteilen.

Erwarten Sie dadurch verstärkte Konflikte mit Bürgerinitiativen?

Das darf man nicht überbewerten. Die weit überwiegende Mehrheit steht hinter der Windenergie. Um die Konflikte zu minimieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Gerade die Planung kann etwa den Raum vor Ort so strukturieren, dass Konflikte vermieden werden. Und wenn man als Landesregierung die Windenergie als Problem kommuniziert, erzielt man eine andere Wirkung, als wenn man Aufbruchsstimmung verbreitet. Zudem hat der Bund in der EEG-Novelle 2021 die finanzielle Beteiligung der Kommunen ermöglicht.

Nach dem Vorschlag von Habeck sollen Länder auch Flächen untereinander übertragen können. Wie soll das funktionieren?

Wahrscheinlich ist es klug, weil es Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Wer die Geberländer und die Nehmerländer sind und was eine Gegenleistung sein könnte, können die Länder untereinander aushandeln. Es handelt sich hier eben nicht um Verwaltungsvollzug, sondern um politische Gestaltung. 

(jle)