Missing Link: Autonomes Fahren – hätt' ich dich heut erwartet... (Teil 2)

Seite 2: USA: fahrerloser Straßentransport

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Während bei uns keine Robo-Taxis in Sicht sind, wird vor allem in den USA und in China ernst gemacht mit dem "fahrerlosen Passagiertransport". Diesen Montag erst stellte die Firma Zoox ein Fahrzeug vor, mit dem ein Robo-Taxi-Service in San Francisco an den Start gehen soll, Finanzier des Startups ist Amazon. Führend ist jedoch nach wie vor die aus dem Google Car Project 2016 hervorgegangene Firma Waymo. Sie hat in allen relevanten Messgrößen – der Anzahl Testfahrzeuge und Testgebiete, der gefahrenen Testkilometer auf öffentlichen Straßen und im Simulator, der Zeit bis zum notwendig Werden des Eingreifens (disengagement) – die Nase vorn.

Waymo's autonomously driven Chrysler Pacifica Hybrid minivan 1

(Bild: Waymo)

Bereits im April 2017 ging unter dem Namen Waymo One der weltweit erste Selbstfahr-Taxidienst im Stadtgebiet von Austin, Texas, an den Start – die Wüstenstadt ist bekannt für gleichbleibend gute Wetterbedingungen und ein übersichtliches Straßennetz. Das Fahrzeug wird wie bei einer Taxi-App bestellt und ein Aufnahmepunkt, meist die nächste Straßenecke oder etwa ein Supermarktparkplatz, gewählt. Das Fahrzeug kommt, per App wird die Tür geöffnet und der Kunde kann Platz nehmen.

In Waymos "Early-Rider-Programm" konnte ein ausgewählten Benutzerkreis erstmals den gesamten Ablauf, von der Bestellung eines autonomen Taxis, der Fahrt, der Bezahlung – testen, allerdings noch mit Sicherheitsfahrer an Bord. Im Oktober 2018 erhielt Waymo als erstes Unternehmen dann die Genehmigung, seine Autos ohne Sicherheitsfahrer an Bord zu betreiben.

Im Zuge der Corona-Pandemie wurden zunächst – wie bei der Konkurrenz auch – sämtliche Testfahrten auf öffentlichen Straßen eingestellt. Doch seit September ist Waymo wieder dabei. Der Service kann – seit Oktober 2020 erstmals ohne Einschränkungen – von jedermann genutzt werden in ausgewählten Testorten wie Phoenix. Auch ökonomisch sind die Testbetriebe gereift, Waymo verlangt Preise ähnlich wie bei einer Uber-Fahrt. Als direkte Folge der veränderten Sicherheitswahrnehmung durch die Corona-Pandemie ist der Sicherheitsfahrer ist verschwunden. Dieser war standardmäßig immer noch an Bord, um dem subjektiven Sicherheitsbedürfnis der Fahrgäste zu entsprechen, die sich in ihrer Mehrzahl unwohl fühlten ohne einen solchen.

Der gesetzlich vorgeschriebenen Eingriffsmöglichkeit im Disengagement-Fall wird durch Fernüberwachung genüge getan. Sobald das Fahrzeug eine Situation nicht bewältigen kann, übernimmt ein Robo-Taxi-Lotse, der in einem entfernten Kontrollzentrum sitzt, die Steuerung, ähnlich wie bei Fluglotsen: Ein Profi übernimmt die Steuerung in diesen Situationen per Fernwartung. Das mitfahrende Sicherheitspersonal kann so perspektivisch eingespart werden, was einen wesentlichen Kostenfaktor des Geschäftsmodells eliminiert. Noch ist die Sensorik und Hardware für die Fahrzeuge sehr teuer, ein weiterer Grund, warum der Betrieb einer Flotte mit ihrer hohen Auslastung der Fahrzeuge naheliegt, in der sich die hohen Anschaffungskosten der Fahrzeuge rasch amortisieren können.

Im September publizierte das Unternehmen einen Sicherheitsreport, der eine sehr detaillierte Unfallbilanz enthält. In einem Zeitraum von knapp zwei Jahren und einer insgesamt gefahrenen Strecke von fast 10 Millionen Kilometern waren Waymo-Fahrzeuge in 47 Unfälle verwickelt, meist Auffahrunfälle durch andere Fahrzeuge. Es gab keine Verletzten, und "schuldig" war in 100 Prozent der Fälle die Gegenseite. Waymo agiert – anders als Tesla und Uber mit ihren Testläufen – extrem vorsichtig und geht davon aus, dass sich die Technologie nur durchsetzt, wenn sie nahezu unfallfrei von Statten geht,

Die Corona-Pandemie hat also dem Geschäftsmodell nach kurzfristigem Shutdown einen ordentlichen Schub gegeben. "COVID-19 hat deutlich gemacht, wie vollständig selbstfahrende Technologie sichere und hygienische persönliche Mobilitäts- und Lieferservices bieten kann", gab CEO John Krafcik zu Protokoll.