Missing Link: Autonomes Fahren – hätt' ich dich heut erwartet... (Teil 2)

Seite 3: In China winkt ein lukrativer Markt

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Auch in China testen zahlreiche Startups und auch potentere Player wie Apollo, das zur chinesischen Suchmaschine Baidu gehört, Robo-Taxis in mehreren Städten. Seit 2019 haben chinesische Unternehmen, darunter Baidu, DiDi und AutoX ihre Robo-Taxi-Flotten verdoppelt auf derzeit 260 Fahrzeuge. Wie in den USA auch wurden Pandemiebedingt alle Testläufe eingestellt, konnten aber mehrere Monate früher wieder an den Start gehen – wertvolle Zeit im Rennen mit der Konkurrenz aus Kalifornien.

Autonome Autos kommen (28 Bilder)

Im Herbst 2015 stattete Tesla sein Model S per Software-Update mit einem Autopiloten aus.
(Bild: Tesla)

Staatliche Förderung und Installierung von flächendeckendem 5G in den Städten trägt ebenfalls dazu bei, dass die Experimente Aussicht auf Erfolg haben. So sollen bis Ende des Jahres 90% der Autobahnen in China mit der Vehicle-to-Everything (V2X) Technologie abgedeckt sein. Peking hat Ende Februar die Devise ausgegeben, bis 2025 ein Drittel aller in China produzierten Autos "selbstfahrfähig" sein sollen, berichtet das Wall Street Journal.

Die schiere Größe des chinesischen Binnenmarkts ist dabei das gewichtigste Argument für ein lukratives Geschäft. Jianxiong Xiao, Chef von AutoX, das in der südchinesischen Stadt Shenzhen einen Testlauf mit selbstfahrender Flotte unterhält: "Wenn sie es in einer Stadt geschafft haben, können sie die gleiche Technologie, das gleiche Geschäftsmodell auf 200 weiteren Städte übertragen."

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Technologisch und wirtschaftlich dürften die US-Firmen derzeit noch eine Führungsrolle einnehmen. Bei der breiten Umsetzung in einem Massenmarkt könnte jedoch sogar China das Rennen machen. Bei uns ist von solchen Flottenexperimenten mit automatisiertem Passagiertransport bislang wenig zu sehen. Die Dominanz des Privat-PKWs und der damit verknüpften "Fahrerperspektive" ist deutlich, die Autokonzerne besitzen die Definitionshoheit und Diskursmacht beim Stichwort "autonomes Fahren". Gleichzeitig verfügen wir in Deutschland über einen vergleichsweise guten öffentlichen Verkehr.

Die Entwicklungspfade der Autoindustrie dominieren hierzulande, und es gibt keine Digitalkonzerne, die Vergleichbares hier versuchen würden. Neue Mobilitätsformen haben es traditionell schwer bei uns, Uber hat es nicht geschafft, sein Geschäftsmodell in Deutschland zu etablieren. Als Nischenprodukt sind Testbetriebe mit autonomen Shuttles verbreitet, die jedoch technologisch, was die kommerzielle Nutzung und die Skalierbarkeit angeht, über prototypische Kleinprojekte bislang nicht hinausgehen.

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Die Frage stellt sich, ob es nicht Aufgabe des ÖPNV wäre, hier Dinge voranzutreiben, statt das Feld der Autoindustrie bzw. den Digitalkonzernen zu überlassen. Denn: Ist das was Waymo macht nicht weniger Konkurrenz zum ÖPNV, sondern vielmehr ganz im Gegenteil dessen Zukunft? Auch der Taxiservice mit Fahrerinnen und Fahrern, wie wir ihn kennen, ist schließlich Teil des ÖPNV. Es handelt sich dabei ja um ein System der Passagierbeförderung, für alle – Kinder, Blinde, Schüler, Alte, Männer und Frauen (vorausgesetzt, sie können es sich leisten), und es ist – wie bei jeder Flotte, etwa Taxis oder Lieferfahrzeuge, maximale Auslastung angestrebt. Warum nicht dafür sorgen, dass auch der fahrerlose Passagiertransport, autonome Shuttles und eine breiter Palette weiterer fahrerloser Transportmittel Teil desselben wird?

Impulse kommen erstaunlicherweise aus dem sonst so Autofreundlichen Verkehrsministerium. Dort wird derzeit an einer Novelle der Straßenverkehrsordnung gearbeitet, die erstmals autonomes Fahren auf Stufe 4 (vollautomatisiertes Fahren) reguliert – das wäre die weltweit die erste Regelung dieser Art. Sie soll bereits nächstes Jahr verabschiedet werden und Signalwirkung in Richtung einer europäischen Regelung entfalten. Derzeit befindet sich der Gesetzentwurf in der Ressortabstimmung, worauf eine Phase der Anhörungen mit Länder- und Verbandsvertretern geplant ist. Das Gesetz braucht die Zustimmung des Bundesrates. Es ist zudem gedacht als "Übergangslösung, bis auf internationaler Ebene harmonisierte Vorschriften vorliegen", so das BMVI.

Angesichts der skizzierten Situation mutet dieses vollmundige Statement des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur seltsam entrückt an. Aber Deutschland bzw. die EU haben immerhin die Chance, zum Vorreiter bei der Regulierung zu werden. Gelänge dies, würde sich so die Geschichte der Europäischen Datenschutzgrundverordnung wiederholen, die ja auch zum weltweiten Leitlinie geworden ist.

(bme)