Missing Link: Die Sicherheit und Zukunft der Energieversorgung

Seite 3: Vom fest verdrahteten Ansatz zu Virtualisierung

Inhaltsverzeichnis

Was wäre eine Alternative?

Man könnte ja auch alle Wärmepumpen oder alle Elektroautos oder sogar Toaster innerhalb einer Regelzone oder auch übergreifend für Deutschland adressieren. Wir müssen weg von diesem veralteten, fest verdrahteten Ansatz hin zu einer Virtualisierung. Das geht aber nur, wenn wir überall Smart Meter haben. Wir müssen sogar hinter die Messgeräte kommen, damit wir die dortigen Flexibilitäten einzeln angehen können. Dazu gibt es ein Papier von der Elia Group zu einem "Customer centric market design". Darin machen wir recht konkrete Vorschläge.

Unser jüngster Hackathon war genau zu diesem Thema, also etwa zu der Frage, wie können wir Wärmepumpen netzdienlich ansteuern? Das gilt auch für E-Fahrzeuge. Da müssen wir die Autoindustrie noch überzeugen. Es gibt drei große Sektoren, die in diesem Beritt kollidieren oder vielleicht auch einmal zusammenwachsen: der Energie-, der Mobilitäts- und der Technologiebereich. Jeder versucht hier momentan, seine Pfründe zu sichern.

Bleiben wir bei den E-Autos. Der Begriff "Netzsteuerung" führt da bei vielen Verbrauchern zu der Furcht, nicht um 18:30 Uhr ihr Gefährt laden zu können.

Der Otto-Normal-Verbraucher hat da tatsächlich Angst, das verstehe ich auch. Aber er will doch letztlich, dass er am nächsten Morgen eine gewisse Anzahl von Kilometern fahren kann. Das Vertrauen müssen wir schaffen. Das Zweite ist, die Verbraucher sollten Anreize bekommen. Wir müssen als Gesellschaft registrieren: Wir wollen mehr als 10 Millionen E-Autos bis 2030 auf dem deutschen Markt haben. Nehmen wir an, jedes davon hat eine 75-Kilowattstunden-Batterie: Wir können es uns volkswirtschaftlich nicht leisten, dieses Potenzial nicht zu heben.

Welche Anreize könnten helfen?

Beispiel: Wenn du uns die Steuerung überlässt, dann kannst du einstellen: Bitte laden, wenn auf der Ostsee gerade Sturm ist und wir zu viel Strom im Netz haben. Das geht dann für fast null Euro. Wenn du unbedingt laden willst um 18 Uhr, wenn alle ihre Geräte ans Netz hängen, dann kostet die Kilowattstunde halt 80 Cent. Wenn du den Mittelweg nimmst und sagst, dass dein Auto morgen 8:00 Uhr bitte eine Reichweite von mindestens 40 Kilometer haben soll, dann kostet die Kilowattstunde vielleicht 15 Cent. Flexible Tarife wären also die eine Möglichkeit. Die andere wäre es, den eigenen Akku als Regelenergie zur Verfügung zu stellen. Das heißt: Wir können da Strom aus den Batterien rausziehen, wenn wir zu wenig Leistung haben. Dafür gibt es eine Entlohnung.

Was hat der Verbraucher noch davon?

Der Schlüssel ist das Setzen von Anreizen. Das kann zusätzlich auf gewisse Zwecke ausgerichtet sein, wie: Willst du mit deinem E-Auto auch zur Klimaneutralität beitragen? Dasselbe gilt für Wärmepumpen: Auch da kann ich den Warmwasserbehälter voll bis zum Rand machen und später nutzen. Damit wird die Stromrechnung für den Konsumenten geringer und das Verfahren ist netzdienlich. Das ist das Modell, auf das wir hinaus müssen.

Wer sitzt bei der Einführung von flexiblen Tarifen am Schalter?

Das muss die Regulierungsbehörde machen und wir arbeiten mit ihr daran, dass wir dort hinkommen. Am Drücker sind also die Bundesnetzagentur und ihr europäisches Pendant ACER. Was wir als Elia-Gruppe auch machen: Wir haben jetzt eine Kooperation mit Elli, dem Anbieter für Energie und Ladelösungen von Volkswagen, um voranzukommen. Es gibt da natürlich ein Konkurrenzdenken, wer hat denn die Hosen an in diesem Markt. Aus unserer Sicht sind es natürlich die Energiefirmen, denn sie haben die Verantwortung fürs Netz. Am Ende geht es aber nur gemeinsam.

Was braucht man für das angestrebte Smart Grid jenseits von intelligenten Stromzählern?

Nötig ist natürlich auch Software, damit man das ganze steuern kann. Dafür setzen wir auf die beschriebene Open-Source-Plattform, um Innovationen auch von außen einzubinden. Die entsprechenden Anwendungen müssen überall vorhanden sein. Wir müssen auch weg von den Kraftwerkfahrplänen hin zu einem Echtzeitsystem. Dieses Koordinationsinstrument stammt aus einer Welt, in der wir wenige große Kraftwerke hatten. Jetzt, wo es viele dezentrale Erzeuger gibt, muss man sich in Echtzeit absprechen. Basis müssen auch hier offene Standards sein, denn die Hardware ist teuer, sie muss zertifiziert sein. Das muss alles viel leichter werden. Ich würde sogar weiter gehen und sagen: Lieber schlaue Software und dumme Hardware ohne komplexe Embedded-Systeme nehmen.

Welche Rolle spielen die Erneuerbaren generell bei der Transformation?

Die 50Hertz-Strategie lautet, dass wir von 60 auf 100 Prozent Erneuerbare in unserem Netz bis 2032 wollen. Da liegt noch eine gewaltige Wegstrecke vor uns, denn insbesondere der Ausbau der Windkraft an Land bleibt weit hinter dem zurück, was erforderlich wäre. Bei der Photovoltaik (PV) läuft es etwas besser, aber auch da könnte man noch mehr Marktkräfte entfesseln, indem man etwa unsinnige Regelungen abschafft, die den Ausbau behindern. Es ist zum Beispiel kaum möglich, dass eine Schule oder ein Verwaltungsgebäude Nachbarn ebenfalls mit Strom versorgt. Dafür wäre ein bürokratischer Aufwand erforderlich, mit finanziellen Nachteilen. Das nimmt niemand auf sich.